„Stadien von heute sind die größten Jugendhäuser“ - das Fanprojekt Rostock

Hinter der Tür befindet sich ein, dank der vielen Dachfenster, sehr heller, großer Raum. Gleich vorn im Eingangsbereich stehen zwei Kickertische, daneben ein einladend gemütliches Sofas. An die Wand ist in blauer Farbe „Fanprojekt Rostock“ gesprayt. Durchquert man den Raum, gelangt man in ein kleineres Büro, in dem sich eine kleine Kochnische und die Arbeitsbereiche der drei seit Mai 2008 tätigen Mitarbeiter befinden.
Das Projekt startete im November 2007 mit, wie die „Koordinierungsstelle Fanprojekte“ schreibt, ihrem ersten und einzigen „Einrichtungsgegenstand“: Projektleiter Nico Stroech. Seine Arbeit bestand darin, Grundlagen zu schaffen, was soviel heißt wie Raum- und Mitarbeitersuche sowie Aufbau erster Kontakte in die „Szene“. Seit Mai 2008 begleiten ihn Susanne Binsch und Martin Brochier. Träger des Fanprojekts ist die „Arbeiterwohlfahrt“ (AWO). Alle drei Hauptamtlichen haben ein Studium im Bereich der Erziehungs- und Sozialwissenschaften abgelegt. Susanne hat während ihres Studiums in Berlin in den Bereich der Fansozialarbeit hineingeschnuppert und abschließend ihre Diplomarbeit zu dem Thema verfasst. Martin hat in der Zeit seines Studiums an der Rostocker Universität ein Praktikum beim Verein Borussia Mönchengladbach absolviert. Zudem hat er sich neben seinem Studium ehrenamtlich bei der Fanbetreuung des FC Hansa Rostock engagiert und war Vertreter im Fanbeirat. Nico ist der einzig „Szeneunkundige“ gewesen, wie er selbst sagt. Doch er hat sich schnell eingearbeitet und in der Szene einen Namen gemacht. Das sei in der Rostocker Fanszene nicht immer einfach gewesen, da sie sehr sensibel sei und auf Fremde immer etwas zurückhaltend reagiere.
Zu Verwechslung kam es häufiger mit dem direkt beim Verein angesiedelten Fanclub „Hansa-Fanprojekt e.V.“. Die einzige Dopplung liege aber im Namen. Das „Hansa-Fanprojekt“ verstehe sich eher als Dachverband aller Hansafans, so eine Art „Supporters Club“. Dort könne man Karten für Heim- und Auswärtsspiele kaufen, bei einem Bierchen Fußball schauen. Aber mit der eigentlichen Arbeit eines Fanprojekts habe dies nichts zu tun, so Nico Stroech. Seit Mitte der neunziger Jahre werde vom Deutschen Fußballbund (DFB) ein sozialpädagogisches Fanprojekt gefordert. Vor allem der Jugendbereich sei jahrelang ohne Betreuung und Begleitung gewesen und die Folgen könne man heute sehen. So wirft Nico Stroech ein, dass der Wandel in der Fanszene hin zur Ultrakultur, der sich seit 2000/2001 vollzogen hat, gänzlich ohne Begleitung ablief. Diese Ultrafans seien für andere Bereiche der Jugendhilfe nicht zu erreichen, ergänzt Martin Brochier. Gerade in Mecklenburg-Vorpommern sei zu beobachten, dass die Hansafans einen starken Bezug zu der eigenen Stadt/Region entwickelt haben. Also wieder die traditionelleren Werte zählen: „meine Stadt, mein Verein“.
Eine Hauptaufgabe ist die Beziehungsarbeit, man muss an der Erlebniswelt der Jugendlichen teilnehmen, weiß Susanne Binsch. Nur so könne sich Vertrauen aufbauen. Diese Beziehungsarbeit umfasst die ganz „normale“ Spieltagsbetreuung. Hierzu hat das Fanprojekt, neben den normalen Öffnungszeiten an Spieltagen jeweils zwei Stunden vor und nach jedem Heimspiel geöffnet und natürlich begleiten die drei auch jedes Auswärtsspiel. Zudem bietet das Projekt auch offene Angebote an. So wird mittwochs in der angrenzenden Sportarena Hallenfußball angeboten. Dieses werde sehr gut frequentiert, vor allem die männlichen Fans nutzen dieses Angebot.
Jedoch gehört auch die Einzelfallarbeit zu den Kernbereichen. Diese umfasst etwa die Hilfe und Auseinandersetzung bei Stadionverboten, aber auch bei privaten Problemen, der Ausbildungs- und Jobsuche werde geholfen. Hierbei sei der persönliche Kontakt enorm wichtig. Jeder der drei betreut immer wieder die gleichen Personen. Bei Stadionverboten wird gemeinsam mit dem Verein versucht, Lösungen zu erreichen, wie zum Beispiel das Verbot erst einmal zur Bewährung auszusetzen.
Die Fanszene des Vereins habe sich stark gewandelt, so sei heutzutage ein Großteil der aktiven Szene im Bereich der Hansestadt Rostock eher dem linken Spektrum zuzuordnen, so Nico Stroech. Das St. Pauli-Spiel sei daher auch eher eine Ausnahme gewesen, dort seien plötzlich „Fans“ im Stadion gewesen, die vor sechs Jahren zuletzt im Stadion gewesen sind. „Die waren nur da, um Stress zu machen, die warten auf solche Spiele, auf die die Medien eine höhere Aufmerksamkeit haben“, ergänzte Martin Brochier. Im Umgang mit Fans übernehme Werder Bremen ganz klar eine Vorreiterrolle. Dort werde auch klar unterschieden zwischen Rassismus, Gewalt, Homophobie und nicht alles bunt in einen Topf geworfen. Diesen Themen hätte man sich in der Vergangenheit bei Hansa nicht so gewidmet, wie es hätte sein sollen, sagen die drei etwas leiser. Das soll sich nun aber ändern, das Fanprojekt wolle verstärkt die Ansätze aus der Szene unterstützen. „Positiv bestärken, fördern und unterstützen“ lautet die Devise.
Ein größeres Problem bei Hansa sei die „schweigende Mehrheit“, da viele Fans der Ansicht sind, dass Politik nichts im Stadion zu suchen habe. Bei den Hansa-Fans stehe der Verein und der Fußball an erster Stelle und nicht, welcher politischen Überzeugung einer sei. Das habe wohl auch beim Spiel Hansa Rostock gegen St. Pauli dazu geführt, dass eine Minderheit sich derartig Gehör und Aufmerksamkeit verschaffen konnte. Dies sei schließlich auch das gewesen, was einige Medien erwartet hätten, sagt Nico und ergänzt, dass dies das Ansehen ihrer Arbeit schon ein wenig geschmälert hätte. Susanne wirft allerdings ein, dass bei einem Auswärtsspiel, das von einer kleinen Gruppe angestimmte „U-Bahn-Lied“ sofort von einer großen Masse niedergesungen wurde. Auch für das angestrebte Thor-Steinar-Verbot gab es keine Impulse aus der Fanszene, dieses in die Stadionordnung mitaufzunehmen. Zu diesem Thema steht Nico auf und holt einen Flyer aus den Aufsteller. „Weißt du, was du trägst“ steht vorne drauf und abgebildet ist eine Person ohne Gesicht mit einem blauen Trikot und einem Fanschal über den Schultern, auf der Brust ein weißer Kreis mit einem Fragezeichen. Klappt man den Flyer auf, so wird über Szeneklamotten gesprochen, die ein Erkennungszeichen darstellen. „Ist die Zahl 88 auf dem Shirt eine politische Aussage oder nur ein sportliches Design?“ Wer mehr über Codes und Symbole erfahren will, kann sich Tipps und Tricks beim Fanprojekt holen, wie „rechte Gesinnung“ zu erkennen und „ihre Botschaften“ zu entlarven sind. Im Flyer wird auch „Thor Steinar“ als in der rechtsextremen Szene beliebtes Modelabel benannt. Zu einem Thor-Steinar-Verbot in der DKB-Arena will allerdings keiner der drei konkret Stellung beziehen.
Im März gebe es einen Workshop der „Koordinierungsstelle Fanprojekte“ in Hamburg zum Thema „Rechte Musik“. Daran nehmen die drei teil und wollen auch die Kompetenz in der Fanszene stärken, daher werden Vertreter der Fans mitreisen. In Zukunft will das Projekt auch koordinierte Aktionen gemeinsam mit dem Verein ins Leben rufen.
Kontakt:
Tel.: 0381 8579309
Fax.: 0381 8579308
E-Mail: fanprojekt@awo-rostock.de
Tschaikowskistr. 43
18069 Rostock
Öffnungszeiten: Dienstag bis Donnerstag von 10 bis 18 Uhr; bei Heimspielen zwei Stunden vor und nach den Spielen.
Das Projekt startete im November 2007 mit, wie die „Koordinierungsstelle Fanprojekte“ schreibt, ihrem ersten und einzigen „Einrichtungsgegenstand“: Projektleiter Nico Stroech. Seine Arbeit bestand darin, Grundlagen zu schaffen, was soviel heißt wie Raum- und Mitarbeitersuche sowie Aufbau erster Kontakte in die „Szene“. Seit Mai 2008 begleiten ihn Susanne Binsch und Martin Brochier. Träger des Fanprojekts ist die „Arbeiterwohlfahrt“ (AWO). Alle drei Hauptamtlichen haben ein Studium im Bereich der Erziehungs- und Sozialwissenschaften abgelegt. Susanne hat während ihres Studiums in Berlin in den Bereich der Fansozialarbeit hineingeschnuppert und abschließend ihre Diplomarbeit zu dem Thema verfasst. Martin hat in der Zeit seines Studiums an der Rostocker Universität ein Praktikum beim Verein Borussia Mönchengladbach absolviert. Zudem hat er sich neben seinem Studium ehrenamtlich bei der Fanbetreuung des FC Hansa Rostock engagiert und war Vertreter im Fanbeirat. Nico ist der einzig „Szeneunkundige“ gewesen, wie er selbst sagt. Doch er hat sich schnell eingearbeitet und in der Szene einen Namen gemacht. Das sei in der Rostocker Fanszene nicht immer einfach gewesen, da sie sehr sensibel sei und auf Fremde immer etwas zurückhaltend reagiere.
Zu Verwechslung kam es häufiger mit dem direkt beim Verein angesiedelten Fanclub „Hansa-Fanprojekt e.V.“. Die einzige Dopplung liege aber im Namen. Das „Hansa-Fanprojekt“ verstehe sich eher als Dachverband aller Hansafans, so eine Art „Supporters Club“. Dort könne man Karten für Heim- und Auswärtsspiele kaufen, bei einem Bierchen Fußball schauen. Aber mit der eigentlichen Arbeit eines Fanprojekts habe dies nichts zu tun, so Nico Stroech. Seit Mitte der neunziger Jahre werde vom Deutschen Fußballbund (DFB) ein sozialpädagogisches Fanprojekt gefordert. Vor allem der Jugendbereich sei jahrelang ohne Betreuung und Begleitung gewesen und die Folgen könne man heute sehen. So wirft Nico Stroech ein, dass der Wandel in der Fanszene hin zur Ultrakultur, der sich seit 2000/2001 vollzogen hat, gänzlich ohne Begleitung ablief. Diese Ultrafans seien für andere Bereiche der Jugendhilfe nicht zu erreichen, ergänzt Martin Brochier. Gerade in Mecklenburg-Vorpommern sei zu beobachten, dass die Hansafans einen starken Bezug zu der eigenen Stadt/Region entwickelt haben. Also wieder die traditionelleren Werte zählen: „meine Stadt, mein Verein“.
Eine Hauptaufgabe ist die Beziehungsarbeit, man muss an der Erlebniswelt der Jugendlichen teilnehmen, weiß Susanne Binsch. Nur so könne sich Vertrauen aufbauen. Diese Beziehungsarbeit umfasst die ganz „normale“ Spieltagsbetreuung. Hierzu hat das Fanprojekt, neben den normalen Öffnungszeiten an Spieltagen jeweils zwei Stunden vor und nach jedem Heimspiel geöffnet und natürlich begleiten die drei auch jedes Auswärtsspiel. Zudem bietet das Projekt auch offene Angebote an. So wird mittwochs in der angrenzenden Sportarena Hallenfußball angeboten. Dieses werde sehr gut frequentiert, vor allem die männlichen Fans nutzen dieses Angebot.
Jedoch gehört auch die Einzelfallarbeit zu den Kernbereichen. Diese umfasst etwa die Hilfe und Auseinandersetzung bei Stadionverboten, aber auch bei privaten Problemen, der Ausbildungs- und Jobsuche werde geholfen. Hierbei sei der persönliche Kontakt enorm wichtig. Jeder der drei betreut immer wieder die gleichen Personen. Bei Stadionverboten wird gemeinsam mit dem Verein versucht, Lösungen zu erreichen, wie zum Beispiel das Verbot erst einmal zur Bewährung auszusetzen.
Die Fanszene des Vereins habe sich stark gewandelt, so sei heutzutage ein Großteil der aktiven Szene im Bereich der Hansestadt Rostock eher dem linken Spektrum zuzuordnen, so Nico Stroech. Das St. Pauli-Spiel sei daher auch eher eine Ausnahme gewesen, dort seien plötzlich „Fans“ im Stadion gewesen, die vor sechs Jahren zuletzt im Stadion gewesen sind. „Die waren nur da, um Stress zu machen, die warten auf solche Spiele, auf die die Medien eine höhere Aufmerksamkeit haben“, ergänzte Martin Brochier. Im Umgang mit Fans übernehme Werder Bremen ganz klar eine Vorreiterrolle. Dort werde auch klar unterschieden zwischen Rassismus, Gewalt, Homophobie und nicht alles bunt in einen Topf geworfen. Diesen Themen hätte man sich in der Vergangenheit bei Hansa nicht so gewidmet, wie es hätte sein sollen, sagen die drei etwas leiser. Das soll sich nun aber ändern, das Fanprojekt wolle verstärkt die Ansätze aus der Szene unterstützen. „Positiv bestärken, fördern und unterstützen“ lautet die Devise.
Ein größeres Problem bei Hansa sei die „schweigende Mehrheit“, da viele Fans der Ansicht sind, dass Politik nichts im Stadion zu suchen habe. Bei den Hansa-Fans stehe der Verein und der Fußball an erster Stelle und nicht, welcher politischen Überzeugung einer sei. Das habe wohl auch beim Spiel Hansa Rostock gegen St. Pauli dazu geführt, dass eine Minderheit sich derartig Gehör und Aufmerksamkeit verschaffen konnte. Dies sei schließlich auch das gewesen, was einige Medien erwartet hätten, sagt Nico und ergänzt, dass dies das Ansehen ihrer Arbeit schon ein wenig geschmälert hätte. Susanne wirft allerdings ein, dass bei einem Auswärtsspiel, das von einer kleinen Gruppe angestimmte „U-Bahn-Lied“ sofort von einer großen Masse niedergesungen wurde. Auch für das angestrebte Thor-Steinar-Verbot gab es keine Impulse aus der Fanszene, dieses in die Stadionordnung mitaufzunehmen. Zu diesem Thema steht Nico auf und holt einen Flyer aus den Aufsteller. „Weißt du, was du trägst“ steht vorne drauf und abgebildet ist eine Person ohne Gesicht mit einem blauen Trikot und einem Fanschal über den Schultern, auf der Brust ein weißer Kreis mit einem Fragezeichen. Klappt man den Flyer auf, so wird über Szeneklamotten gesprochen, die ein Erkennungszeichen darstellen. „Ist die Zahl 88 auf dem Shirt eine politische Aussage oder nur ein sportliches Design?“ Wer mehr über Codes und Symbole erfahren will, kann sich Tipps und Tricks beim Fanprojekt holen, wie „rechte Gesinnung“ zu erkennen und „ihre Botschaften“ zu entlarven sind. Im Flyer wird auch „Thor Steinar“ als in der rechtsextremen Szene beliebtes Modelabel benannt. Zu einem Thor-Steinar-Verbot in der DKB-Arena will allerdings keiner der drei konkret Stellung beziehen.
Im März gebe es einen Workshop der „Koordinierungsstelle Fanprojekte“ in Hamburg zum Thema „Rechte Musik“. Daran nehmen die drei teil und wollen auch die Kompetenz in der Fanszene stärken, daher werden Vertreter der Fans mitreisen. In Zukunft will das Projekt auch koordinierte Aktionen gemeinsam mit dem Verein ins Leben rufen.
Kontakt:

Fax.: 0381 8579308
E-Mail: fanprojekt@awo-rostock.de
Tschaikowskistr. 43
18069 Rostock
Öffnungszeiten: Dienstag bis Donnerstag von 10 bis 18 Uhr; bei Heimspielen zwei Stunden vor und nach den Spielen.