„Steeler Jungs“: Angst, Einschüchterung und Machtgebärden

Die selbst ernannte Essener Bürgerwehr unterhält Verbindungen zur Rocker- und Hool-Szene.

Donnerstag, 15. August 2019
Barbara Schulze

Am 1. August ließen die sehr rechten „Steeler Jungs“ jede taktische Zurückhaltung fallen: Nach dem Mord in Frankfurt an einem Achtjährigen marschierte die selbst ernannte Essener Bürgerwehr demonstrativ sprachlos, aber einschüchternd, durch Essen-Steele. Mit dabei waren „Die Rechte“-Funktionäre aus Dortmund, wie Siegfried Borchardt, Michael Brück, Alexander Deptolla und Sascha Krolzig, Vertreter der NPD und ihr Mönchengladbacher Bündnispartner Dominik Roeseler, HoGeSa-Sprecher, ehemals „pro NRW“. Insgesamt hatten sich etwa 250 bis 300 Rechte und Hools eingefunden, der Gegenprotest war deutlich kleiner.

Seit zwei Jahren wöchentlich die gleichen Szenen: Jeden Donnerstagabend verändert sich die Atmosphäre im Essener Stadtteil Steele: 50 bis 200 größtenteils hool-mäßig anmutende Männer und einige Frauen versammeln sich auf dem Grendplatz, viele kommen von einer nur 100 Meter entfernt gelegenen Sportbar. Betreiber dieser Bar ist Christian „Bifi“ W., laut Angaben der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus im Regierungsbezirk Düsseldorf ein bekannter Kampfsportler und Chef der Bottroper „Bandidos“. Dieser genieße als MMA-Kämpfer der „Alten Garde Essen/Boxclub Hafenstraße“ ein entsprechendes Ansehen in den eigenen Reihen, heißt es. Die „Alte Garde“ soll 2013 eine Vorführung des Films „Blut muss fließen“ angegriffen haben.

„Bedrohlich wirkender“ Charakter

Sie brüllen keine Parolen, viele tragen uniformmäßig anmutende weiße und schwarze Kleidung mit der Aufschrift „Steeler Jungs“. Seit einem Jahr wird der fremdenfeindliche rechte „Spaziergang“ der „Frauenschützer“ durch die Polizei begleitet.

Die „Steeler Jungs „werden seit 2018 auch im Bericht des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes erwähnt. Sie versuchten, Flüchtlinge insgesamt als eine Bedrohung darzustellen. Auch seitens der Polizei wird ihr „bedrohlich wirkender“ Charakter eingeräumt.

Die örtlich gut verankerten „Steeler Jungs“ inszenieren sich, wie die Mobile Beratung gegenüber bnr.de bestätigt, ambivalent: „Mal als sorgende Familienväter und Eltern, mal als tatkräftige Bürgerwehr.“ Gegenüber der Presse wird ihnen von Führungsfiguren ein Redeverbot auferlegt, wie sich in einer neuen ZDF-Dokumentation zeigt.

Am Angriff auf eine Kneipe beteiligt

Die Bilder gleichen sich: In Düsseldorf nennen sie sich „Bruderschaft Deutschland“, in Köln „Internationale Kölsche Mitte“. Gemeinsam ist ihnen eine patriarchalische Geste und ein Fremde ausgrenzender Anspruch.

Im April 2018 sollen mehrere „Steeler Jungs“ am Angriff auf eine Kneipe am Grendplatz beteiligt gewesen sein. Aufsehen erregte im Februar dieses Jahres ein Polizist, der mit den Rechten gemeinsam auf Fotos posierte. Nach Protesten reagierte die Polizei mit einer Distanzierung.

Bundesweites Aufsehen erregte ihre Teilnahme am Karnevalsumzug 2019 in Essen-Freisenbruch. Unter dem Namen „Steeler Jecken“ waren die Hools mit einem eigenen Wagen dabei. Sie trugen Helme, die an Wehrmachtshelme erinnern. Auf dem Wagen prangte die Losung „Auf Kohle geboren mit Stahl in den Adern“. Auf der Rückseite des Wagens eine große Faust, die eine „Zecke“ zerdrückt  – für Rechtsradikale das Synonym für Andersdenkende, die es zu vernichten gelte. (bnr.de berichtete)

Schüsse auf das Kulturzentrum

Im vergangenen Mai hatte sich ein größerer Teil der Teilnehmer mit Atemmasken vermummt. Von der Polizei wurden die Personalien von 75 Personen festgestellt.

Nun hat auch die Politik reagiert: Im April 2019 fasste die Bezirksvertretung und im Mai der Stadtrat eine fraktionsübergreifende Stellungnahme: „Hinter einer vermeintlich harmlosen Fassade“ verberge sich „womöglich ein bundesweit agierendes Netzwerk mit intensiven Kontakten in die extreme rechte Szene.“ Das erfordere „eine intensive Beobachtung und Begleitung durch die Sicherheitsbehörden.“

In der Nacht zum 27. März wurden zwei Schüsse auf das direkt gegenüber besagter rechter Sportbar gelegene Kulturzentrum Grend abgegeben, dabei Glasscheiben durchlöchert. Das Bündnis „Essen stellt sich quer“, so Sprecher Max Adelmann, vermutet einen politischen Hintergrund. Zwei Monate später postete Dominik Roeseler, der mit einer großen Gruppe aus Mönchengladbach erschienen war, ein Foto, auf dem er mit 60 Hools auf der Eingangstreppe des Bürgerzentrums Grend posierte.

Balladenabend mit „Kategorie C“

Die NRW-weite rechte Vernetzung der „Steeler Jungs“ zeigte sich bei mehreren Auftritten von Roeseler. Der umtriebige Mönchengladbacher, der als Parteiloser im Mönchengladbacher Stadtrat sitzt und die rechte Gruppierung „Mönchengladbach steht auf“ anführt, hatte am 20. September 2015 einen gewaltsamen Umzug der „Hooligans gegen Salafisten“ (HoGeSa) in Essen angeführt. In diesem Jahr machte er dreimal hintereinander für Essen mobil: Am 16. Mai, 27. Juni  und 1. August. Auf einem Gruppenfoto posierten 100 Hools,darunter auch zwei Neonazis  mit dem roten Haverbeck- T-Shirt der Partei „Die Rechte“. Den Abend in Essen ließen sie in ihrer Sportbar unweit des Grendplatzes mit einem Balladenabend mit der Bremer Hooligan-Band „Kategorie C“ ausklingen.

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