Prozess
Salzburg: Bewährungs- und hohe Geldstrafen für Hitler-Verehrung
Diverse NS-Botschaften brachten zwei Männern Bewährungsstrafen von 15 bzw. 18 Monaten und Geldstrafen ein. Ein Angeklagter war wohl herausgehobener Teil der flüchtlingsfeindlichen Proteste im sächsischen Freital, der andere wurde schon wegen Mitgliedschaft in einer rechtsextremen Gruppe Gottfried Küssels verurteilt. Die Anklagen zeigen auch, wie unterschiedlich nationalsozialistische Umtriebe in Deutschland und Österreich verfolgt werden.
Sowohl in Deutschland als auch in Österreich wird – das betonen Staatsanwaltschaften immer wieder – nicht die Gesinnung an sich verfolgt, sondern nur, wenn sie nach außen tritt. Und hier beginnen bereits die gravierenden Unterschiede zwischen den Strafsystemen. In Deutschland muss die Tathandlung, etwa Volksverhetzung, öffentlich passieren, was meist grob so übersetzt wird, dass der Täter seine Botschaft an einen unbestimmten Kreis von Personen richtet und die Verbreitung nicht kontrollieren kann.
Das wurde deutlich, als das Landgericht Frankfurt am Main die Anklage gegen die an der Chatgruppe „Itiotentreff“ beteiligten Polizeibeamten des 1. Reviers nicht zuließ. Sie hatten dort Hitler-Bilder, Verharmlosung des Holocausts und abfällige Bemerkungen über Minderheiten geteilt und waren im Zuge der NSU 2.0-Ermittlungen aufgeflogen. Die wenige Personen umfassende Chatgruppe war den Richtern nicht groß genug, um „öffentlich“ zu sein. Unabhängig davon laufen natürlich die dienstrechtlichen Ermittlungen, was unabhängig der strafrechtlichen Bewertung zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis führen kann.
Deutschland: Rechtssystem auf Organisation prägende Zeichen beschränkt
In Österreich reicht dagegen schon eine Chatnachricht an eine andere Person, wenn sie den Strafbehörden etwa im Rahmen der Auswertung eines Smartphones zur Kenntnis gelangt. Die Anklagen stützte sich so etwa auf einen privaten Neujahrsgruß im Namen „des Führers“. Auch die von einem Anklagten gegründete WhatsApp-Gruppe „Das Dritte Reich(t)“ mit Hitler als Gruppenfoto war nur wenige Personen groß.
In Deutschland beziehen sich die Paragrafen zu verbotenen Zeichen immer auf die dahinterstehende Organisation. Sie sollen zum Schutz des Rechtssystems verhindern, dass ein Verbot einer Gruppe ins Leere läuft, wenn etwa Logo, Parolen und Fahnen weiter öffentlich verwendet werden dürften. Hier beschränkt sich das Rechtssystem auf die die Organisation prägenden Zeichen und Losungen. Heraus fallen somit etwa allgemein extrem rechte Symbolik wie schwarz-weiß-rote Fahnen. Auch die prominent von der SS genutzte Schwarze Sonne scheidet aus, weil es sich nicht um das Logo der Schutzstaffel handelt. Ausgenommen sind auch von neonazistischen Unternehmern genutzte Codes und Umschreibungen für ihre Ideologie. Zu denken wäre hier an die „HKNKRZ“-Shirts oder Aufdrucke mit den Szenecodes „14“, „18“ oder „88“. Unsicherheiten in der Deutung müssen hier zudem zugunsten des Angeklagten gewertet werden.
Keine andere plausible Deutung: „88“ als Ersatz für „Heil Hitler“
Bei der Verfolgung nationalsozialistischer Wiederbetätigung nach dem Verbotsgesetz wird in der Alpenrepublik dagegen stärker die Intention des Verwenders hinterfragt. So kann in einem Gesamtbild auch etwa die Versendung der Zahl „88“ oder der Farbkombination schwarz-weiß-rot zu einer Verurteilung führen, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass damit die Verherrlichung des NS-Regimes bezweckt wurde. So hatte ein Angeklagter ein Bild von sich bei einer Bergwanderung mit dem Zusatz „88“ versehen. Es gebe keine andere plausible Deutung, so der Staatsanwalt, als dass die Zahl als Ersatz für „Heil Hitler“ verwendet wurde.
Angeklagt war vor dem Landesgericht Salzburg am Donnerstag zum einen Gunar H., Fliesenleger, geboren im sächsischen Freital, der aber seit einiger Zeit in Österreich lebt. Der heute 50-Jährige hatte zwischen Ende 2019 und Ende 2021 immer wieder die „88“ in WhatsApp-Nachrichten verwendet, dazu Bilder Hitlers, einmal mit der Aussage „Das macht den Papi glücklich“, dazu Hakenkreuze und eine Reichskriegsflagge, Tatzenkreuze (eine Abwandlung des Eisernen Kreuzes), Parolen wie „Frei sozial national“ und die schon beschriebene WhatsApp-Gruppe „Das Dritte Reich(t)“ gegründet. Er kam so auf über 24 NS-verherrlichende Nachrichten.
Admin flüchtlingsfeindlicher Facebook-Gruppe
Bei der Hausdurchsuchung wurde neben einer Ausgabe von „Mein Kampf“, das er sich aus historischem Interesse bei Amazon bestellt, aber nie gelesen haben wollte, auch das Buch „Vom Pimpf zum Soldaten der Waffen-SS“ von Richard Neuprech gefunden. Es wurde vom Autor handschriftlich dem „Kameraden Gunar“ gewidmet. Wahrscheinlich hatte dieser an einem der berüchtigten „Zeitzeugen“-Vorträge der NS-Erlebnisgeneration teilgenommen. Hs. Name findet sich auch in Zusammenhängen mit den flüchtlingsfeindlichen Protesten im sächsischen Freital, als angeblicher Admin einer entsprechenden Facebook-Gruppe mit Bürgerwehrplänen. Strafrechtlich schlug sich diese Zeit in einer Vorstrafe wegen Volksverhetzung des Amtsgerichts Dippoldiswalde aus dem Jahre 2016 wieder. Davor war H. in den 2000er Jahren vor allem mit Diebstählen, Körperverletzungshandlungen und Bedrohungen, geahndet von den Amtsgerichten in Dresden, Dippoldiswalde und Deggendorf strafrechtlich in Erscheinung getreten. In Österreich gab es vorher keine Ermittlungen gegen ihn.
Die Verteidigung wollte vor allem eine Haftstrafe vermeiden und bat um ein Urteil, das es H. ermögliche, sein „bisher ordentlichen Leben“ in Österreich fortsetzen zu können. Die Taten wurden vollumfänglich eingeräumt, wenn auch als Ausdruck eines angeblich verqueren Humors. Die Distanzierungen, man hätte sowas nicht gemacht, wenn man gewusst hätte, welche Konsequenzen das nach sich zieht, lassen sich dagegen auch so lesen, dass nicht die verbreitete Ideologie, sondern das Erwischtwerden bedauert wird. Die von Hs. Anwalt getätigte Aussage, sein Mandant trete diesem Gedankengut heute offensiv entgegen, wurde weder von der Richterin noch vom Staatsanwalt auf die Probe gestellt oder um Beispiele gebeten.
Antisemitismus offen verbreitet
Der Vertreter der Anklage bezeichnete die Taten, deutlicher könne eine NS-nahe Ideologie nicht dokumentiert werden, ob die Distanzierung reumütig sei und damit strafmildernd, ließ er offen. Das Urteil nach dem einstimmigen „Schuldig“-Votum der Geschworenen beläuft sich auf 15 Monate Haft auf Bewährung und einer Geldstrafe von 4.680 Euro (180 Tagessätze). H. nahm das Urteil nach kurzer Bedenkzeit an.
Der zweite Angeklagte, der Salzburger Wolfgang Werner E, gegen den parallel verhandelt wurde, kam auf 17 strafbare Nachrichten, die zwischen 2019 und 2022 verschickt wurden. Eine dieser WhatsApp-Botschaften ging auch an Gunar H. Herangezogen wurde zudem eine Aussage, er wähle nur noch FPÖ, weil seine eigentliche Wunschpartei seit 1945 verboten sei. Weil er auch die Losung „Juden werden hier nicht bedient“ verbreitet hatte, fragte der Richter nach Bedeutungen des Wortes „Semigrant“ und wie er zu den Juden stehe. Die Antwort konnte deutlicher kaum sein. Er habe aus nationaler Sicht nichts „gegen die Juden“, aber sie hätten nun mal „das Geld“ unter Kontrolle und damit die Kontrolle über die Welt. Gezeigt wurden im Gericht auch Lichtbilder von E.s zahlreichen Tätowierungen. So trägt er am Bauch die Losung „Blood and Honour“, was als Bezug zur nationalsozialistischen Ideologie gewertet wurde.
Bereits vor knapp 30 Jahren einschlägig aktiv
Obwohl die Verwendung der „88“ in Chats für „Heil Hitler“ eingeräumt wurde, gab es bei der Deutung, ob die Verwendung der beiden Achten auf dem Rücken im Rahmen einen großen Thorshammers ähnlich zu deuten sind, Widerspruch von Seiten des Angeklagten. Dass die Schwarze Sonne in Österreich auch strafbar sei, habe er nicht gewusst. Er hatte sich eine solche ebenfalls groß auf den Rücken tätowieren lassen, wenn auch nur angedeutet und noch nicht vollständig. Auch E. bemühte sich im Rahmen der Möglichkeiten darum, nicht als Neonazi zu erscheinen, was durch den antisemitischen Spruch schon in Zweifel gezogen wurde. Er denke darüber nach, sich die Tätowierungen überstechen zu lassen. Auf die Idee hatte ihn aber erst der Richter gebracht.
Von den Vorstrafen stach vor allem die 1994 erfolgte Verurteilung wegen der Mitgliedschaft in Gottfried Küssels „Volkstreuer außerparlamentarischen Opposition“ (VAPO) heraus. Der Staatsanwalt sprach deshalb davon, dass sich E. seit 30 Jahren in nationalsozialistischen Kreisen bewege. Die Verteidigung wandte hier dagegen ein, dass E. gar nicht richtig gewusst habe, dort Mitglied zu sein. Er habe das möglicherweise nur auf falschen Rat seines damaligen Anwalts bei Gericht eingeräumt. Auch brachte der Verteidiger eine alternative Deutung für die „88“ ins Spiel.
Für den Angeklagten stehe das für „Happy Hour“. Weil ähnlich wie bei Gunar H. die Vorstrafen vor einiger Zeit abbrachen, bat auch E. darum, vom Gefängnis verschont zu werden. Der Mann wurde zu einer 18-monatigen Bewährungsstrafe verurteilt, verbunden mit einer Geldstrafe in Höhe von 5.400 Euro. Laut den Salzburger Nachrichten wurde auch das Urteil wohl noch im Gerichtssaal angenommen.