Schillerndes Rockertrio auf der Anklagebank
Wegen einer brutalen Gewalttat müssen sich drei Rechtsextremisten vor dem Landgericht Kiel verantworten – der Prozess ist einstweilen geplatzt und wird neu terminiert.
Nach nur zwei Verhandlungstagen ist der Prozess gegen drei Rocker aus der rechten Szene vor dem Landgericht Kiel geplatzt. Weil neu eingeführte Akten, darunter auch vor wenigen Monaten erfolgte neuerliche Zeugenvernehmungen, erst unmittelbar vor dem Beginn der Verhandlung der Verteidigung zugänglich gemacht wurden, blieb es bei der Anklageverlesung, ehe die 1. Große Strafkammer sich für einen Neustart des Prozesses entschied, für den es noch keinen Termin gibt.
Auf der Anklagebank fanden sich Anfang der Woche der frühere schleswig-holsteinische NPD-Landesvorsitzende Peter Borchert (41), der immer wieder im Umfeld des inzwischen geschlossenen Neonazi-Treffpunktes „Club 88“ in Neumünster aufgefallene Alexander Hardt (34) sowie Nils H. (32) wieder. Das Trio, das zum Tatzeitpunkt den im Mai 2009 in der Stadt gegründeten „Bandidos“ beziehungsweise dem Unterstützerclub „Contras“ der Rockergruppierung angehörte, soll laut Anklageschrift im Dezember 2009 in der Neumünsteraner Kneipe „Titanic“ – einem Anlaufpunkt unter anderem für NPDler und andere Neonazis – für einen brutalen Überfall auf einen Dartspieler aus Kiel verantwortlich sein. Dieser arbeitete in einem Etablissement, das den mit den „Bandidos“ verfeindeten „Hells Angels“ zugerechnet wird, und trug am Tatabend sichtbar einen Gürtel mit der Aufschrift „support 81“, womit er seine Sympathie zur Rockergruppe der „Hells Angels“ aufzeigte.
Blitzartiger Rollkommando-Angriff
Der Anklage zufolge sollen Hardt und H. auf den Kieler eingeprügelt haben, während Borchert quasi nur „absichernd“ in der Nähe stand. Mit seinem eigenen Gürtel soll das Opfers dann von H. noch im Gesicht traktiert worden sein, sodass es eine schwere Augenverletzung davontrug und bis heute über Sehstörungen klagt. An dem blitzartigen Rollkommando-Angriff sollen noch weitere „Bandido“-Angehörige beteiligt gewesen sein, die aber bisher nicht identifiziert werden konnten. Die beschriebene Tat wurde auch im Zusammenhang mit der vom Innenministerium erlassenen Verbotsschrift gegen die „Bandidos“ Neumünster im April 2010 als eine von mehreren Gewaltexzessen aufgeführt.
Borchert und Hardt sitzen derzeit hinter Gittern und wurden mit Handschellen in den besonders gesicherten Gerichtssaal geführt. Neben Angehörigen, Polizei, Journalisten und einigen Zuschauern aus dem Rotlicht-Milieu fanden sich nur wenige Besucher auf den Zuhörerplätzen. Während Borchert und Hardt im Verhandlungssaal munter miteinander plauderten, wechselten Borchert und H. kein Wort miteinander. Das war in der jüngeren Vergangenheit noch ganz anders, als beide im Stadtteil Ruthenberg gemeinsam als WG eine Mietwohnung bezogen hatten, die nach einer Polizeirazzia vor viereinhalb Jahren dann aber aufgelöst wurde. Während die gemeinsam in einer Kanzlei wirkenden Kieler Anwälte von Borchert und Hardt nun Erfolg mit ihrem Antrag auf Prozessaussetzung hatten, schloss sich H.s Rechtsbeistand dem Antrag nicht an, weil ihm zufolge sein Mandant das Verfahren endlich hinter sich bringen wolle. H. kandidierte 2008 in Kiel bei den Kommunalwahlen für die NPD.
Wirt der „Titatanic“ in den Zeugenstand
Borchert gilt in Sicherheitskreisen als ausgesprochen gefährlich und hat bisher rund ein Viertel seines Lebens im Zuge mehrerer Verurteilungen oder U-Haft-Zeiten im Gefängnis verbracht. Während die Ermittlungsbehörden Borchert im „Bandidos-Chapter“ Neumünster bis zu dessen Verbot zuletzt als Vizepräsidenten wähnten, wird seitens der Rocker behauptet, man habe ihn kurz vor Aussprache des Verbots wegen dessen Hang zu „Waffen- und Gewaltdelikten“ aus der Vereinigung ausgeschlossen. Dieser Mitteilung schenken die Behörden allerdings kein Glauben. Sie wird als reine Schutzbehauptung angesehen.
Wenn der Prozess neu aufrollt, wird unter anderem auch der Wirt der „Titanic“ in den Zeugenstand müssen. Horst M. war bei dem Vorfall in seiner Gaststätte und hat inzwischen mehrfach gegenüber Ermittlern zu den Vorkommnissen ausgesagt.