Stecker gezogen – Kein Rechtsrock im Thinghaus

Das Thinghaus in Grevesmühlen
Lange war es relativ ruhig um das Thinghaus in Grevesmühlen, doch am Sonntag wollte sich die Szene erneut zu einem Rechtsrock-Konzert versammeln. Über interne Kreise wurde mobilisiert und die Anhänger kamen nicht nur aus dem Umkreis, deutschlandweit machten sich weit über einhundert Neonazis auf den Weg gen Ostsee. Die Polizei verbuchte Teilnehmer aus Sachsen, Sachsen-Anhalt, Berlin, Brandenburg, Schleswig-Holstein und Hamburg.
Erneut sollte in der Szene-Location ein Konzert stattfinden, doch die Polizei machte den Organisatoren einen Strich durch die Rechnung. „Da von Teilnehmenden und Verantwortlichen zur Art der Veranstaltung widersprüchliche und wahrheitswidrige Angaben gemacht wurden, sowie die Gefahr der Begehung von Straftaten von erheblicher Bedeutung auszugehen war“, heißt es in der Pressemitteilung, sei die Durchführung der Veranstaltung untersagt worden.
Insgesamt seien 168 Personen kontrolliert worden, von denen 62 polizeilich bereits in Erscheinung getreten seien, der Großteil durch die Begehung politisch motivierter Straftaten. Bei einem Anreisenden wurde zudem eine Schreckschusswaffe und ein Totschläger gefunden, den Mann erwartet nun eine Strafanzeige wegen des Verstoßes gegen das Waffengesetz.
Die Polizei stieß bei der Durchsetzung des Veranstaltungsverbotes zudem auf massiven Widerstand etlicher Neonazis. So seien die Beamten durch das „aggressive Auftreten“ eines NPD-Mitglieds behindert worden, zudem hätten acht gewaltbereite Rechtsextremisten Polizeibeamte attackiert. Durch einen Beschluss des Amtsgerichts Schwerin wurde schließlich eine Durchsuchung des Gebäudes erwirkt, um die Identifizierung der Beschuldigten zu ermöglichen.
Auflagen verhindern Neonazi-Konzerte
Eröffnet wurde das Thinghaus durch den militanten Neonazi Sven Krüger vor über vier Jahren, seitdem hat sich das teilweise mit Palisadenzaun und Wachturm abgeriegelte Gebäude zu einem der wichtigsten Treffpunkte der parteifreien Szene und NPD entwickelt. Zahlreiche rechtsextreme Organisationen haben dort ihren Sitz, auch die Landtagsabgeordneten Udo Pastörs und Stefan Köster eröffneten in der ehemaligen Betonfabrik ihre Bürgerbüros, durch Steuergelder bereitgestellte Unterhaltskosten können so der Szene zugutekommen.
Neben Kinderfesten, „nationalen Bücherbörsen“ oder geschichtsverfälschenden Veranstaltungsabenden waren Rechtsrock-Konzerte seit jeher ein wichtiges Standbein des Thinghauses. Jugendliche sollen über auf den ersten Blick unpolitische Musikveranstaltungen für die rechtsextreme Szene gewonnen werden. Zudem kann die „Kriegskasse“ über Eintrittsgelder gefüllt und in den Strukturaufbau investiert werden.
Doch derzeit ist dies nicht möglich. Fanden sich im Jahr 2012 noch rund 1.000 Neonazis zu mindestens vier Rechtsrock-Konzerten in dem Szene-Treffpunkt ein, liegt der letzte polizeibekannte Musik-Event bereits über ein Jahr zurück. Durch eine im letzten Jahr beantragte Nutzungsänderung des Thinghauses in eine Veranstaltungsstätte erließ der Landkreis Nordwestmecklenburg damit einhergehende Auflagen. So dürfen „Musikveranstaltungen mit elektronischer Verstärkung“ tagsüber einen Pegel von 60, nachts von 45 Dezibel nicht überschreiten.
Sven Krüger hat gegen diese Auflagen Widerspruch eingelegt und beim Verwaltungsgericht Schwerin Klage eingereicht, doch einen Verhandlungstermin gibt es bis dato nicht, wie eine Sprecherin mitteilte.
