Schelte für Petry und Pretzell

Im Streit um die Fraktionsspaltung im Stuttgarter Landtag ist der Machtkampf in der AfD vollends entbrannt. Doch nicht nur in Baden-Württemberg droht der Zoff zwischen den beiden Bundessprechern Jörg Meuthen und Frauke Petry zur Zerreißprobe der rechtspopulistischen Partei zu werden. In NRW gerät Landeschef Marcus Pretzell immer mehr in die Kritik.

Donnerstag, 07. Juli 2016
Rainer Roeser

Pretzell ist nicht nur Petrys Lebensgefährte, sondern gilt auch als ihr wichtigster innerparteilicher Stichwortgeber. Beim Parteitag der nordrhein-westfälischen AfD am vorigen Wochenende, zu dem auch die Bundessprecherin angereist war, las Pretzells Ko-Sprecher Martin Renner dem Duo die Leviten. Nachdem er die „Grüße und besten Wünsche“ Meuthens überbracht hatte, dekretierte der auf dem rechten Flügel der Partei angesiedelte Renner dort mit einem „11. Gebot“, was AfD-Funktionäre seiner Meinung nach zu tun und vor allem zu lassen hätten.

Ohne dass er sie direkt beim Namen nannte, kamen Petry und Pretzell in Renners Philippika erkennbar schlecht weg. „Wir, von der AfD überziehen unsere Kollegen und Mit-Mitglieder nicht mit denselben Attacken und Vorwürfen, mit denen uns unsere politischen Gegner regelmäßig konfrontieren“, erklärte Renner – was man als deutliche Anspielung auf Versuche Petrys und Pretzells werten konnte, die Partei zumindest verbal nach rechts deutlicher abzugrenzen.

Radikale Töne verlangt

In seiner Eigenschaft als Europaabgeordneter dürfte Pretzell noch genauer hingehört haben, als Renner sagte: „Wir, von der AfD entsenden Abgeordnete in das EU-Parlament, damit sie dort nicht an den kleinen Schräubchen der Prozesse mitfummeln sollen, sondern – in hervorgehobener Position – dieses EU-Konstrukt als das markieren, was es ist. Ein die nationalen Identitäten zerstörendes Projekt.“

Auch die Ausflüge von Petry und Pretzell in die Welt des Glamours missfielen ihm. Zum Beispiel  der Besuch der beiden beim Bundespresseball im vorigen Herbst. Renner: „Schon gar nicht nehmen wir AfDler an Festivitäten teil, an dem sich dieser scheinheilige Machtpopanz dann sich und seinen abgehobenen ,Elitismus' feiert. Pressebälle besuchen wir nicht, sondern dekuvrieren diese als scheinelitäre Lustbarkeiten der Bediensteten der temporären politischen und wirtschaftlichen Macht. Wir wollen in diesen Zirkeln nicht verkehren und willkommen sein, sondern diese bis zu ihrer gesellschaftlichen Bedeutungslosigkeit marginalisieren.“

Nicht fehlen durfte auch ein Seitenhieb auf das Interview von Petry und Pretzell mit der „Bunten“: „Wir von der AfD nehmen nicht teil an wohlfeilen und unterhaltungs-orientierten Homestories der yellow-press, wo wir uns auf dem Boden sitzend den nimmersatten Kameras zum Fraß anbieten.“ Was den Umgang gleichberechtigter Sprecher untereinander anbelangt, hatte man in drei Jahren AfD-Geschichte bereits Erstaunliches lernen können. Aber dass ein Sprecher dem anderen Sprecher, ohne ihn beim Namen zu nennen, vor Parteitagspublikum derart ungeschminkt sagt, wie wenig er von ihm hält, war eine neue Erfahrung.

Rechte Doppelstrategie zieht nicht mehr

Pretzell praktiziert eine Art Doppelstrategie. Im heimischen NRW, wo er (bisher) die Mehrheit hinter sich weiß, bemüht er sich um ein betont seriöses Aufreten samt klarer Abgrenzung zu weiter rechts stehenden Organisationen wie etwa „pro NRW“. Das von ihm gelobte Programm für die Landtagswahl im kommenden Jahr ist zudem nach AfD-Maßstäben vergleichsweise „gemäßigt“ ausgefallen. Völkisch klingende Aussagen, wie sie das Wahlprogramm der Parteifreunde in Sachsen-Anhalt prägten, fehlen ebenso wie Verbalradikales, mit dem die AfD im Frühjahr in Baden-Württemberg für sich warb.

Zugleich hatte Pretzell mit seiner Aussage, die AfD sei auch die „Pegida-Partei“ und zuletzt vor allem mit seiner Kontaktanbahnung zur FPÖ und zum „Front National“ kräftig mit dafür gesorgt, dass die AfD mehr und mehr nach rechts rückte. Aber auch derlei „Verdienste“ um eine Radikalisierung schützen in der nach rechts gewendeten Partei nicht mehr vor Kritik.

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