Schwarzach: Mit Traktoren gegen den Nazi-Frankentag

Montag, 10. September 2012
Redaktion
Schwarzach: Protest gegen Nazis
Schwarzach: Protest gegen Nazis

Mit einem bunten Fest protestierten die Bürger/innen Schwarzachs zusammen mit den Anwohner/innen der umliegenden Gemeinden und Städte am Samstag, den 8. September, gegen den „Nationalen Frankentag“ des „Freien Netzes Süd“. Während ein ganzer Ort für Demokratie, Toleranz und Vielfalt auf die Straße ging, feierten etwa 150 Neonazis nicht weit entfernt auf einer von ihnen gemieteten Wiese ihren Hass.
Und in Rottenbach im Landkreis Coburg veranstaltete zur gleichen Zeit die NPD ein Sommerfest und gründete in diesem Rahmen den „Stützpunkt Oberfranken der Jungen Nationaldemokraten“ – mit „Vereidigung“ der neuen Mitglieder.

Zum dritten Mal in eineinhalb Jahren treffen sich Nazis in Schwarzach zu einer Veranstaltung - die Bürger/innen wehren sich. Bereits um kurz vor 12 Uhr war in Schwarzach in Oberfranken die Aktionsbereitschaft der Bürger/innen deutlich zu spüren. „Wir haben die Nazis satt – und wollen etwas gegen sie unternehmen“, war die einhellige Meinung, die vom ganzen Dorf vertreten wurde. Noch ehe das Fest begonnen hatte, standen viele Anwohner/innen Schwarzachs im Zentrum des Ortes beisammen, diskutierten, besprachen letzte Details und bereiten sich auf das Anti-Nazi-Festival vor, das mit einem breitgefächerten Programm zu beeindrucken vermochte. Dabei kamen sie auch zu dem Entschluss, die Nazis an dem Feldweg, den sie passieren mussten, gebührend zu empfangen. Auf einem angrenzenden Grundstück, dass von einem couragierten Bürger für die Aktion zur Verfügung gestellt wurde, sollte ein Banner des Bündnisses „KUnterBunT“ mit der Aufschrift „Nazis entgegentreten!“ entrollt werden.

Mit mehreren Fahrzeugen machten sie sich auf den Weg, während die meisten Schwarzacher/innen im Ortszentrum blieben. Eine Trennung zwischen dem bunten Fest und der Protestaktion auf der Wegstrecke der Nazis sollte damit gewährleistet werden. Es dauerte nicht lange, bis die anwesende Polizei auf die Protestaktion aufmerksam wurden. Zunächst schien sich kein Problem zu ergeben, lediglich ein/e Versammlungsleiter/in sollte bestimmt werden. Obwohl diese schnell gefunden war, bahnte sich doch Ärger an. Der Einsatzleiter der Polizei war der Meinung, dass es sich bei der Protestaktion nicht mehr nur um eine Ordnungswidrigkeit handle, sondern womöglich schon eine Straftat in Betracht kommen könnte. Erst auf Wunsch der Versammlungsleiterin durften Zeugen dem Gespräch mit der Polizei beiwohnen. Nach längerer Diskussion kehrte ein Großteil der Gruppe in den Ort zurück. Ein Teil blieb vor Ort und hängte das Banner zwischen zwei Traktoren auf, so dass die Nazis immer noch daran vorbei mussten.

Zwischenzeitlich hatten die anderen Polizisten etwas weiter entfernt die ankommenden Neonazis in einer eingerichteten Kontrollstelle angehalten. Akribisch wurde einer nach dem anderen aus dem PKW gebeten und gründlich kontrolliert. Bei einer späteren Pressekonferenz gab der Polizeisprecher an, dass bei einem Nazi ein Messer entdeckt worden sei, das er aufgrund der Länge der Klinge nicht hätte besitzen dürfen. Konsequenzen hatte das für den betroffenen Nazi aber nicht: Nach Abnahme des Messers durfte er ohne Weiteres an der Nazi-Veranstaltung teilnehmen.

Unterdessen hatte das bunte Fest unlängst begonnen hatte. Neben Ständen vom DGB über die SPD bis hin zu Amnesty International sorgten im Ort Spielangebote für Kinder und ein sogenannter „Human soccer“ für die Unterhaltung. Vor einer örtlichen Metzgerei waren Bänke und eine Bühne aufgebaut worden, auf der später Sänger/innen auftraten und ein interkonfessioneller Gottesdienst abgehalten wurde. Doch nicht nur die Informationsstände sorgten für einen politischen Charakter des Festes, sondern auch die vielen Banner, die überall im Ort angebracht wurden. „Schwarzach ist bunt!“, hieß es da oder „Nur wenn wir wegsehen, haben sie eine Chance – Deshalb demonstrieren wir gegen rechts!“, aber auch „Die Welt ist bunt – Gott sei Dank“ und „Schwarzach Nazi-Frei – Wir stellen uns quer! – Alle Leute informieren – dann Nazis
blockieren!“ war darauf zu lesen.

Nicht nur Bürger/innen aus Schwarzach waren gekommen, sondern auch viele Leute aus den umliegenden Gemeinden und Städten, die zeigen wollten, dass Neonazis hier unerwünscht sind. Dabei stießen fast ausnahmslos alle Infostände auf großes Interesse – lediglich die „Bayerische Informationsstelle gegen Extremismus“ (BIGE) stand zumeist einsam und verlassen in der Gegend herum. Denn während sich ganz Schwarzach eindeutig gegen Neonazis positionierte, zog es die BIGE vor, einen Infostand mit der Aufschrift „Bayern gegen Extremismus“ aufzubauen, wodurch wieder einmal – getreu der Politik der Bayerischen Staatsregierung – Links- und Rechtsextremismus gleichgesetzt wurden. Wozu diese Gleichsetzung, die nicht mehr als eine gefährliche Verharmlosung des Rechtsextremismus darstellt, über Jahre geführt hat, müsste mittlerweile hinlänglich bekannt sein. Zumindest die Schwarzacher/innen wussten das aber offenbar – und reagierten auf den Infostand mit Missachtung.

Bei den Nazis war es dagegen noch weitestgehend ruhig. Ein Teil der Nazis hatte sich in dem abgezäunten und mit Sichtschutz abgedeckten Gelände verschanzt, andere Nazis kamen hingegen gerade erst mit den PKWs an. Im Rahmen der Anreise kam es dann spontan zu einer ungewöhnlichen, aber kreativen Protestaktion. Die beiden Traktoren, die bis vor kurzem noch mit dem Banner am Zufahrtsweg der Nazis standen, hatten sich nämlich auf den Weg gemacht – und dabei einen anreisenden Nazi-PKW abgebremst und gezwungen, einen über 2 Kilometer langen Weg im Schritttempo entlang zu fahren. Vorneweg fuhren die beiden Traktoren, direkt dahinter der Nazi-Wagen, der wiederum von einigen Polizeiwagen eskortiert wurde. An einer Abzweigung hofften die sichtlich frustrierten Nazis dann schließlich auf Erlösung, doch weit gefehlt: Der Traktor bog auch in diesen Weg ein, was die Nazis zwischenzeitlich veranlasste, eine andere Strecke zu nehmen, in der Hoffnung, dem Traktor entgehen zu können. Aber auch daraus wurde nichts, denn der von den Nazis gewählte Weg erwies sich als falsch, weswegen sie zum umkehren gezwungen waren. Die Bürger/innen auf dem Traktor, die darüber informiert wurden, hatten in der Zwischenzeit die Polizeifahrzeuge vorbeigelassen und am Straßenrand Stellung bezogen. Kurz bevor die Nazis am Traktor vorbei wollten, bog dieser wieder auf die Straße ein – und bremste die Nazis somit abermals aus.

Für die vor Ort anwesenden Journalist/innen, darunter auch mehrere Kamerateams des Bayerischen Rundfunks, war die Dokumentation des neonazistischen „Nationalen Frankentags“ wie auch schon in den Vorjahren schwierig. Nur in Begleitung des Polizeipressesprechers war es überhaupt möglich, einigermaßen gefahrlos an das Gelände heranzukommen. Dabei wäre eine lückenlose Dokumentation wichtig, kam es doch erst beim letzten „Frankentag“ zu einer strafbaren Rede, für die Martin Wiese später vor Gericht verurteilt wurde. Dokumentiert wurde die strafbare Rede von Martin Wiese im letzten Jahr nicht von der Polizei, sondern von einem Journalisten. Ohnehin ist fraglich, inwieweit die Beamt/innen die Nazi-Veranstaltungen dokumentiert haben, hielten sie sich doch ziemlich weit vom Gelände entfernt auf.

Als die Journalist/innen an das Gelände herantraten, herrschte große Aufregung: sofort schafften die Nazis ein Banner herbei, um ihren Eingang zu verdecken, andere reihten sich auf und versuchten mit ihren Körpern die Sicht zu versperren – und die bekannten Anti-Antifa-Fotografen wollten durch Fotografieren einzuschüchtern. Einem Team des Bayerischen Rundfunks wurde der Zugang verwehrt, obwohl es eigentlich eine „öffentliche Veranstaltung unter freiem Himmel“ war. Von der Polizei darauf aufmerksam gemacht, soll der Veranstaltungsleiter nur geantwortet haben, dass ihm dies „egal“ sei. Rings um das Gelände waren bekannte Banner des „Freien Netzes Süd“, beziehungsweise den untergeordneten Kameradschaften befestigt, Gaufeldabzeichen der Hitlerjugend und die Fahne des „Deutschen Reichs“ wehten außerdem im Wind.

Zur Verfügung gestellt wurde die Wiese
dem neonazistischen „Bund Frankenland“ unter Vorsitz von Uwe Meenen von einem ortsansässigen Bürger, der bereits der NPD seinen Grund zweimal vermietet hatte. Obwohl dies im Dorf viel Unmut erregt, ist mit dem Besitzer nicht zu reden. Eher im Gegenteil. Als er zum Gelände der Nazis fuhr und von einem Team des Bayerischen Rundfunks bei einer Polizeikontrolle gefilmt wurde, vermittelte er einen Eindruck von seiner Einstellung. So brüllte er lauthals, dass eigentlich die Medien an allem Schuld seien, die dies „nur aufbauschen“ würden. Ohnehin wolle er überhaupt nicht gefilmt werden, was er mehrfach lautstark zum Ausdruck brachte. Der passende Kommentar eines Polizeibeamten lautete hierzu: „Hätten sie ihre Wiese nicht zur Verfügung gestellt, hätten sie dieses Problem jetzt nicht!“

Bei den Neonazis des „Freien Netzes Süd“ zeichnete sich aber in diesem Jahr ein deutlicher Schwund an Teilnehmer/innen ab. Waren es in den Jahren zuvor zwischen 400 – 500 Besucher/innen, fanden dieses Jahr nur noch 150 Nazis ihren Weg zum „Nationalen Frankentag“. Angemeldet waren laut Polizeiangaben 200 Personen. Dafür kamen die Nazis sowohl aus dem In- als auch aus dem Ausland. Neben Rechtsextremist/innen aus Bayern, Sachsen und vielen anderen Bundesländern waren auch welche aus der Schweiz und aus Tschechien angereist. Darüber hinaus präsentierte das „Freie Netz Süd“ neben zwei rechten Bands aus Deutschland eine Band aus Ungarn. Als Redner angekündigt waren unter anderem einschlägig bekannte Rechtsextremisten wie Dieter Riefling, Sebastian Schmaus (Stadtrat der rassistischen „Bürgerinitiative Ausländerstopp Nürnberg“, die eine Tarnorganisation der NPD ist) und der führende FNS-Kader Matthias Fischer sowie ein „freier Nationalist aus Dortmund“.

Während es bei den Nazis vorerst ruhig war (die ersten Bands sollten laut Polizei um 18 Uhr spielen), herrschte im Dorf bereits gute Stimmung. Sänger/innen traten auf, spielten Lieder – u. a. auch Titel von Hannes Wader - und betonten immer wieder, warum sie hier sind, Leute saßen gesellig beisammen und die Kinder beschäftigten sich mit dem bunten Programm, das für jede Menge Unterhaltung sorgte. Insgesamt waren über 600 Personen gekommen, um ein Zeichen zu setzen. Anschließend fand ein interkonfessioneller Gottesdienst mit Vertretern der katholischen und evangelischen Kirche und eines islamischen Geistlichen statt. Darauf folgte schließlich noch eine Kundgebung, ehe sich weiter dem Festprogramm gewidmet wurde. Die Botschaft, die an diesem Tag ausgesendet wurde, war eindeutig: „Nazis haben hier nichts verloren – und wir setzen uns zur Wehr, wenn sie kommen!“

NPD-Sommerfest und „JN-Stützpunkt“-Gründung in Rottenbach/Landkreis Coburg

Zur gleichen Zeit hatte der NPD-Kreisverband Coburg zum alljährlichen Sommerfest eingeladen. Es fand auf einem waldnahen Schotterplatz etwa 750 Meter außerhalb des Orts Rottenbach, Gemeinde Lautertal, Landkreis Coburg statt. Auf dem Programm standen der Liedermacher „Torstein“ (Thorsten Hering, Sangershausen) und die Gruppe „Klampferitis“ (Thüringen).

Obwohl das Fest laut dem offiziellen Flyer gegen 13.00 Uhr beginnen sollte, fanden sich nur sehr wenige Anhänger der NPD um die Uhrzeit ein. Eröffnet wurde das Fest dann erst gegen 16.00 Uhr vom NPD-Kreisvorsitzenden Dietmar Döring. Zwischenzeitlich waren etwa 30 Anhänger eingetroffen, darunter mehrere Mitglieder der neonazistischen Kameradschaft „Fränkischer Heimatschutz“ (Coburg), die die NPD dem zeitgleichen Frankentag vorzogen. Die Teilnehmer stammten aus sämtlichen Altersgruppen, einige Familien hatten ihre Kleinkinder dabei. Aus Nürnberg trafen der NPD-Landesvorsitzende Ralf Ollert, JN-Stützpunktleiter Sven Diem (Eckersmühlen) zusammen mit mehreren vornehmlich jüngeren Aktivist/inn/en ein. Vor ihrer Anreise hatten sie in Nürnberg noch einen Infostand durchgeführt

Mehrere weitere Teilnehmer verfehlten das Gelände, das sich laut Polizei und NPD in privater Hand befindet, bei der ersten Anfahrt. Während der Stellv. NPD-Landesvorsitzende Sascha Roßmüller sein
Fahrzeug vorschriftsmäßig in der nächsten Einfahrt wendete, setzt NPD-Kreisgeschäftsführer Winfried Breu wild fluchend mitten auf der Straße trotz nachfolgenden Polizeifahrzeugen zurück.

Bis 19.00 Uhr sollte die Anzahl der Teilnehmer noch auf etwa 40 bis 50 anwachsen. Darunter befand sich auch der Vorsitzende der NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN), Michael Schäfer. Er war wohl eigens für die Gründung einer JN-Oberfranken nach Bayern gekommen. Die Gründung des „Stützpunktes“ erfolgte nach Einbruch der Dunkelheit – lt. einem Bericht auf der Facebookseite des NPD-Kreisverbandes im Schein von Fackeln und mit einer „Vereidigung“ der neuen Mitglieder.

Die erste längere Rede hielt der NPD-Landesvorsitzende Ralf Ollert. Er sprach von den vielen Anfeindungen, die die NPD aufgrund ihrer Ideologie ausgesetzt ist und stilisiert mit Blick auf die nahe ehemalige Grenze zur DDR die NPD zur einzigen Partei, die vor 1989/1990 ernsthaft an die Wiedervereinigung von BRD und DDR geglaubt hätte. Als Ziel gab er aus, die BRD ebenso bald wie möglich zu beenden wie es der DDR ergangen ist und auch das Grundgesetz, für ihn keine Verfassung, abzulösen. Das bevorstehende Urteil des Bundesverfassungsgericht zum ESM bildete den Aufhänger für die etwa 30minütige, gegen die „Südländer“ gerichtete Anti-Europa-Rede Sascha Roßmüllers. Auch er spielte gegen Ende seiner Rede wie schon Ollert das unschuldige Opfer, er dürfe seine Vorschläge zur Lösung der gegenwärtigen Krise nicht laut sagen, weil in diesem Land keine Meinungsfreiheit herrsche. Er empfahl statt dessen die Berufung auf das im Grundgesetz verankerte Widerstandsrecht zum Schutz einer Verfassung, die sein Landesvorsitzender in seiner Rede eine Stunde vorher noch abschaffen wollte. Während Roßmüller versuchte, bei aller Radikalität "seriös" zu wirken, vermittelten die Zuschauer/innen ein ganz anderes Bild. Da waren T-Shirts mit der Aufschrift "I love NS" oder mit "Braunau" und dem Geburtsjahr Hitlers zu sehen.

Während Roßmüllers Rede gab es unter den Gästen die ersten Aufbruchstendenzen, möglicherweise in Richtung Schwarzach zum „Freien Netz Süd“. Im Anschluss begannen „Klampferitis“ mit ihrem Auftritt und trotz mehrmaligen Aufforderungen blieb das erwünschte Mitsingen durch die Nazis aus.

Gegen die NPD-Veranstaltung organisierte die Gemeinde Lautertal ein Friedensgebet in der St. Matthäuskirche in Rottenbach, an dem laut örtlichen Medien etwa 120 Personen teilnahmen. Zudem stellte man Transparente an allen Zufahrtstraßen zur Gemeinde auf. Darauf bekannte man sich zu einem bunten, weltoffenen und toleranten Coburger Land, in dem kein Platz für Fremdenfeindlichkeit und Extremismus sei. Genauer wollte man die lokalen Probleme wohl nicht beschreiben.

Direkte Gegenproteste vor Ort bleiben leider größtenteils aus. Lediglich eine Gruppe von etwa 10 Jugendlichen näherte sich aus Rottenbach dem Gelände und beobachtete das Sommerfest mehrere Minuten vom Straßenrand aus.

Autoren und Fotos: Johannes Hartl, Rüdiger Löster, Thomas Witzgall

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