„Bürgerbewegung Pax Europa“
Showdown um Stürzenbergers Melkkuh BPE
Am Samstag wollen sich die Mitglieder der in Teilen radikal islamfeindlichen „Bürgerbewegung Pax Europa“ treffen, um den erst im Dezember gewählten Vorstand abzulösen. Hintergrund ist ein Streit um die Verwendung finanzieller Mittel und das öffentliche Auftreten des Vereins. Für Islamhasser und bekanntestes Mitglied, Michael Stürzenberger, geht es um den Zugriff auf die Mittel, von denen er offenbar bisher lebt und agiert.
Mit einigen Videos und Livestreams haben in den vergangenen Tagen beide Seiten im Konflikt ihre jeweiligen Vorwürfe an die Gegenseite konkretisiert, bzw. Vorwürfe zurückgewiesen. Auf der einen Seite steht die im Dezember gewählte Mehrheit des Bundesvorstandes der „Bürgerbewegung Pax Europa“ (BPE) um den neuen Vorsitzenden Günter Geuking, auf der anderen Seite Michael Stürzenberger zusammen mit der damals neu ins Amt gekommenen Schatzmeisterin Stefanie Kizina. Die Vorhalte werfen ein skurriles Licht auf das Finanzgebaren des gemeinnützigen Vereins - trotz Beobachtung des bayerischen Landesverbandes.
Bezahlt für Hatespeech
Durch die Videos mit gegenseitigen Vorwürfen kam nun heraus, dass Stürzenberger für die Auftritte bei seinen aggressiv-kämpferisch ausgerichteten Kundgebungen ein Auftrittshonorar bekommt, obwohl er zeitgleich Vorstandmitglied des gemeinnützigen Vereins ist. Das sei nach Ansicht der Geuking-Seite als „finanzielle Zuwendung an einen Vorstandsfunktionär“ nicht rechtmäßig. Deshalb fordert der Bundesvorstand ausbezahlte Gelder zurück. Über 35.000 Euro seien nicht anerkennungsfähig, fast 17.000 Euro seien für Videos ausbezahlt worden und noch mal 19.000 Euro für die Kundgebungen, so der Bundesvorstand in einem kürzlich erschienenen Video.
Geuking betonte im Rahmen einer Pressekonferenz am 6. April, dass er davon ausgegangen sei, dass alle Vorständler ehrenamtlich aktiv seien. Er schilderte die Situation einer Kundgebung, bei der ein Muslim Stürzenberger aufgefordert habe, die Summe zu nennen, die er bekomme und der das abgestritten hätte. „Ich hätte mir nie denken können, dass dieser Moslem Recht haben könnte“, so Geuking.
Stürzenberger räumte die Honorare inzwischen ein. Seine ehrenamtliche Arbeit für den Verein leiste er bei der Vorbereitung der Kundgebungen, etwa Kooperationsgesprächen. Bei den Versammlungen sei er dann in seiner Eigenschaft als Redner, Moderator, Journalist oder Videoproduzent und das seien zu bezahlende „Sonderleistungen“. Niemand könne von ihm verlangen, „diese Fließbandarbeit“ ehrenamtlich zu erledigen, weil er sonst weder Strom noch Gas bezahlen könne. Mit diesen Ausführungen in einer Antwort auf Vorwürfe macht er selbst deutlich, wie sehr er vom Zugriff auf die Finanzmittel des Vereins abhängig ist.
Üppige Bewirtung von angeblichen Helfern
Ein weiterer Streitpunkt sind die Auslagen für tatsächliche und angebliche Helfer bei Kundgebungen. Die Truppe um Stürzenberger geht nach Versammlungen regelmäßig essen. Die Kosten trägt der Verein. Ein Kassenprüfer machte bei der Pressekonferenz Anfang April aber deutlich, dass die Art und Weise, wie Stürzenberger das einreichen wollte, nicht der Abgabenordnung genüge. Auch vom Umfang her würden mehr als nur die Helfer verköstigt. Teilweise seien 30 bis 40 Personen bewirtet worden, mit Kosten über 1000 Euro. Im Schnitt hätten die „Helferessen“ um die 400 Euro verschlungen.
Vom Aufwand sind die üblichen Kundgebungen mit einer kleinen Crew zu stemmen, da keine große Bühne aufgebaut werden muss, sondern nur Pavillon, Ständer für Schilder und die Lautsprecheranlage. Das Equipment wird hauptsächlich in einem Sprinter, dem „BPE-Mobil“, von Versammlung zu Versammlung transportiert.
Stürzenberger gab in seinem Antwortvideo zu, dass er es für geboten ansah, wenn etwa Anhänger aus Südbayern zu Kundgebungen nach Franken fuhren, dem Personenkreis das Benzingeld zu erstatten. Ihre Auslagen erstattet bekamen auch die „Journalisten“ der Initiative „Europäischer Widerstand Online“ (EWO-Online), die die Kundgebungen jeweils streamten.
Unternehmer kann Sponsoring von Hatespeech steuerlich geltend machen
Stürzenberger ist im Rahmen des Streits auch gefragt worden, warum er nicht einen eigenen Verein gründe und die vielen Anhänger und Spenden, die er generiere, dahin mitnehme. Nach außen betonte er dabei immer, wie sehr er an der BPE wegen ihrer langen Geschichte hänge. Hinzukommen dürften ungenannte praktische Gründe. Stürzenberger betont, dass die finanzielle Vergütung etwa seiner Rednertätigkeit auch durch einen anonymen Großspender des Vereins ermöglicht werden. Dieser ungenannte Unternehmer, der aus Bayern stammen soll, lasse der BPE beträchtliche Summen zukommen, immer mit der Widmung, dass sie für die Kundgebungen von Stürzenberger verwendet werden sollen. Dieses Geld dürfe, so der Wahl-Münchner, nicht angesammelt werden, was ihm als Rechtfertigung der Ausgaben dient.
Diese Spenden sind, weil sie an einen gemeinnützigen Verein fließen, steuerlich absetzbar. Würde Stürzenberger nun einen eigenen Verein gründen, müsste die Gemeinnützigkeit neu beantragt werden, was bei einem noch deutlicher auf ihn zugeschnittenen Verein und der expliziten Nennung im Verfassungsschutzbericht schwierig werden dürfte. Die momentane Situation mit der BPE war also für beide, Stürzenberger und den Unternehmer, ideal, mit Vorteilen für beide Seiten. Voraussetzung war und ist allerdings Stürzenbergers indirekte Verfügung über die Konten. Und genau damit begann auch der Streit.
Verfolgungsjagd auf der Suche nach den Vereinsunterlagen
Wie Geuking auf der Pressekonferenz vom im April darlegte, eskalierte die Situation, als er nicht bereit war, der Schatzmeisterin Kizina Zugriff auf ein privates Konto zu gewähren, dass er für Gelder der BPE angelegt hatte. Mit diesem Notfall-Konto sollten bei einer anderen Bank liegende Gelder, die offenbar der BPE gekündigte hatte, wieder verfügbar gemacht werden. Geuking betont, er hätte Gelder von dort nur nach Anweisung der Schatzmeisterin bewegt. Für andere BPE-Mitglieder sei der Umstand Anlass gewesen, ihn der „Vorbereitung einer Straftat“ zu bezichtigen. Das Vorgehen gegen die Vorhalte nennt nun wiederum Stürzenberger ein unmögliches Verhalten, weshalb er auch rechtfertigt, dem neuen Bundesvorstand wichtige Unterlagen vorenthalten zu dürfen.
Die Schilderung, wie Geuking und Mitstreiter doch in den Besitz kamen, ist fast filmreif. Erst nach langem Zögern habe der frühere Geschäftsführer Thomas B. überhaupt einen Termin für die Übergabe genannt. In der Nacht vor der Abholung wurden dann allerdings die Vereinsunterlagen und der Server mit den Daten in ein Auto der neuen Schatzmeisterin Kizina verladen. Der Bundesvorstand entdeckte dies nur durch den Umstand, da man einen Tag vorher angereist war und dann das Auto mit den Unterlagen beim Spazieren entdeckt haben will. Geuking und seine Mitstreiter machten sich am nächsten Morgen, als das Auto mit den Unterlagen weg war, auf die Verfolgung und fanden PKW und Inhalt bei der neuen Schatzmeisterin. Die Polizei stellte laut Schilderung des BPE-Vorstandes auf der Pressekonferenz die Unterlagen sicher und händigte sie Geuking später aus. Laut Stürzenberger habe aber in der Zwischenzeit ein Gericht entschieden, dass Kizina weiterhin als Schatzmeisterin anzusehen ist, sie nicht ausgeschlossen wurde und deshalb den Vereinsserver zurückbekommen dürfte.
„Allgemeine Ausgaben“
Der Bundesvorstand entdeckte nun allerlei aus seiner Sicht erklärungsbedürftige Finanzbewegungen. Darunter fallen Anschaffungen für das Auto der Schatzmeisterin für ihre Mahnwachen in Köln. Aber auch eine Autoreparatur nach einem Fahrfehler soll aus Vereinsgeldern bezahlt worden sowie eine erhöhte Kilometerpauschale von 40 Cent vom früheren Geschäftsführer gewährt worden sein, der Kizina und ihren Mann mit „Vergünstigungen angefüttert“ habe.
Eben jener bis Dezember 2022 beschäftigte Geschäftsführer habe der BPE 800 Euro (500 Euro davon für Miete) in Rechnung gestellt für die bei sich im Privathaus eingerichtete Geschäftsstelle. Weil er den Raum nicht rechtzeitig bei sich selbst gekündigt hatte, wollte er auch nach seinem Ausscheiden noch drei Monate Gelder kassieren, so der Bundesvorstand in seiner Pressekonferenz. Thomas B. überwies sich das Geld – wie üblich – auf rein eigene Veranlassung. Die frühere Schatzmeisterin sei in die Transaktionen nicht eingebunden gewesen. Ihr seien über einige Monate Einblicke generell verwehrt worden, weshalb sie schließlich das Handtuch geworfen habe, so die Kritik des Bundesvorstandes am ehemaligen Geschäftsführer.
Als Geuking die Räume, die der Verein ja noch bezahlte, besichtigen wollte, soll B. die Gelder zurücküberwiesen und das Mietverhältnis als doch gekündigt deklariert haben. Gesehen hat die Räume nur ein hinzugerufener Polizist, der den 500 Euro teuren Raum auf neun Quadratmeter schätzte. Stürzenberger, der hier den früheren Geschäftsführer verteidigte, sprach immerhin von 14.
Abgerechnet haben soll B. dann allerdings noch 2.975 Euro für vorher geleistete und nicht vergütete Arbeit. Geuking vermutet hier eine Retourkutsche für die „entgangenen 2.400 Euro Büroeinnahmen“. Auch die Ehefrau von B. habe monatlich Geld vom Verein bekommen, wofür sei unklar.
Aufgefallen sind dem Vorstand auch Buchungen vom Paypal-Konto des Vereins auf das Konto der Schatzmeister. „Für allgemeine Ausgaben“ stand als Grund nur dabei, wenn Summen in Höhe von 5.000 Euro abflossen. Stürzenberger verteidigt diese Transaktionen als notwendig, weil von dem Geld laufende Kosten und Ausgaben wie die Hallenmiete der Mitgliederversammlung beglichen worden sein sollen. Auch Stürzenberger tat einiges für das Durcheinander. So habe er, verteidigt er sich, den Anwalt bezahlt, der für die BPE die Kundgebung in Gladbeck auf dem Europaplatz durchgeklagt habe. Das Geld sei aus seinem Vorschuss für Kundgebungen bezahlt worden. Ob er das nun auch zurückzahlen soll, fragt er ketzerisch Richtung Geuking. Übersichtlicher wird das Finanzgeflecht der BPE mit solchen Aktionen jedenfalls nicht.
Stürzenbergers Methoden „verachtenswert“
Unabhängig von der Frage der Finanzen geht der BPE-Bundesvorstand auch auf Distanz zu Stürzenbergers Art, die Kundgebungen durchzuführen. Er kläre nicht auf, sondern sage immer nur das gleiche war noch eine harmlose Formulierung auf der Pressekonferenz. Sein Vorgehen sei es, Muslime bis aufs Blut zu provozieren und sie „zum Kochen zu bringen“. Das sei verachtenswert, so ein Vorstandsmitglied.
Für Quote und Klicks riskiere Stürzenberger hier eine Eskalation. Das seien dann auch die Kundgebungen mit den hohen Abrufzahlen. Für die Inhalte, wenn nichts passiere, interessierten sich die Zuhörer dagegen kaum. Die hohe Reichweite sei kein Erfolg, es seien lediglich Schaulustige wie bei einem schweren Unfall.
Stürzenberger zeigte sich in seinen Antwortvideos scheinbar konziliant, will aber am „emotionalen Charakter“ festhalten. Er bestätigte dabei auch den Vorwurf des Bundesvorstandes: Die besonders emotionalen Kundgebungen hätten mehr Spenden erbracht. Laut einer in die Kamera gehaltenen Aufschlüsselung der Barspenden kamen bei manchen Kundgebungswochenenden über 1000 Euro an Spenden zusammen. Der Bundesvorstand sieht auch die konkrete Verwendung dieser Mittel als ungeklärt an.
Windhundrennen
Verdächtig wirkt in diesem Zusammenhang auch das Drängen des „Teams Stürzi“ auf eine zeitnahe Mitgliederversammlung. Nach Darstellung des Bundesvorstandes sperrt sich dieser auch nicht gegen eine solche. Im Januar sei allerdings noch im Beisein von Stürzenberger beschlossen worden, bis Mai zu warten, um sich einen Überblick zu verschaffen und Klarheit in die Finanzen zu bringen. Unmittelbar nach diesem Beschluss habe allerdings Stürzenberger die Pläne hintertrieben mit der Einberufung der außerordentlichen Versammlung.
Er rechtfertigt vor seinen Anhängern sein Drängen mit dem Umstand, möglichst schnell wieder mit Kundgebungen beginnen zu können. Nach dem gerichtlichen Hin und Her um die erste Versammlung in Würzburg ist das Treffen nun für den kommenden Samstag in Wertheim angesetzt, nach einer Andeutung von Geuking wohl auf dem Gelände des früheren Vereinsgründers Willi Schwend, der dort ein Unternehmen führt. Dorthin mobilisiert eigentlich nur die Stürzenberger-Seite.
Gut möglich also, dass der Bundesvorstand das Ergebnis nicht akzeptiert. Laut einer Aussage seien die Landesverbände, die die außerordentliche Mitgliederversammlung beantragen dürfen, allerdings gegenüber dem Bundesvorstand die Rechenschaft schuldig geblieben, wie die jeweiligen Beschlüsse zustande gekommen sein sollen. Auch fehle dem Bundesvorstand der Überblick, ob in allen Landesverbänden regulär gewählt worden sei. So soll auch der Landesverband Nord nur aus einer Person bestehen, die wegen „ihrer Verdienste“ als Landesvorsitzender tituliert wird. Einen Verband dahinter gebe es de facto nicht.
Der Fall BPE könnte also unabhängig vom Ausgang Gerichte beschäftigen und wohl nach allem, was jetzt bei dem Streit auf den Tisch kam, möglicherweise auch die Finanzbehörden.