Skurriles Treffen der AfD-Rechtsaußen

Auf einer Veranstaltung im Schwarzwald beklagten AfD-Politiker/innen, die von Parteiausschlussverfahren betroffen sind, ihr Leid. Schirmherrin ist die AfD-Landtagsabgeordnete Christina Baum.

Dienstag, 12. Februar 2019
Fabian Jellonek

Björn Höcke ist da. Also nicht physisch. Sondern nur in überlebensgroßer Form auf Roll-Ups und Bannern. „Extra für die Presse haben wir diese Dekoration mitgebracht“, sagt Christina Baum, AfD-Landtagsabgeordnete und Schirmherrin der Veranstaltung „Alternativ bleiben!“ in Burladingen.  „Aber weil Björn das nicht weiß“, fährt sie fort, „haben wir uns entschieden, die Banner jetzt umzudrehen, damit niemand behaupten kann, dies sei eine Höcke- oder Flügel-Veranstaltung“. Ein skurriler Auftakt für eine skurrile Veranstaltung.

Das Setting der Veranstaltung: Außer Baum sprechen hier vor allem AfDler, die von einem Parteiausschlussverfahren betroffen sind. Oder wie die Schirmherrin in ihrem Grußwort erklärt: „Sie können teilnehmen an einer Veranstaltung mit den anscheinend sehr bösen und gefährlichen Buben und Mädchen der AfD". Die gefährlichen „Buben“ und „Mädchen“ heißen Stefan Räpple (Landtagsabgeordneter Baden-Württemberg), Jens Ahnemüller (Landtagsabgeordneter Rheinland-Pfalz), Jessica Bießmann (Abgeordnete in Berlin) und Doris von Sayn-Wittgenstein (Landtagsabgeordnete Schleswig-Holstein). Moderiert wird das Ganze vom Macher des rechtspopulistischen „Compact-„Magazins, Jürgen Elsässer.

„Viagra für den Volkswiderstand“

Der nutzt die Bühne, um ein paar „Compact“-Ausgaben hochzuhalten und drückt seine Befürchtung aus, dass diese bald nicht mehr auf AfD-Veranstaltungen verkauft werden dürften. Ihn ängstigt die Einrichtung einer „Sprachpolizei in der AfD“. Die Partei hält der Mann, der mehrfach betont, er sei ein objektiver Journalist, für den „Türöffner zur Volksdemokratie“. Außerdem seien gute Wahlergebnisse der AfD „wie Viagra für den Volkswiderstand“. Kurz darauf stellt er die erste Rednerin des Tages, Jessica Bießmann, als „nicht nur eine der schönsten Frauen in der AfD, sondern auch eine der erfolgreichsten“ vor.

Dafür, dass Frau Bießmann so erfolgreich ist, bekommt sie auffallend kurze Redezeit. Bießmann spricht über das Parteiausschlussverfahren gegen sie, es geht dabei vor allem um Fotos von ihr, bei denen im Hintergrund Weinflaschen mit dem Konterfei Adolf Hitlers zu sehen sind. Der eigentliche Grund für ihren drohenden Ausschluss sei, so die Berliner Abgeordnete, „dass ich mich nicht dem Berliner Weg untergeordnet habe. Ich stehe für den Thüringer Weg“. Elsässer will nach der kurzen Rede wissen, ob sie aus der Partei Unterstützung erfahren habe. Von ihrem Landesverband nicht, antwortet Bießmann, aber „Björn Höcke hat es geschafft, mich mindestens zweimal die Woche anzurufen und mich nach meinem Befinden zu fragen“.

Druck auf die AfD enorm gestiegen

Damit ist Höcke dann zumindest verbal wieder im Raum. Es muss für die Gäste auf dem Podium schmerzhaft sein, dass ihre Ikone und selbst die zweite (Kalbitz) und dritte (Tillschneider) Reihe des „Flügels“ nicht im Schwarzwald erschienen ist. Höcke hatte in einem dreiteiligen Gastbeitrag für den AfD-nahen „Deutschland-Kurier“ unlängst geschrieben: „Selbstverständlich muss sich eine demokratische und grundgesetztreue Partei wie die AfD konsequent von tatsächlichen Extremisten, Verrückten und Provokateuren trennen.“ Heißt wohl, dass auch der prominenteste Flügler nicht mehr bedingungslos jede/n unterstützen will, der von einem Ausschlussverfahren bedroht ist.

Seitdem das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD zum Prüffall erklärt hat, steigt der Druck auf die Partei enorm, sich von Personen zu trennen, die zum Prüfergebnis Verfassungsfeindlichkeit beitragen könnten. Moderator Elsässer spricht angesichts dessen im Laufe der Veranstaltung von einer „Säuberungskampagne“. Zunächst leitet er aber zum nächsten Gast über: Jens Ahnemüller aus Rheinland-Pfalz, dem Land, indem es laut Elsässer derzeit „neben Berlin, die meisten Schwierigkeiten für die Meinungsfreiheit gibt.“

„Meinungs- und Gesinnungsdiktatur“ in Deutschland

Ahnemüller erklärt, dass er sich durch das Verhalten seines Landesvorsitzenden Uwe Junge, der ihn gerne außerhalb der Partei sehen würde, „an seine Jugendzeit in der Diktatur des Proletariats“ erinnert fühle. Den Vergleich zur DDR hatte zuvor schon Schirmherrin Baum gebracht und behauptet, dass sich Deutschland zu einer „Meinungs- und Gesinnungsdiktatur“ entwickele.

Auf Ahnemüller folgt der nächste Gast, den Elsässer so einführt: „Dieser Mann hat Eier“. Gemeint ist Stefan Räpple aus Baden-Württemberg. Tatsächlich ist Räpple der einzige Redner, der die gegen ihn erhobenen Vorwürfe weder bestreitet noch versucht klein zu reden. Stattdessen erklärt er die Verrohung der parlamentarischen Sitten zur Maxime seines politischen Handelns: „Ich bin nicht zart besaitet. Von mir aus können wir im Parlament einen raueren Umgangston pflegen.“ Räpple streitet lediglich ab, dass sein Verhalten parteischädigend sei. Er belegt dies mit Umfragewerten der Partei und stellt fest, dass die AfD nie besser dastand, „als in der Woche, wo diskutiert wurde: Dürfen AfD-Leute auf Demonstrationen, wo Hitlergrüße gezeigt wurden“.

„Die sprichwörtliche Holocaust-Keule“

Der Punkt ist ihm wichtig. Räpple war in Chemnitz „aber nicht eine Woche später, wo alle offiziell waren. Sondern bei den Bösen!“. Das Parteiausschlussverfahren gegen ihn bezeichnet er als „Vernichtungsfeldzug gegen meine Person.“ Das Verfahren gegen seinen Landtagskollegen Wolfgang Gedeon nennt er „die öffentliche Hinrichtung von meinem Freund Wolfgang Gedeon“. Gedeon wird vorgeworfen ein antisemitisches Buch verfasst zu haben. Räpple hat es gelesen und teilt dem Publikum in Burladingen mit, dies sei ein „wunderbares Buch, dafür stehe ich“.

Dann ist Doris von Sayn-Wittgenstein an der Reihe. Die Schleswig-Holsteinerin wäre auf dem Parteitag in Hannover beinahe Vorsitzende der Bundespartei geworden. Das lag vor allem am Gegner in der Stichwahl: Georg Pazderski. Der Berliner gilt als gemäßigtes AfD-Mitglied und ist entsprechend unbeliebt. Auch in Burladingen fällt sein Name oft, aber niemals lobend.

„Mich traf die sprichwörtliche Holocaust-Keule“, erklärt Sayn-Wittgenstein. Ihr wird vorgeworfen, in einer Unterhaltung gegenüber einem Parteifreund den Holocaust geleugnet zu haben. Sayn-Wittgenstein bestreitet dies vehement. Ebenso bestreitet sie, Mitglied im geschichtsrevisionistischen „Verein Gedächtnisstätte“ gewesen zu sein. Gegen den Bundesvorstand hat sie mittlerweile Anzeige erstattet, wegen Rufschädigung. „Diese Holo-Keule“, sagt die Rechtsanwältin, „trifft mich auch als Organ der Rechtspflege“. Außerdem beklagt sich Sayn-Wittgenstein über ein „30-seitiges Pamphlet“ des Bundesvorstands mit „Zusammenstellungen vom Verfassungsschutz“, aber auch „Artikeln unserer Feindpresse, Kieler Nachrichten und Lübecker Nachrichten“ über ihre Person.

„Die bösen Buben und Mädchen“

Elsässer versucht anschließend der Schleswig-Holsteinerin eine erneute Kandidatur für den Bundesvorstand der AfD aufzuschwatzen. Die möchten ihren Hut aber „jetzt noch nicht in den Ring werfen“. Anscheinend geht sie wie viele Menschen im Publikum, die sich während der Diskussion zu Wort melden, davon aus, dass die Verfahren gegen die versammelten Mitglieder „im Sande verlaufen“. Diese Vermutung könnte damit zusammenhängen, dass tatsächlich immer wieder Parteiordnungsverfahren in der AfD eingestellt werden.

In die Publikumsdiskussion schaltet sich auch der AfD-Kommunalpolitiker Carsten Härle aus dem hessischen Heusenstamm ein. Er trägt eine blaue Kornblume am Knopfloch. Die galt in den 30er Jahren in Österreich als Erkennungszeichen der Nationalsozialisten und prangt seit Kurzem auf dem Parteilogo des „Aufbruchs deutscher Patrioten“, der neuen Partei von André Poggenburg. Laut Härle ist seine Blume aber eine „preußische Blume“.  Härle gibt an, er stünde auf Position acht der „Top-Scorer-Liste“. Gemeint ist die Anzahl der namentlichen Erwähnungen im Prüfgutachten des Verfassungsschutzes. Härle sagt auch: „Man hat schon sämtliche Keulen gegen mich durch, Rechtsextremist, Reichsbürger, Antisemit, Verschwörungstheoretiker, Holocaust-Leugner, Nazi auch noch. Man kennt diesen ganzen Unsinn".

Knapp drei Stunden geht das so. Dann ist Veranstaltung beendet und die „bösen Buben und Mädchen“ treten die Heimreise an.

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