„Solidarität“ mit inhaftierten „Kameraden“

Neonazis wollen am kommenden Samstag durch Koblenz demonstrieren – organisiert wird der Aufmarsch von der Worch-Partei.

Mittwoch, 12. März 2014
Tomas Sager

Anlass für den braunen Aufzug ist das derzeit vor dem Koblenzer Landgericht laufende Verfahren gegen Mitglieder und Anhänger des neonazistischen „Aktionsbüros Mittelrhein“.  Vorgeworfen wird den Angeklagten die Bildung beziehungsweise Unterstützung einer kriminellen Vereinigung. Fast genau auf den Tag genau vor zwei Jahren, am 13. März 2012, waren Staatsanwaltschaft und Polizei mit einer Razzia in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen gegen das „Aktionsbüro“ vorgegangen.

Schon im August 2012, wenige Tage vor Beginn des inzwischen rund 110 Verhandlungstage währenden Mammutprozesses, waren Neonazis durch die Stadt am Rhein gezogen. (bnr.de berichtete) Rund 200 von ihnen kamen damals zu der Veranstaltung, die Christian Worch angemeldet hatte – allerdings „als Privatmann“ und nicht etwa als Vorsitzender seiner Partei „Die Rechte“, wie er seinerzeit betonte.

Diesmal organisiert der „Die Rechte“-Landesverband Rheinland-Pfalz die Demonstration, die unter dem Motto „Zusammenhalt ist unsere Stärke – Gegen Repression und Behördenwillkür – Solidarität mit Sven und den anderen“ steht. „Sven“ steht für Sven Skoda. Er ist einer der Angeklagten im Koblenzer Verfahren. Bis Januar saß er in Untersuchungshaft. Vor seiner Inhaftierung hatte sich der Düsseldorfer landauf und landab durch seine Redeauftritte bei Neonazi-Demonstrationen einen Namen in der braunen Szene gemacht. Während seiner 22-monatigen Haft erwarb er sich in der Szene beinahe schon Märtyrerstatus. Am Samstag soll er wieder zu den Rednern gehören – neben Christian Worch, dem DR-Landesvorsitzenden Oliver Kulik, dem niedersächsischen Neonazi Dieter Riefling und einem „Überraschungsredner aus dem Norddeutschen Raum“.

„Wegstrecke in die Nähe des Landgerichts bringen“

Auch in die Detailplanung der Demonstration ist Skoda offenbar involviert. Am 3. März monierte er per Mail bei Kulik, dass die Demo-Route von der Stadt wegen der angemeldeten Gegendemonstrationen geändert worden sei. Der erste Teil des am Hauptbahnhof beginnenden Weges  sei „sehr gut, weil er wirklich Koblenzer Innenstadt abdeckt“, schrieb er, nachdem er sich „die Strecke jetzt mal genauer angesehen und das auch mit Leuten vor Ort durchgesprochen“ hatte. Die dann folgende Änderung der Route sei allerdings sehr unattraktiv. Insbesondere soll die Demo nicht mehr genau dorthin führen, wo Skoda derzeit regelmäßig seinen Richtern gegenübersitzt: „Ich denke“, schrieb er, „wir sollten versuchen die Wegstrecke noch einmal zu modifizieren und in die Naehe des Landgerichts zu bringen.“

Zur Demonstration im August 2012 waren insbesondere auch Neonazis aus Nordrhein-Westfalen zahlreich nach Koblenz gekommen. Das dürfte diesmal kaum anders sein. Intensiv wird aber auch vom Landesverband der „Rechten“ aus Baden-Württemberg für die Veranstaltung geworben. „Am 15.03. alle raus auf die Straße nach Koblenz! Es wird eine gemeinsame Anreise aus dem Süden zur Demonstration geben“, kündigt er an.

DR-Landeschef von Baden-Württemberg in U-Haft

Das besondere Engagement der Neonazis aus dem Südwesten hat einen Grund: Während Skoda, der vorübergehend gar zum „Spitzenkandidaten“ der „Rechten“ für die Europawahl avancierte, seit zwei Monaten wieder auf freiem Fuß ist, sitzt der baden-württembergische „Die Rechte“-Landesvorsitzende Daniel Reusch seit Ende Februar ein – auch er aus Neonazi-Perspektive selbstredend rein willkürlich. Seine Inhaftierung sei „ein weiterer Grund, unsere Demonstration gegen Repression am 15. März in Koblenz zahlreich zu besuchen“, appellierte Kuliks Landesverband an die „Kameraden“. „Daniel Reusch wird zur Last gelegt, Mitglied einer Kriminellen Vereinigung zu sein. Hintergrund ist offenbar die Gruppierung ,Die Unsterblichen’. Was daran strafbar sein soll, unangemeldet mit weißen Masken zu demonstrieren, erschließt sich uns nicht“, schrieb Kulik am Tag von Reuschs Festnahme. „Ausführliche Informationen reichen wir nach“, versprach er. Darauf wartet man freilich noch heute.

Das mag daran liegen, dass es bei den Ermittlungen, die das Landeskriminalamt Baden-Württemberg gegen insgesamt 18 Neonazis aus dem Raum Göppingen führt, keinesfalls nur um unangemeldete Demonstrationen unter dem Label der „Unsterblichen“ geht. (bnr.de berichtete) LKA und Staatsanwaltschaft Stuttgart werfen den mutmaßlichen Mitgliedern der als kriminelle Vereinigung eingestuften „Autonomen Nationalisten Göppingen“ vielmehr vor, seit 2010 zahlreiche Straftaten begangen zu haben. Der Katalog der Vorwürfe ist lang: Sachbeschädigungen, gefährliche Körperverletzungen, vorsätzliche Körperverletzungen, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Volksverhetzung, Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Verstöße gegen das Waffengesetz gehören dazu.

Vier der 18 Neonazis sitzen in U-Haft. Sie gelten den Ermittlern als „Rädelsführer“ der braunen Truppe – darunter Reusch, der Landeschef einer Partei, die sich in ihrem Programm „vollinhaltlich und ohne jeden Vorbehalt zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung, wie sie im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland verfasst ist“, bekennt.

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