Siegessichere Truppe

Selbstbewusst feiern sich die NPD-Kader in Sachsen-Anhalt in der Barlebener Mittellandhalle. Öffentlich ist die Veranstaltung nicht – einzelne Pressevertreter werden ausgesiebt.

Montag, 14. März 2011
Andrea Röpke/Otto Belina

Lässig lehnt Michael Schäfer am Geländer der Treppe. Von oben herab beobachtet er die Szenerie. Der Listen-Kandidat Nummer 3 aus Werningerode erwartet die einschlägigen Gäste zur „Wahlkampfabschluss“-Veranstaltung in Barleben nahe Magdeburg. Parteichef Udo Voigt wird einer der Hauptredner sein. Dagegen ist Udo Pastörs nicht wie angekündigt erschienen.

Während sich die Freien Kameradschaften des Landes zum Aufmarsch gegen die alliierte Bombardierung in Dessau formieren und von hunderten Gegendemonstranten aufgehalten werden, füllt sich der Innenhof vor der Mittellandhalle in Barleben langsam. Protest gibt es nicht. Neugierig ziehen Passanten vorbei, werfen einen Blick durch das große Eingangstor. Gleich dahinter fangen schwarz gekleidete Ordner einige der Pressevertreter ab.

Subtiles Machtgebaren

Unter den Neonazi-Wachmännern sind der als aggressiv geltende Landesvorsitzende der Jungen Nationaldemokraten (JN) Andy Knape sowie die führenden Aktivisten Markus Großmann aus Sotterhausen, Nils Larisch und Christian Schwidder. Schnell bauen sie sich nebeneinander auf. Zu ihnen gesellen sich die wegen Körperverletzungsdelikten auffälligen Leipziger Anführer der „Freien Kräfte“ Tommy Naumann und Istvan Repaczki. Berichterstatter vom „blick nach rechts“ (bnr.de) seien nicht erwünscht, ebenso ergeht es einem Vertreter von „Miteinander e.V.“ sowie einem Redakteur der „Volksstimme“. Andere Journalisten können passieren. Auch dem beleibten Pressesprecher Michael Grunzel scheint es zu gefallen, bei dieser – eigentlich öffentlichen – Wahlkampfveranstaltung selektieren zu können. Die NPD ist nicht zur Diskussion bereit. Statt offener Gewaltandrohungen werden von den Ordnern so genannte Ansagen gemacht. Ein subtiles Machtgebaren. Die anwesenden Polizeibeamten schauen tatenlos zu.

In Wahlkampfzeiten spricht Matthias Heyder von der NPD als den „wahren Demokraten“, die angeblich die Bürgerrechte „verteidigen“ würden. Noch 2007 war der Rechtsextremist offener, als er ankündigte, seine Mannschaft stehe dafür, „dieses ekelhafte, korrupte System abzuschaffen“. Obwohl die NPD in Sachsen-Anhalt sich im Landtagswahlkampf auch im Umgang mit den gewalttätigen Truppen der „Freien Kameradschaften“ bedeckt hält, haben die eigenen Parteikameraden in der Vergangenheit wenig Hehl aus ihrer Radikalität gemacht.

Parlamentsarbeit als „Mittel der Propaganda“

Szenekundige Experten wie Prof. Titus Simon von der Hochschule in Magdeburg-Stendal warnen vor den Versuchen der NPD, in Sachsen-Anhalt öffentlich als „Musterdemokraten“ aufzutreten. Gegenüber dem Medien- und Recherche-Projekt „Infothek-Dessau“ enttarnt der Wissenschaftler die NPD-Strategie als „Symbolpolitik“. Demnach sehe auch der Landesverband der NPD die Parlamentsarbeit nur als „Mittel der Propaganda“ an.

Heyder und seine Truppe gerieren sich bewusst als „Anwälte der kleinen Leute“, setzen sich für „ökologischen Landbau“ sowie „Arbeit und Sicherheit“ ein. Die Straßen in vielen Kleinstädten, Dörfern und Magdeburger Hochhaus-Siedlungen wie Reform und Olvenstedt sind gepflastert mit NPD-Plakaten. „Heyder räumt auf“, „Arbeit statt Armut“ oder „Zukunft statt Schulschließungen“ steht darauf. Allzu radikale Themen scheinen vermieden zu werden. Nach den aktuellen Prognosen, welche die NPD bei etwa 5 Prozent verorten, wähnt sich die NPD-Spitze bereits im dritten Landtag. Das werde ein „Einzug mit Ansage“ tönt Matthias Heyder arrogant. Erwartungsgemäß sieht sich die NPD nicht als „Reformpartei“, sondern will die Demokratie aus dem Magdeburger Landtag heraus weiter bekämpfen.

Wahlkampfhilfe aus Stralsund und Delmenhorst

Wenig Fußvolk ist beim Feierakt am Wochenende in Barleben zu sehen. Hier trifft sich vor allem der elitäre Kern der „Kampfgemeinschaft“. Die junge führende Aktivistin der Gemeinschaft Deutscher Frauen und NPD-Funktionärin aus Bayern Bettina Rauch steht mit Patrick Schröder vor dem Treppenaufgang. Dirk Arendt lümmelt sich mit einigen Leuten aus Stralsund am Stehtisch herum, sie sind zur Wahlkampfhilfe vor Ort. Aus demselben Grund scheinen der niedersächsische NPD-Vorsitzende Adolf Dammann, Patrick Kallweit sowie Florian Cordes aus Delmenhorst anwesend. Aus Cordes aggressiv-politischem Delmenhorster Umfeld stammt auch Julian Monaco, der seit wenigen Monaten die Geschäftsstelle der NPD in Halberstadt leitet. Neben seiner Freundin aus Neumünster steht ein junger Mann mit der Aufschrift „Shooting Club“ und einem Gewehr auf der Jacke. Sie unterhalten sich angeregt. Monaco zählt ebenso wie zahlreiche andere jüngere Anwesende zum Innercircle des JN-Vorsitzenden Michael Schäfer.

Schäfer schaut dem Geschehen von der Treppe aus zu. Selbstgefällig lächelt er auf die Anhängerschar herunter. Wahlkampfleiter Holger Apfel aus Sachsen macht sich für ein Fernsehinterview bereit. Als wäre es abgesprochen, geben sich die anwesenden NPD-Kader äußerst cool, alle tragen die Hände in den Hosentaschen, lächeln fortwährend. Tragen moderne Anzüge mit schlichten Hemden, ohne Krawatten. Matthias Heyder, der Spitzenkandidat der NPD aus Elbingerode, stolziert die Treppe herunter, begrüßt seine Anhänger mit Handschlag. Nur ein ganz kurzer Plausch, und er geht weiter. Überhaupt scheinen sie sich dort nicht viel zu sagen zu haben. Nach und nach verschwinden die meisten der rund 100 Gäste in den Saal unter dem Dach der Halle. Unter ihnen sind die Partei-Kader Heidrun Walde, Philipp Valenta und Thorsten Fleischmann aus Halberstadt. Listen-Kandidatin Judith Rothe ist nicht erschienen.

Rolle als braune Gallionsfigur

Geschäftig eilt Philipp Valenta, wegen Körperverletzung verurteilter Kandidat auf Platz 4 der Landesliste, über den Innenhof. Auffällig langsam dagegen zieht es Matthias Gärtner, NPD-Stadtrat aus Magdeburg und dessen Freundin an den Kameras vorbei auf den Eingang zu. Die übergewechselten früheren DVU-Funktionäre Heiner Höving, Birgit und Karin Fechner begrüßen freudig den ebenso neuen NPD-Sympathisanten Hans Püschel aus Krauschwitz. Über Hövings Unterhaltungs-Firma soll die Mittellandhalle angemietet worden sein, berichtete die Magdeburger „Volksstimme“.

Püschel, der ehemalige SPD-Politiker, Bürgermeister im Burgenlandkreis, wirkt wie so oft leicht entrückt. Er wird später im Saal mit seinen humoristischen Einlagen „für Erheiterung sorgen“ und an sein großes Idol Otto Reutter erinnern. Manch ein Beobachter zweifelt, ob ihm die Tragweite seiner Rolle als braune Gallionsfigur in aller Deutlichkeit bewusst sein mag.

Fahrende Suppenküche mit Raimund Borrmann

Zielsicher steuert ein muskelbepackter Glatzkopf mit zahlreichen Tattoos zur Begrüßung direkt auf die NPD-Führung zu. Man umarmt sich. Doch ein kurzer Blick in Richtung der anwesenden Kameras reicht den Wahlkampfstrategen, sich schnell zu entfernen. Ein martialischer Glatzkopf passt nicht zum stilisierten Image. Verblüfft bleibt der allein zurück.

So ganz bekommen Heyder, Schäfer und Co. auch ihre engsten Mitstreiter nicht in den Griff. Der mecklenburg-vorpommersche Landtagsabgeordnete Raimund Borrmann verleiht der braunen Truppe eine Hauch Klamauk. Diesmal tritt der selbsternannte „Koch und Philosoph“ nicht als „Clown Ferdinand“ wie bei den Kinderfesten seiner Partei auf, sondern hat sich eine eigenwillige, grün-weiße Küchentracht einfallen lassen. Neben dem „Flaggschiff“ genannten NPD-Mobil hat der Catering-Unternehmer ein Fahrzeug zur fahrenden Suppenküche ausgerüstet. „Essen für‘s Volk – Statt Diätenerhöhung für Bonzen“ steht in riesigen Lettern auf dem umgebauten weißen Wohnmobil. Zwei NPD-Fahnen flattern auf dem Fahrzeugdach.

„Für die soziale Alternative werben“

In der letzten Wahlkampfwoche will Borrmann damit so genannte „Tafeln“ in den Städten aufsuchen und sich mit kostenlosen Speisen bei notdürftigen Wählern in Sachsen-Anhalt anbiedern. „Für die soziale Alternative werben“ heißt die Aktion im Sprachgebrauch der NPD-Strategen. Eilig kommen die letzten Gäste heran, einige jüngere Neonazis aus Oschersleben verbergen ihre Gesichter. Leutselig dagegen begrüßt der Lauchaer Stadtrat und Schornsteinfeger Lutz Battke Polizeibeamte und „ausgesperrte“ Pressevertreter mit einem „Guten Morgen“. Es ist ein heterogener Haufen an Rechtsextremisten, der sich hier am Spätnachmittag versammelt hat. Ihn eint der Siegeswille.

Die schwarz gekleideten Ordner stoben sofort herbei, tritt jemand mit seiner Kamera über ihren imaginären „Grenzstrich“. Ein makabres Szenario.

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