Sammelbecken für Verlierer in der AfD

André Poggenburg versucht unter dem neuen Label „Die Nationalkonservativen“, AfD-Rechte zu sammeln. Seine Chancen sind nicht groß. Es gibt ja schon den „Flügel“.

Freitag, 14. Dezember 2018
Rainer Roeser

André Poggenburg ist tief gestürzt: Den Platz im Bundesvorstand verlor er. Den Fraktionsvorsitz im Magdeburger Landtag musste er abgeben. Den Landesvorsitz in Sachsen-Anhalt wurde er los. Zu allem Überfluss entzog ihm auch noch Björn Höcke seine Gunst, was Poggenburgs Karriere beim „Flügel“ ein Ende setzte. Benjamin Przybylla ist nicht ganz so tief gestürzt – was vor allem daran lag, dass er nie so hoch aufgestiegen ist. Verlierer ist aber auch er. Erst im Februar in den Landesvorstand gewählt, entzogen ihm seine Kollegen dort Anfang Oktober alle Funktionen und Aufgaben. Mittlerweile läuft ein Ausschlussverfahren. In der Liste der Vorstandsmitglieder wird er nicht mehr geführt. Egbert Ermer schließlich kann nur auf eine äußerst kurze Amtszeit als Vorsitzender der AfD Sächsische Schweiz-Osterzgebirge zurückblicken. Im April gewählt, gab er den Posten bereits im Oktober wieder ab. „Aus persönlichen Gründen“, hieß es offiziell – im Umfeld der AfD wird gemunkelt, dass der Abgang weniger freiwillig war.

Neuformierung Rechtsaußen

Die Riege der drei Verlierer hat ein paar Dinge gemeinsam: Alle drei gehören zum Rechtsaußen-Flügel der Partei. Alle drei neigen trotz ihrer Schlappen nicht dazu, das Handtuch zu werfen. Und alle drei versuchen ihr Glück derzeit jenseits der Parteistrukturen, aber auch jenseits des „Flügels“. Höckes Rechtsaußen-Gruppe hat zwar – erst recht nach der angekündigten Selbstauflösung der „Patriotischen Plattform“ – eine Art Monopolstellung, wenn es um die Bündelung des rechtsradikalen Teils der AfD-Mitglieder geht. Doch Poggenburg, Przybylla und Ermer versuchen offenbar, etwas Eigenes auf die Beine zu stellen. „Die Nationalkonservativen“ nennen sie es. 

Am Freitagabend stand das Trio gemeinsam auf der Bühne. Im 12.000-Einwohner-Städtchen Oelsnitz/Erzgebirge im Südwesten Sachsens wurde unter dem Motto „Klartext“ referiert und diskutiert. Unter anderem sollte es um die Frage „Alternative, Aufbruch oder Stagnation?“ gehen.  Man wolle „über aktuelle Vorgänge und Entwicklungen in der AfD berichten und diskutieren“, hieß es.

„Von politischer Tollwut befallen“

Wie André Poggenburg die Entwicklung seiner Partei sieht, machte er Ende voriger Woche deutlich.  „Unsere AfD scheint gerade von politischer Tollwut befallen zu sein, wie ein Tollhaus erscheint sie aktuell allemal“, schrieb er auf einer seiner Facebook-Seiten. Ein Ausschluss jage den nächsten, und es stelle sich die Frage, „ob die angedrohte VS-Beobachtung das Rückgrat der Partei schneller gebrochen hat als jahrelanger linker Hass und linke Gewalt“. Für „besonders bedenklich“ hält er Ordnungsmaßnahmen gegen das Berliner Abgeordnetenhausmitglied Jessica Bießmann, die ehemalige stellvertretende Landesvorsitzende in Rheinland-Pfalz, Christiane Christen, und Schleswig-Holsteins Landeschefin Doris von Sayn-Wittgenstein. „Alle drei starke und patriotische Frauen, auf welche die AfD unheimlich stolz sein müsste“, meint Poggenburg. Die „Nationalkonservativen in der AfD“ würden ganz klar zu ihnen stehen.

Zu fragen sei, schrieb er kurz zuvor, „was aus der AfD geworden ist und vor allem, was mit dieser Art & Weise noch aus ihr werden soll! Eine CDU-FDP 2.0? Braucht Deutschland das und wäre dies noch eine echte Alternative?“. Mit Przybylla hat er einen Bruder im Geiste gefunden. Der klagt, die AfD buhle um das „Wohlwollen bisheriger CDU-Günstlinge“ und scheine zu glauben, „den politischen Feind statt im Lager des politischen Gegners jetzt in den eigenen Reihen bekämpfen zu müssen“. Parteiausschlussverfahren wie aktuell gegen „unseren aufrechten Mitstreiter Stefan Räpple“ scheine man wohl am Fließband produzieren zu wollen.

Pegida-Chefs zu Gast

Den Startschuss für ihren „nationalkonservativ“ genannten „Klartext“ hatten Poggenburg & Co. Ende November bei einer Veranstaltung im südlich von Dresden gelegenen Dohma gegeben. Rund 200 Besucher kamen. Dabei habe sich „deutlich das Unverständnis der Parteibasis für jegliche Rede- und Denkverbote“ herauskristallisiert, die „sich in der letzten Zeit leider verstärkt in unseren Reihen breit zu machen drohen“, resümierte Przybylla. „Das ängstliche Taktieren infolge der Drohung einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz erregte die Gemüter am meisten.“ Gefordert sei „mehr als je zuvor eine entschlossene Opposition, die sich ihre Themen und Wortwahl nicht vom politischen Gegner diktieren lässt“. Das Zurückweichen durch „,empfohlene' Redeverbote oder das Nichtthematisieren unbeliebter Sachverhalte“ lehne die Basis deutlich ab.

Die in Chemnitz erscheinende Tageszeitung „Freie Presse“ sah nach der Veranstaltung einen erneuten Streit über die Ausrichtung der Partei auf die AfD zukommen. Unter anderem würden die „Nationalkonservativen“ die erst kürzlich in Sachsen beschlossene Abgrenzung zu Pegida wieder infrage stellen. Przybylla habe kritisiert, dass sich die Beziehungen zwischen Pegida und AfD in den vergangenen Monaten abgekühlt hätten. Er bedauerte demnach auch, dass seine Partei nichts mit „Pro Chemnitz“ zu tun haben wolle. Man dürfe „die Straße und Pro Chemnitz“ nicht als Gegner betrachten. Poggenburg habe gesagt, das Maß sei überschritten, wenn sich die sächsische AfD von Pegida distanziere, „einem ihrer wichtigsten Grundpfeiler“. Insbesondere zwei Besucher dürften die Bekenntnisse besonders gerne gehört haben: Pegida-Chef Lutz Bachmann und sein Adlatus Siegfried Däbritz waren ebenfalls nach Dohma gekommen.

Abmahnung vom Bundesvorstand

Die AfD hat gegen die „Nationalkonservativen“ mittlerweile schwerere Geschütze aufgefahren. Hatte sie zunächst nur betont, dass Veranstaltungen wie in Dohma keine offiziellen Parteiveranstaltungen seien, verschickte der Bundesvorstand mittlerweile eine Abmahnung und untersagte den „Nationalkonservativen“, AfD-Symbole zu verwenden. Der Landesvorstand geht insbesondere seinen Ex-Beisitzer Przybylla hart an. Er habe „Falschbehauptungen über angebliche Missstände in der Partei an die Öffentlichkeit und den politischen Gegner weitergeleitet“, heißt es in einem Brief des Vorstands, über den die „Freie Presse“ berichtete. Er habe zudem versucht, „Mitglieder des Landesvorstandes mit der Androhung von Strafanzeigen zu nötigen“.

Für die Annahme, dass aus den „Nationalkonservativen“ mehr werden könnte als ein Sammelbecken vielfältig gescheiterter AfD-Politiker vom rechten Rand, spricht wenig. Zwar wird sich in absehbarer Zeit mit dem Verschwinden der „Patriotischen Plattform“ (PP) eine Marktlücke auf dem rechten Flügel der Partei auftun. Doch die PP erhob zumindest ab und an den (schein-)intellektuellen Anspruch, zur rechten Ideologiebildung beizutragen – etwas, was von Leuten wie Poggenburg und Przybylla mit ihren rhetorischen, aber auch strategischen Limitierungen nicht zu erwarten ist. 

„Kyffhäuser Treffen“ oder „Braunes Roß“?

Und selbst AfDler, die ganz Rechtsaußen in der Partei unterwegs sind, dürften sich fragen, welchen Sinn eine neue Gruppe haben soll, wenn es doch bereits den „Flügel“ gibt. Der hat einen Chef, der von seinen Anhängern bis hin zum Personenkult verehrt wird. Zu seinem „Kyffhäuser-Treffen“ kommen alljährlich inzwischen auch die AfD-Bundessprecher. Die Mehrheit hat er zwar nicht in der Partei, doch ohne oder gegen ihn läuft kaum etwas.

Der „Flügel“ hat in diesem Jahr seine Strukturen weiter ausgebaut. In der Hauptstadt, wo Abgeordnetenhausmitglied Thorsten Weiß als „Koordinator des Berliner Flügels“ auftritt, stieg das „Wartenberger-Fest“, dem weitere folgen sollen. (bnr.de) In Nordrhein-Westfalen, wo der Landtagsabgeordnete Christian Blex als Koordinator agiert, fand das als „Flügel-Kongress“ annoncierte erste „Hermanns-Treffen“ statt. (bnr.de berichtete hier und hier) „Dieses Fest wird eine große Tradition begründen“, sagte Höcke bei der Veranstaltung in Ostwestfalen. Vor allem dient es der Vernetzung der Partei-Rechtsaußen.

Höcke kann bei „Kyffhäuser-Treffen“ und „Hermanns-Treffen“ Hof halten – Poggenburg muss am Freitagabend in einem Provinzgasthaus namens „Braunes Roß“ sprechen: Das ist einer der Unterschiede.

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