FPÖ-Nationalratspräsident
Seit Jahrzehnten im burschenschaftlichen Spektrum verwurzelt
Erstmals steht mit Walter Rosenkranz ein Politiker der extrem rechten Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) dem Nationalrat der Alpenrepublik vor. Rosenkranz bekleidet nun nach dem Bundespräsidenten das zweithöchste Amt im Staat. Der FPÖ-Spitzenpolitiker pflegt seit Jahrzehnten Kontakte ins extrem rechte Spektrum.
Der Parlamentspräsident wird für fünf Jahre gewählt und kann nicht abgesetzt werden. Er leitet die Geschäfte des Nationalrates und legt die Sitzungstermine fest. 100 der 183 Abgeordneten stimmten in geheimer Wahl für den 62-jährigen Juristen Walter Rosenkranz. Die FPÖ verfügt über 57 Mandate – selbst wenn die ParlamentarierInnen seiner Partei geschlossen für Rosenkranz stimmten, muss er Unterstützung aus anderen Fraktionen gehabt haben.
Die neurechte Berliner Wochenzeitung „Junge Freiheit“ freut sich über die „historische Wahl“, während die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) Wien davor warnte, Rosenkranz dieses Amt zu überlassen. Die IKG kritisierte die Nähe von Rosenkranz zu deutschnationalen Verbindungen und warf ihm vor, NS-Verbrechen zu verharmlosen. „Wird ein Mitglied deutschnationaler Verbindungen dieser Verantwortung gerecht? Jemand, der Nazi-Verbrecher als burschenschaftliche ‚Leistungsträger‘ verharmlost und geradezu huldigt?“, so die IKG. Auch für das Mauthausen-Komitee sei Rosenkranz als „rechtsextremer Burschenschafter“ untragbar.
Alter Herr
Rosenkranz ist Alter Herr der pflichtschlagenden Wiener akademischen Burschenschaft Libertas., die der völkischen „Burschenschaftlichen Gemeinschaft“ in der „Deutschen Burschenschaft“ (DB) angehört. Noch 1967 hieß es in der offiziellen Libertas-Festschrift, die Entnazifizierung und die Absage an die NS-Ideologie nach 1945 sei ein „Kampf gegen das Deutschtum überhaupt” gewesen. Aktuell beklagt die deutschnational ausgerichtete Libertas das „Dogma der politischen Korrektheit, die weitgehende Gleichschaltung der veröffentlichten Meinung, das bewusste Ignorieren vitaler Interessen unseres Volkes und die zwanghafte Gleichmacherei und Primitivisierung durch flächendeckende Reduzierung des Niveaus“.
Rosenkranz schlug als Aktiver acht Mensuren in seiner Burschenschaft. „Die der Mensur zugrunde liegenden Prinzipien der Ritterlichkeit und der Wehrhaftigkeit“ haben nach Ansicht der Wiener akademischen Burschenschaft Libertas „auch in der Gegenwart eine hohe Bedeutung“. Die 1860 gegründete Libertas, heute die älteste noch bestehende Burschenschaft Österreichs, führte 1878 den „Arierparagraphen“ ein, der die Aufnahme von Juden verbot. Man müsse dies aus der Zeit heraus verstehen, schrieb Rosenkranz 2012 im Burschenschafter-Jubiläumsband von Martin Graf (aB! Olympia), der studentische Antisemitismus sei dadurch entstanden, „dass überdurchschnittlich viele Juden Hörer an den Universitäten waren.“
Burschenschaft vergab Preis an Neonazi-Gruppierung
Die Libertas verlieh 2008 dem neonazistischen „Bund Freier Jugend“ (BFJ), der Jugendorganisation der NS-apologetischen „Aktionsgemeinschaft für demokratische Politik“ (AFP) den „Carl-von-Hochenegg-Preis“. Dieser Förderpreis wird „für herausragende Taten im Sinne des national-freiheitlichen Gedankens“ vergeben. Preisträger war unter anderem die damalige Schülerzeitung „Blaue Narzisse“. In der Begründung der Preisverleihung an den BFJ heißt es: „Durch seine von der Bevölkerung stark wahrgenommenen Kundgebungen und Veranstaltungen beanspruchte der BFJ in mutiger Weise ein Feld, das sonst quasi ausschließlich der Linken vorbehalten ist; der BFJ sieht sich für seine volkstreuen Aktivitäten stärkster staatlicher Repression ausgesetzt.“
Zum Zeitpunkt der Preisvergabe waren mehrere BFJ-Aktivisten wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung vorbestraft, andere standen wegen des Verdachts vor Gericht, die „Wiedererrichtung der Hitler-Jugend“ angestrebt zu haben. In einem Gutachten über die AFP und den BFJ kam der Verfassungsrechtler Heinz Mayer 2005 zu dem Befund, mit der „Verherrlichung nationalsozialistischer Ideen“, der „zynischen Leugnung von nationalsozialistischen Gewaltmaßnahmen“ und einer „hetzerischen Sprache, die sich in aggressivem Ton gegen Ausländer, Juden und Volksfremde“ richte, sowie mit einer Darstellung der Deutschen als „Opfer“ werde in den Publikationen des BFJ „massiv“ gegen das Verbotsgesetz verstoßen.
Autor für Szene-Zeitschrift
Die politische Karriere von Rosenkranz begann 1988 als Mitglied des Gemeinderates Krems an der Donau. Das Amt übte er bis 2017 aus. Im Jahr 2008 wurde der Politiker als Landesspitzenkandidat der FPÖ Niederösterreich in den Nationalrat gewählt, dem er bis 2019 angehörte, teilweise als FPÖ-Fraktionschef. Zudem war er von 2013 bis 2019 Landesparteiobmann der FPÖ Niederösterreich.
Rosenkranz war Gelegenheitsautor der rechtsextremen Monatszeitschrift „Aula“. Das Blatt, in dem regelmäßig auch bundesdeutsche Rechtsextremisten mit Beiträgen vertreten waren, prägte die rechtsextreme Szene und verbreitete antisemitische und rassistische Inhalte. Im Juni 2015 hielt Rosenkranz die „Feuerrede“ bei der traditionellen „Sonnwendfeier“ der rechtsextremen Österreichischen Landsmannschaft (ÖLM) gemeinsam mit dem Wiener Korporationsring (WKR).
Keine Regenbogenfahne
Im Juli 2022 wurde Rosenkranz von der FPÖ als Kandidat für die österreichische Bundespräsidentenwahl 2022 nominiert. Damals gab er kund, unter seiner Präsidentschaft werde auf der Hofburg keine Regenbogenfahne mehr wehen. Rosenkranz erreichte 17,7 Prozent der Stimmen und damit den zweiten Rang hinter dem wiedergewählten Amtsinhaber Alexander Van der Bellen. Im Rahmen seiner Bundespräsidentschaftskandidatur wurde Rosenkranz vom „Die Heimat“-Sprachrohr „Deutsche Stimme“ als „der bessere Präsident“ gelobt.
In einem Interview mit der extrem rechten Wochenpostille „Zur Zeit“ führte der Politiker damals aus, Aufgabe des Bundespräsidenten sei es, sich in Brüssel „für eine Ende der Sanktionspolitik“ gegenüber Russland einzusetzen. Die Sanktionen seien „nichts anderes als ein Wirtschaftskrieg“. Als inhaltliche Kernpunkte seiner Agenda für die Bundespräsidentschaftswahl führte Rosenkranz in der extrem rechten Monatszeitschrift „Zuerst!“ aus: „Holen wir unser Österreich zurück!“
Verbindungen zur AfD
Im Juni 2023 war Rosenkranz Ehrengast bei einer „Festkneipe“ deutschnationaler Burschenschafter im bayerischen Landtag, wo er „bewegende Worte“ („Burschenschaftliche Blätter“) an die Anwesenden hielt. Der FPÖ-Politiker bezeichnete Burschenschaften als „Vorreiter der Bestrebung nach Patriotismus und Demokratie“. Zu dem burschenschaftlichen Treffen hatten die bayerischen AfD-Landtagsabgeordneten Ferdinand Mang und Christoph Maier, die beide dem Lager des formal aufgelösten völkischen „Flügels“ zugerechnet werden, eingeladen.
Unter den rund 50 Gästen waren auch Mitglieder der Identitären Bewegung und der Aktivitas der Burschenschaft Danubia München, die ebenso dem rechtsextremen Spektrum zugerechnet wird. Bei der Veranstaltung zeigten Teilnehmer eine als „White Power“-Gruß bekannte Geste. In rechtsextremen Kreisen symbolisiert dieser Gruß die vermeintliche Überlegenheit der weißen „Rasse“.