Selbst ernannte AfD-Fußtruppen von rechts

Rechtsextreme und Hooligans haben nach eigenen Angaben eine Veranstaltung der AfD in Mönchengladbach mit einem Aufmarsch vor Gegendemonstranten „geschützt“. Die Partei hat sich im Vorfeld nicht wirklich von dieser Aktion distanziert, einzelne Mitglieder und Sympathisanten waren im braunen Pulk anzutreffen.

Donnerstag, 07. Februar 2019
Michael Klarmann

In den städtischen Räumen im „Haus Erholung“ in Mönchengladbach fand am Mittwochabend ein AfD-„Bürgerdialog“ statt. Diesen wollte der frühere „pro NRW“-Funktionär und Mitgründer der „Hooligans gegen Salafisten“ (HoGeSa), Dominik Roeseler, mit seinem rechtsextremen Verein „Mönchengladbach steht auf“ mit einem Aufmarsch und einer Kundgebung vor Gegenprotesten „schützen“. (bnr.de berichtete) Roeseler umschrieb die Aktion zuvor als eine „Gegen-Gegendemo“ die sich gegen die „Gegendemo“ zu dem AfD-Treffen richte.

Die Polizei ist an diesem Mittwochabend mit einem immensen Aufgebot im Einsatz. Die Gegner der AfD und des rechtsextremen Aufmarsches halten rund 250 Meter vom „Haus Erholung“ eine Kundgebung ab, rund 350 Menschen haben sich versammelt. Es sind Vertreter von Parteien, von Gewerkschaften, von Vereinen, kirchlichen Initiativen sowie junge Antifaschisten. Alle sind beim „FestProtest“ mit Livemusik und Ständen dabei, eine bunte, vielfältige Gemeinschaft, manche haben ihre Kinder mitgebracht. Roeseler wird im Verlauf des Abends diese Gegendemonstranten in seiner Rede als „mit unseren Steuergeldern [bezahlten] Terror dahinten“ beschreiben.

Musik von „Kategorie C“ spielt zwischen den Reden

Sein Verein „Mönchengladbach steht auf“ hat rund 100 Menschen mobilisiert, auffallend viele davon gehören dem erkennbar rechtsextremen Spektrum sowie der rechtsoffenen Hooligan-Szene aus den Zeiten von HoGeSa an. So spielt man zwischen den Reden unter anderem auch Musik der rechtsextremen Bremer Hooligan-Band „Kategorie C“ (KC) ab, die auch den HoGeSa-Soundtrack veröffentlicht hat. Anders als bei ähnlichen Aufmärschen hat die Polizei laut Roeseler Alkoholkonsum nicht verboten, einige Teilnehmer trinken schon bei der Auftaktkundgebung in der Nähe der AfD-Veranstaltung ihr Bier.

Im Unterschied zu anderen aktuellen Aufmärschen aus der rechten Szene trägt in Mönchengladbach niemand gelbe Warnwesten, obschon Roeseler, seine Mitstreiter und die aus dem östlichen Ruhrgebiet und dem übrigen Rheinland angereisten Verschwörungsideologen und Rechtsextremisten bei vielen anderen Gelegenheiten bereits die „Gelbwesten“ kopiert haben. (bnr.de berichtete hier und hier)

Medienvertreter gelten als „Feinde“

Gebärden sich einige der angetrunkenen Hooligans bei dem späteren Aufmarsch durch die Straßen und Fußgängerzonen aggressiv, so sind es jene Aktivisten aus der rechten „Gelbwesten“-Szene, die lautstark Journalisten namentlich „outen“ und auf diese deuten. Teile des Aufmarsches skandieren aggressive und bedrohliche Parolen gegen die als „Feinde“ geltenden Medienvertreter.

Den AfD-„Bürgerdialog“ im noblen „Kaisersaal“ im klassizistischen Gemäuer „Haus Erholung“ besuchen an diesem Abend rund 100 Mitglieder und Sympathisanten, interessierte „Bürger“ verirren sich wie bei früheren Veranstaltungen unter diesem Label kaum in den Saal. Der verteidigungspolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Rüdiger Lucassen, der Bundestagsabgeordnete und Vizechef der Bundespartei, Kay Gottschalk, sowie der deutlich weit rechts außen stehende Brandenburger Landeschef und Vorsitzende der AfD-Fraktion im Potsdamer Landtag, Andreas Kalbitz, stehen dem Publikum Rede und Antwort. (bnr.de berichtete)

AfD-Mitglieder bei der rechtsextremen Versammlung

Wenige Tage zuvor hatte die AfD in einer Stellungnahme mitgeteilt, man sei verwundert darüber, dass eine Demonstration stattfinde, die vorgebe, den „Bürgerdialog“ schützen zu wollen. Die Partei stellte zudem fest, dass der Schutz ihrer Veranstaltungen „vor der so genannten Antifa allein in den Händen der Polizei liegt, mit der wir in Kontakt stehen“. Überdies teilte die AfD-Bundestagsfraktion dazu schriftlich mit: „Auch wenn wir die Organisatoren der Demo für Demokratie und Meinungsfreiheit nicht kennen, freuen wir uns über jeden, der für diese Werte eintritt.“ Gemeint ist mit letztgenanntem Satz offenbar nicht der Protest des breiten, gesellschaftlichen Bündnisses für eine demokratische und liberale Gesellschaft, sondern der Aufmarsch von „Mönchengladbach steht auf“.

Diese Worte klingen nicht wie eine Distanzierung von dem erwartbaren Aufmarsch von rechts. So nahmen am Mittwochabend vereinzelt auch AfD-Mitglieder und -Sympathisanten an der rechtsextremen Versammlung teil. Andere schauten sich vor dem Besuch des „Bürgerdialogs“ neugierig das Treiben an, wieder andere sprachen kurz mit Teilnehmern oder den Organisatoren. Eine AfD-Frau aus Düren bot einen Video-Livestream im Internet an. Dessen ungeachtet sollen laut Bericht der „Rheinischen Post“ (RP) alle drei AfD-Politiker während des „Bürgerdialogs“ die Einstufung der AfD durch den Verfassungsschutz als Prüffall einen „Skandal“ genannt haben.

Gegendemonstranten als „Nutten des Systems“ bezeichnet

In den drei Redebeiträgen bei der rechtsextremen Auftaktkundgebung beschimpft man derweil politische Gegner, die heutige Demokratie wird als Diktatur dargestellt. Carsten Jahn, bis 2012 noch als Funktionär in der rheinischen NPD aktiv und nach verschiedenen Anläufen in Splittergruppen nunmehr rechter „Gelbwesten“-Aktivist, bezeichnet Gegendemonstranten als „Nutten des Systems“. Sie würden gegen die im Grundgesetz zugesicherte Meinungsfreiheit verstoßen, gefördert und unterstützt von den „Altparteien“ als „Auftraggeber“. Jener „staatlich geförderte Gegenprotest“ veranstalte „Hetzjagden“ auf „Bürger“, wie Jahn Vertreter aus dem rechten Spektrum nennt.

Steffi van L. aus Köln, Vertreterin der „Patrioten NRW“, wettert dann gegen die heutige „Meinungsdiktatur“ und animiert die gerade einmal 100 Gesinnungsfreunde dazu, „Wir sind das Volk“ zu skandieren. Ungeachtet des immensen Polizeiaufgebots lobt die Rednerin ihre Mitstreiter, man selbst stehe „Schulter an Schulter“, um die AfD zu schützen, während die „Damen und Herren der Altparteien […] sechs bis sieben Millionen Wähler [der AfD] einen Arschtritt“ gäben. „Man gaukelt uns eine Scheindemokratie vor“, wettert van L. in ihrer aggressiven und demagogischen Art.

Parole „Frei, sozial und national“ wird unterbunden

Auch Dominik Roeseler schimpft in seiner Rede über die „selbst ernannten Demokraten, die in Wahrheit Antidemokraten sind, nämlich die Linken, die Roten und die Grünen, die ihrer Meinung nach am liebsten alles sofort vernichten wollen, was nicht ins eigene Weltbild passt“. Sie, so fordert Roeseler seine Gefolgsleute auf, müsse man „aus unserer Stadt rausfegen“. Kurz darauf weist er die Rechtsextremen und Hooligans dann darauf hin, dass die politischen Gegner die Gewalt auf die Straße bringen würden. Während er und die Mitstreiter indes sich „eben für Demokratie, Meinungsfreiheit und für Rechtsstaatlichkeit ein“ einsetzen würden.

Als später einige Teilnehmer des braunen Aufmarsches die neonazistische Parole „Frei, sozial und national“ anstimmen wollen, unterbindet man dies. So weit reicht die Meinungsfreiheit im eigenen Aufmarsch offenbar nicht, möglicherweise jedoch nur deswegen, weil man vermeiden will, offen als Neonazis aufzufallen. „Wir sind das Volk“, „Festung Europa, macht die Grenzen dicht“ und „Wer Deutschland nicht liebt soll Deutschland verlassen“, wird stattdessen skandiert. Gedeckt von der Meinungsfreiheit übrigens.

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