Der Schelm
Sachsen: Kriminelle Vereinigung weiterhin online
Anfang Juni hat die Bundesanwaltschaft zwei ehemalige NPD-Kommunalpolitiker in Sachsen wegen Mitgliedschaft in einer rechtsextremen kriminellen Vereinigung festnehmen lassen. Erstaunlich ist, dass der Internetauftritt des militant antisemitischen Verlags „Der Schelm“ weiterhin online ist.
Im aktuellen Angebot sind „Bücher zur kriminalstatistisch nachweisbaren überdurchschnittlichen Beteiligung von Juden an Verbrechen“. Zu diesem „Themen“-Kreis wird das Machwerk „Der Jude als Verbrecher“ von Josef Keller und Hanns Andersen für 29 Euro angeboten. Dabei handelt es sich um einen unveränderten Nachdruck der 1937 in der Nibelungen-Verlag GmbH, Berlin/Leipzig, erschienenen Ausgabe.
Der damalige NS-Gauleiter Franken, Julius Streicher, hat dem Buch ein Geleitwort beigesteuert. Auf der Webseite wird mitgeteilt, dass das Hetzwerk „zahlreiche erklärende Fußnoten zu Fachausdrücken der Gaunersprache“ beinhaltet. Süffisant wird potenziellen LeserInnen mitgeteilt: „Der Schelm kommt gerade jetzt – in Zeiten eines wieder auflodernden Antisemitismus in der Migrationsrepublik Narristan – nicht umhin, seiner zivilcouragierten und philosemitischen Leserschaft diese das auserwählte Volk Gottes übelst diffamierende antisemitische NS-Hetzschrift vorzustellen.“
Nationalsozialistische und antisemitische Ideologie
Die staatlichen Maßnahmen gegen den Verlag „Der Schelm“ starteten offiziell am 1. Juni. Die Bundesanwaltschaft nahm auf Grundlage eines Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs den Rechtsextremisten Matthias B. fest. Die Festnahme erfolgte im sächsischen Röderaue. Zudem wurden Räumlichkeiten des Beschuldigten sowie weiterer drei Beschuldigter in Sachsen und Brandenburg durchsucht.
Die Beschuldigten sind der Gründung und/oder Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung verdächtig. Alle Beschuldigten sollen sich gemeinsam spätestens ab August 2018 mitgliedschaftlich in einer kriminellen Vereinigung betätigt haben. Der Zweck dieser Vereinigung war laut Bundesanwaltschaft, unter dem Dach des Verlags „Der Schelm“ eine nationalsozialistische und antisemitische Ideologie insbesondere durch den Verkauf entsprechender Bücher zu verbreiten und damit fortgesetzt Volksverhetzungsdelikte zu begehen.
Über den Verlag vertrieben die Beschuldigten rechtsextreme Schriften, vor allem Nachdrucke indizierter Werke. Zeitweilig saß B. für die NPD im Meißner Kreistag. Am 2. Juni wurde der ehemalige Leipziger NPD-Stadtrat Enrico Böhm durch Beamte des LKA Sachsen in Leipzig verhaftet. Er soll insbesondere für die Lagerung und den Versand der Schriften verantwortlich gewesen.
Dritter Weg über angebliche „BRD-Meinungsblockwarten“
Die Neonazis vom Dritten Weg kommentierten die Maßnahmen gegen den konspirativ wirkenden Verlag in dem Beitrag „Bundesanwaltschaft schlägt gegen volkstreuen Bücherverlag zu“: „Zum ersten Mal in der unrühmlichen Geschichte des BRD-Regimes hat es ein Bücherverlag geschafft, von der Gesinnungsjustiz dieses Systems allein aufgrund der Neuverlegung historischer Bücher – nach Angabe des Betreibers als wissenschaftliche Quellentexte – als `kriminelle Vereinigung´ eingestuft zu werden.“
Weiter heißt es: „Nachdem in der Vergangenheit bereits schon diverse Aktivistengruppen, Chatgruppen oder auch Musikbands mit dem vernichtenden Stigma einer „kriminellen Vereinigung“ belegt wurden, geht das Regime jetzt auch gegen Bücherverlage vor, die dem herrschenden Zensurapparat trotzen und der Öffentlichkeit nachgedruckte Dokumente der Zeitgeschichte zur freien Geschichtsforschung – ohne der lästigen Kommentierung von BRD-Meinungsblockwarten – zur Verfügung stellen.“
Antisemitisches Kinderbuch im Angebot
Im Angebot des 2014 von Adrian Preißinger, vormals Neonazi-Musik-Produzent und später hauptamtlich Beschäftigter beim NPD-Verlag Deutsche Stimme, in Leipzig gegründeten Faksimileverlag „Der Schelm“ (Verlagsadresse in Wichian Buri /Thailand), einem „unter erhöhtem politischen Risiko arbeitenden systemunkonformen“ Kleinstverlag, ist auch das antisemitische Kinderbuch „Der Giftpilz“. „Giftpilz“-Autor ist Ernst Hiemer, der von 1938 bis 1941 Hauptschriftleiter der 1923 von Streicher gegründeten antisemitischen Wochenzeitung „Der Stürmer“ war.
Das 55 Seiten umfassende Buch enthält neben den Texten, die im Stil der NS-Propaganda verfasst sind, antisemitische Zeichnungen von Philipp Rupprecht. Rupprecht war unter dem Pseudonym „Fips“ Hauptzeichner beim „Stürmer“. „Der Giftpilz“ zählte zum Beweismaterial in den Nürnberger Prozessen gegen den „Stürmer“-Begründer Streicher, der 1946 wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zum Tode verurteilt wurde. In dem Machwerk werden Juden als moralisch, geistig sowie körperlich degeneriert und bösartig dargestellt. „Der Giftpilz“ endet mit den Worten: „Die Welt erwacht in Juda‘s Ketten. Deutschland alleine kann sie retten. Deutsches Denken und Deutsch sein wird einst die ganze Welt befrei’n.“