Sprengsätze gebastelt

Neonazis müssen sich in Aachen wegen versuchter Anschläge und Schmieraktionen verantworten.

Freitag, 11. Februar 2011
Michael Klarmann

Mit Teilgeständnissen hat am Freitag vor dem Landgericht Aachen ein Prozess gegen einen jungen Mann und einen Heranwachsenden begonnen, denen die Vorbereitung von Sprengstofftaten, rechte Schmieraktionen und ein Brandanschlag vorgeworfen werden. Beide Personen waren in der Neonazi-Szene aktiv.

Das Duo wird von der Staatsanwaltschaft beschuldigt, Sprengsätze aus Glasscherben und Böllern gebaut zu haben. Diese sollen sie von Aachen aus in einem Reisebus mit anderen Neonazis aus dem Rheinland am 1. Mai 2010 nach Berlin transportiert haben. Laut Anklage sollten die mit Glasscherben präparierten Silvesterknaller, die in Toilettenpapierrollen eingebettet waren, am Rande eines Aufmarsches gegen Polizisten und Gegendemonstranten eingesetzt werden.

Ein Hitler-Porträt als Tätowierung

Im Umfeld des Aufmarsches waren die selbst gebauten Sprengsätze angesichts polizeilicher Vorkontrolle fallen gelassen worden. Sichergestellte DNA-Spuren führten später zu den beiden nun Angeklagten. Falko W. (20), seinerzeit Mitglied der eng mit der NPD verwobenen „Kameradschaft Aachener Land“ (KAL), räumte in der Sache als Hauptangeklagter lediglich ein, er habe die Sprengsätze gebastelt und nach Berlin mitgenommen. Darüber, was er damit machen wollte, habe er sich keine Gedanken gemacht. Der Mitangeklagte Daniel T. (25) bestritt, an dem Bau beteiligt gewesen zu sein. Erst im Bus habe er von W.s Plänen erfahren.

W., der als Tätowierung ein Porträt von Adolf Hitler trägt, will unterdessen seine Gesinnung geändert haben. Beide Angeklagten sitzen in Untersuchungshaft.

Volksverhetzende Parolen am jüdischen Friedhof

In einem zweiten Anklagepunkt wirft die Staatsanwaltschaft W. und T. vor, Anfang August vergangenen Jahres in Aachen Parteibüros, das Haus eines Aussteigers, die Werbetafel des Zeitungsverlages Aachen („Aachener Nachrichten“, „Aachener Zeitung“) und die Außenmauer des jüdischen Friedhofes mit Hakenkreuzen sowie rechten und volksverhetzenden Parolen wie „Juden den Gashahn aufdrehen“ beschmiert zu haben.

Während W. dabei überwiegend nur als Fahrer eines PKW fungiert haben soll, gab T. zu, hauptsächlich alleine für die nächtlichen Schmierereien verantwortlich gewesen zu sein. Er sei jedoch stark alkoholisiert gewesen, sagte T. am Freitag. Ansporn für die Aktion sei der zuvor gemeinsam angeschaute Film über Neonazis, „Hass im Kopf“, gewesen. Beim Schauen sei der Wille entstanden, auch Schmierereien begehen zu wollen, so T. in seiner Aussage.

Experimente mit Molotow-Cocktails

W. wird zudem vorgeworfen, Mitte Mai 2010 zwei Molotow-Cocktails auf den linksalternativen Veranstaltungsort „Autonomes Zentrum“ (AZ) in Aachen geworfen zu haben. W. gab die Tat, die er nachmittags begangen haben will, zu. Er sagte jedoch, er habe nur „ein Zeichen setzen“ wollen, weil er vermutete, dass Linke zuvor sein Auto demoliert hätten. Da das AZ in einem Betonbunker beheimatet ist, sei ihm klar gewesen, dass die Brandsätze – von denen nur einer zündete – keinen Schaden anrichten würden. Tagsüber seien auch weder Besucher noch Betreiber vor Ort, so W. weiter.

Der Prozessauftakt wurde von einem erheblichen Polizeiaufgebot und starken Sicherheitsmaßnahmen begleitet. Ermittlerprotokollen zufolge hatten W. und T. in Aachen eine eigene Neonazi-Gruppe mit zirka fünf Personen gegründet, die auch in anderen Fällen mit Sprengstoffen und Molotow-Cocktails experimentiert haben sollen. Zudem steht die Gruppe im Verdacht, weitere Schmieraktionen durchgeführt und Wehrsportübungen abgehalten zu haben. Mutmaßliche Mitglieder der Gruppe im Alter zwischen 17 und 18 Jahren sagten am Freitag als Zeugen aus. Bei zahlreichen brisanten Fragen der Richter verwiesen sie indes auf starke Erinnerungslücken oder verweigerten die Aussage ganz – mit der Begründung, sie könnten sich selbst belasten und müssten deswegen nicht aussagen.

Für den Prozess am Landgericht sind weitere fünf Verhandlungstage angesetzt. Mit einem Urteil wird Ende Februar gerechnet.

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