Schlag gegen militante Neonazis
Am gestrigen Dienstag haben mehrere rechtsextreme Gruppen aus dem außerparlamentarisch-aktivistischen Spektrum in Frankreich ihre Selbstauflösung bekanntgegeben beziehungsweise angekündigt.
Am Dienstagnachmittag gaben die Kleinpartei „Troisième Voie“ („Dritter Weg“, gemeint ist: zwischen Kapitalismus und Marxismus) von Serge Ayoub und ihr schlagender Arm „Jeunesses nationalistes révolutionnaires“ (JNR; „Revolutionäre nationalistische Jugend“) ihre „Selbstauflösung“ bekannt. Serge Ayoub erklärte dazu gegenüber der Presse, er komme dadurch einer staatlichen Auflösungsverfügung zuvor. Ayoub hatte knapp zwei Wochen zuvor eine Anordnung des Innenministeriums erhalten, das ihn über die Einleitung eines Verbotsverfahrens gegen seine Gruppierung informierte und ihm eine 14-tägige Frist einräumte, um Argumente gegen eine Verbotsverfügung vorzutragen.
Am Tag zuvor war ferner bekannt geworden, dass im südwestfranzösischen Agen sieben Jungnazis aus dem Milieu von „Troisième Voie“ festgenommen wurden. Die sieben Jungmänner im Alter zwischen 22 und 35 Jahren, einige von ihnen Naziskins, sind zum Teil „polizeibekannt“. Ihnen wird vorgeworfen, in der Nacht vom Samstag zum Sonntag in Agen einen 25- und einen 33-Jährigen attackiert zu haben. Der jüngere von beiden wurde wegen seiner nordafrikanischen Herkunft rassistisch beschimpft. Die beiden Männer befanden sich auf dem Nachhauseweg von dem seit Jahren in Agen stattfindenden linksalternativen Rockfestival La Prairie. Beide Opfer trugen Gesichtsverletzungen davon. Voraussichtlich wird der Prozess gegen die Täter bereits am Dienstag nächster Woche stattfinden.
Offenkundig zog Ayoub es vor, eine geordnete Liquidierung seiner Gruppierungen einzuleiten; sicherlich nicht, ohne zuvor die Konten geleert und eventuelle materielle Werte auf die Seite gebracht zu haben. In der konservativen Tageszeitung „Le Figaro“ wurde ferner gemutmaßt, die vorbeugende „Selbstauflösung“ der beiden Gruppierungen diene auch dazu, das rechtsextreme Zentrum Le Local, das 2007 durch Ayoub (damals noch zusammen mit dem antisemitischen Schriftsteller Alain Soral) im 15. Pariser Bezirk eröffnet wurde, zu retten.
Photos mit Hitlergruß auf Facebook
Die Kleinpartei „Troisième Voie“ umfasste mutmaßlich rund 500 Mitglieder, die JNR rund dreißig. Der Urheber der tödlichen Schläge gegen den 18-jährigen Antifaschisten Clément Méric Anfang Juni, der 20jährige Naziskin Esteban M. (bnr.de berichtete), hatte gegenüber den Ermittlungsbehörden angegeben, Ayoubs Kleinpartei „sechs Monate lang“ (angeblich nur in der Vergangenheit) angehört zu haben.
Unterdessen wurde am Abend des 25. Juni bekannt, auch die militante Neonazi-Gruppierung „Jeunesses nationalistes“ (JN, „Nationalistische Jugend“) habe eine Anordnung aus dem französischen Innenministerium erhalten, durch die sie über die Einleitung eines Verbotsverfahrens informiert und zur Stellungnahme aufgefordert werde. Die JN weisen maximal 100 Mitglieder auf und waren im Oktober 2011 gegründet worden. Alexandre Gabriac, der 2010 für den Front National als damals jüngster Regionalparlamentarier Frankreichs (mit 20 Jahren) in Lyon – später Hochburg der JN – gewählt wurde, wurde ein Jahr später aus dem FN ausgeschlossen. Zuvor waren Fotos von ihm bekannt worden, die bei Facebook publiziert worden waren und auf denen er den Hitlergruß zeigt. Besonders während der Demonstrationen gegen die Homosexuellenehe im Frühjahr 2013 hatten die JN versucht, sich als militante Speerspitze aufzuführen.
Die JN dienten auch als Jugendorganisation für die extrem antisemitische Splitterpartei „Oeuvre française“, die Ende 1968 gegründet und seit Anfang 2012 von Yvan Benedetti angeführt wird. Beneditti wurde 2011 wegen antisemitischer Äußerungen aus dem FN ausgeschlossen. Derzeit bereiten sie sich offenkundig auf ihre bevorstehende Auflösung vor. Alexandre Gabriac erklärte am gestrigen Dienstag: „Das System hat uns einen Schlag versetzt, aber wir werden uns wieder aufrichten.“