Eisenach
Schleppender Prozessverlauf
Der „Knockout 51“-Prozess gegen vier Neonazis vor dem Oberlandesgericht Jena zieht sich in die Länge. Neben der Beweisaufnahme gab es jedoch einige Überraschungen.
Seit August 2023 läuft vor dem Oberlandesgericht in Jena der Prozess gegen vier mutmaßliche Mitglieder der Gruppierung „Knockout 51“ aus Eisenach wegen der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. Maximilian A., Bastian Ad., Eric K. und Leon R. sollen unter anderem geplant haben, ihre politischen Gegner mit Messern, Äxten und Macheten zu töten. Außerdem sollen sie gegen das Waffengesetz verstoßen und sich des Landfriedensbruchs und verschiedener Körperverletzungsdelikte strafbar gemacht haben.
Die anfängliche Hoffnung des Gerichts, bereits im Dezember 2023 die Zeugenbefragungen abschließen zu können, hat sich mittlerweile zerschlagen. Erst Mitte April wurden elf weitere Termine bis Ende Juli für den Prozess anberaumt. Bevor Mitte Juni die Beweisaufnahme geschlossen werden soll, setzt das Gericht die langwierige Verhandlung und Zeugenvernehmungen fort.
Hausdurchsuchung bei Staatsschutzpolizisten
Als Zeuge sollte Anfang Mai auch der Kriminalhauptkommissar Jochen M. aussagen. Doch die Vernehmung des Staatsschutzbeamten aus Eisenach musste entfallen. Der Grund: Bei M. kam es zu einer Hausdurchsuchung, die Staatsanwaltschaft Gera ermittelt gegen ihn wegen der mutmaßlichen Verletzung von Dienstgeheimnissen. Der heute 60-jährige Beamte soll interne Informationen an die Neonazis weitergegeben haben. Inzwischen hat das Thüringer Innenministerium ein Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet. Die Staatsanwaltschaft geht auch der Frage nach, ob fünf weitere Polizisten Informationen weitergegeben haben. Sie sollen ohne dienstliche Gründe interne Polizei-Daten abgefragt haben.
Schon in der Anklage waren Hinweise zu finden, dass „Knockout 51“ glaubte, die Polizei auf ihrer Seite zu haben. Einen Beamten bezeichneten sie als „Kumpel auf der Polizei", ein Beamter der Polizeiinspektion (PI) Eisenach sei „einer von ihnen” und „teile ihre Meinung“. In Chatgruppen feierte Leon R. „PI Eisenach, Knockout51, eine Front“, „blaue Uniform“ und „braune Uniform“ stünden gemeinsam für Deutschland. Sollten die Vorwürfe zutreffen, würde dies erklären, warum die thüringische Polizei nicht in die Ermittlungen des Bundeskriminalamtes gegen „Knockout 51“ eingebunden war. Im Thüringer Untersuchungsausschuss "Politische Gewalt“ ist gar die Rede von einem „faktischen Ausschluss der Thüringer Polizei aus diesem Verfahren“.
Aufhebung von Haftbefehlen
Seit ihrer Festnahme im April 2022 saßen alle vier Angeklagten in Untersuchungshaft, bis das OLG Anfang April die Haftbefehle gegen Maximilian A., Bastian A. und Eric K. aufhob. Zur Begründung hieß es, „angesichts der gesetzlichen Strafandrohung, die für den derzeit vorliegenden Tatverdacht bestehe, sei die weitere Vollstreckung der Untersuchungshaft zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr verhältnismäßig“. Den Vorwurf der Generalbundesanwalt, die vier Neonazis seien Mitglieder einer terroristischen Vereinigung, teilt der Senat weiterhin nicht. Leon R. hingegen befindet sich weiter in Untersuchungshaft, da er „im Falle einer Verurteilung mit einer höheren Strafe rechnen müsse“.
Die Landtagsabgeordnete der Linken, Kati Engel, deren Büro in Eisenach mehrfach das Ziel rechter Angriffe war, bezeichnete die Freilassung der drei Angeklagten als „äußerst besorgniserregend“. Engel weiter: „Die Bedrohung durch rechtsextreme Gewalt und Hassideologien wird wieder einmal durch die Thüringer Justiz mindestens verharmlost und hat das Potenzial, weitere Gewalttaten in Kauf zu nehmen“. Nur vier Wochen nach seiner Freilassung traf sich Eric K. in Dortmund mit örtlichen Neonazis, nach Angaben von Beobachtern bedrohten sie gemeinsam in der Innenstadt Personen, die sie der linken Szene zuordneten. Schon vor ihrer Festnahme hatten die vier Angeklagten enge Kontakte zu Neonazis in Nordrhein-Westfalen wie der Rocker-Gruppierung „Ghost Gang MC“.
Das „Kameradenschwein“ Patrick Wieschke
Ebenfalls nicht mehr in Untersuchungshaft befindet sich der Landesvorsitzende von „Die Heimat“ (vormals NPD), Patrick Wieschke. Im Auftrag des Generalbundesanwaltes war er im Dezember 2023 verhaftet worden, weil er „Knockout 51“ unterstützt haben soll. Seine Aussagen bei der Generalbundesanwaltschaft sorgten dafür, dass er in der Neonazi-Szene in Ungnade fiel. Zum „Tag der politischen Gefangenen“ am 18. März sollte in einer Kampagne von Neonazis ursprünglich auch Wieschke unterstützt werden. Nachdem bekannt, wurde, dass er „eine umfängliche Aussage“ gemacht hatte, wurde die Unterstützungskampagne für Wieschke eingestellt. Material mit seinem Konterfei wurde zurückgezogen, in den sozialen Medien wurde Wieschke als „Kameradenschwein“ bezeichnet.
In seiner etwa vierstündigen Zeugenaussage vor Gericht bediente Wieschke die Verteidiger-Strategie und bezeichnete „Knockout 51“ als unpolitische Sportgruppe. Die Übernahme von Schutzaufgaben durch die Gruppierung in der Landeszentrale von „Die Heimat“ in Eisenach bestritt er. Mittlerweile ist der Haftbefehl gegen Wieschke aufgehoben worden, geschadet hat es ihm in der Wartburgstadt nicht. Bei der Kommunalwahl erhielt er 3.461 Stimmen und sitzt damit als einer von drei Funktionären von „Die Heimat“ erneut im Stadtrat in Eisenach.