Sachsen-Anhalt AfD auf klarem Rechtskurs
Auf der Kandidatenliste der AfD für die Landtagswahl im März finden sich auf den vorderen Plätzen ausschließlich Unterstützer der „Erfurter Resolution“ – der Landeschef gilt als rechter Flügelmann im AfD-Bundesvorstand.
Glaubt man André Poggenburg, gehört er zu denen, die allzu oft missverstanden und völlig zu Unrecht bekrittelt werden. Zum Beispiel Weihnachten. Da hat der Landesvorsitzende der sachsen-anhaltinischen AfD in seiner Botschaft zum Fest doch nur angemahnt, es sei „gerade in dieser Zeit“ angebracht, einmal über die „Verantwortung für die Volksgemeinschaft“ nachzudenken, und prompt fallen alle wegen der NS-lastigen Wortwahl über ihn her. Als Beispiel für „endlose Stigmatisierungs- und Diffamierungsversuche“ wertet er die Kritik und klagt: „Heute sollen einige völlig unproblematische und sogar äußerst positive Begriffe nicht benutzt werden. Das lassen wir uns nicht gefallen, denn wirkliche Freiheit fängt bei der Freiheit der Sprache an!“
Ein paar Wochen vorher bezog Poggenburg verbale Prügel, weil er dem extrem rechten Front National (FN) zu einem Wahlsieg gratulierte. „Frankreich und Europa dürfen noch hoffen!“, hatte er gemeinsam mit Thüringens AfD-Landeschef Björn Höcke, gejubelt. Und mit dem für beide nicht untypischen Pathos fuhren sie fort: „Für unsere Vaterländer, für unser gemeinsames europäisches Haus geht es in dieser historischen Wendezeit um Sein oder Nichtsein. Die in- und ausländischen Altparteien stehen auf der Seite des Nichtseins. Unsere Verbündeten stehen auf der Seite des Seins.“
„Für eine nationale politische Grundausrichtung“
Wieder hagelte es Kritik – für die Poggenburg erkennbar wenig Verständnis hatte. Die Positionen der AfD und der in der Parteispitze nicht sehr gelittenen französischen Rechtsaußen seien sich doch „in wichtigen und momentan zentralen Punkten sehr ähnlich“, betonte er: „Europa der Vaterländer, Beendigung der unkontrollierten Masseneinwanderung, EU-Kritik, Patriotismus usw.“ Jedenfalls, so Poggenburg: „Ein Großteil unserer Mitglieder und Wähler hält nichts von dieser Distanzierung zu FN!“
Beim turbulenten Essener Bundesparteitag im vorigen Sommer hatte er sich mit den Worten „Ich stehe für eine nationale politische Grundausrichtung“ für einen Platz im Bundesvorstand empfohlen und gleich – als müsse er auch in diesen Kreisen Missverständnisse ausräumen – hinzugefügt, dies sei ja wohl eine Einstellung, „die in nahezu jedem anderen Land als vorausgesetzte Grundeinstellung eines jeden redlichen Bürgers gilt, nur nicht in Deutschland“. Poggenburg, Jahrgang 1970, wurde gewählt. Im Bundesvorstand gilt er nun als rechter Flügelmann, im Zweifelsfall auch gegen Parteichefin Frauke Petry.
Personell auf Linie
Auch sein AfD-Landesverband ist – nicht nur durch öffentliche Erklärungen seines Vorsitzenden – auf klaren Rechts-Kurs gebracht. Zum Beispiel mit der Kandidatenliste für die Wahl des neuen Magdeburger Landtags im kommenden März. Auf den ersten sieben Plätzen finden sich ausschließlich Unterstützer der „Erfurter Resolution“, mit der die AfD als „Bewegung unseres Volkes gegen die Gesellschaftsexperimente der letzten Jahrzehnte“ und als „Widerstandsbewegung gegen die weitere Aushöhlung der Souveränität und der Identität Deutschlands“ beschrieben wurde. Zu den Kandidaten zählt selbstredend auch Poggenburg, der gemeinsam mit Höcke jene „Erfurter Resolution“ und damit das Projekt „Der Flügel“ initiiert hatte. Auf Platz 10 der Liste findet sich zudem Hans-Thomas Tillschneider, Chef des Rechtsaußen-„Thinktanks“ „Patriotische Plattform“, auch er einer der Erfurter Resolutionäre.
Im Landesvorstand ist das Bild recht ähnlich. Sieben Mitglieder gehören ihm an. Fünf unterschrieben die Resolution, mit der die AfD auf klaren Rechtskurs gebracht werden sollte; nur zwei gehörten nicht zu den – bekannt gewordenen – Unterzeichnern. Dass sich ein kompletter Parteitag im vorigen April mit großer Mehrheit hinter die Erfurter Erklärung stellte, überrascht da nicht.
Und auch das Motto jenes Parteitags konnte nicht überraschen: „Die Stimme der Bürger – unser Programm!“ In sechs Wörtern zusammengefasst, ist es fast die Idealdefinition dessen, was populistische Parteien in Abgrenzung zu „Altparteien“ und „Berufspolitikern“ zu sein vorgeben. Der Spruch steht nun auch auf der Titelseite ihres 64-seitigen Programms, das die Partei zur Landtagswahl vorlegte. Zwar hat sich die AfD in ihrer dreijährigen Geschichte in derlei Programmen stets vorsichtiger geäußert als in ihren Diskussionen in Hinterzimmern oder in den Reden ihrer Funktionäre – doch auch so vermittelt das Papier ein ungefähre Vorstellung, wohin ihr rechter Flügel die AfD in Sachen Nationalismus und Antiliberalismus treiben will.
Europa muss sich dem Nationalen unterordnen
Gleich in der Präambel heißt es, die „heutige Politik“ sei eine, „die mit gekrümmtem Rücken fremde Vorgaben erfüllt, anstatt sich aufrichtig für die Interessen unseres Landes einzusetzen“. Die EU wird abgelehnt; angestrebt wird stattdessen ein „Bund souveräner Nationalstaaten innerhalb Europas“. Dem Nationalen muss sich aber nicht nur Europa unterordnen, sondern auch die Freiheit: „Freiheit stärkt ein Gemeinwesen aber nur dann, wenn sie ihre Grenzen kennt und zum Wohle des Ganzen gebraucht wird. Ein gesunder Patriotismus und Heimatverbundenheit garantieren, dass Freiheit nicht in Zerstörung mündet.“
Das Thema der nächsten Monate dürfte die Flüchtlingsfrage werden. Entsprechend breit wird das Thema im Wahlprogramm behandelt. Zwar heißt es in der Überschrift zum entsprechenden Kapitel: „Ja zum Asylrecht — Nein zum Missbrauch!“ Faktisch aber verabschiedet sich die AfD vom Grundrecht nach Artikel 16: „Wir fordern eine maximale Aufnahmequote für tatsächlich politisch Verfolgte und Flüchtlinge festzulegen, die sich am Willen der Bevölkerung orientiert und die daraus resultierenden Kosten nicht außer Acht lässt.“ Zudem würden „an die Bevölkerung gerichteten Kampagnen für Weltoffenheit, eine staatlich verordnete ,Willkommenskultur', ,Aufnahmebereitschaft' oder Antidiskriminierungsschulungen“ nicht benötigt. Stattdessen solle „das Singen der Nationalhymne bei feierlichen Anlässen bei uns, wie in anderen Ländern, selbstverständlich sein“.
Theater sollen nationale Identität bilden
Klar ist für Sachsen-Anhalts AfD: „Der Islam gehört nicht zu unserer Identität. Er hat unsere Geschichte und unser Selbstverständnis nicht geprägt.“ Die „private Religionsausübung muslimischer Mitbürger“ sei „auch ohne Großmoscheen mit Minaretten möglich“. Derartige Bauprojekte müssten „erst von der ansässigen deutschen Bevölkerung akzeptiert und dürfen nicht gegen deren Willen errichtet werden“.
Das Deutsche liegt Poggenburgs AfD am Herzen. Ginge es nach ihr, müssten sich die Magdeburger Landespolitiker auch stärker für die Bundeswehr einsetzen: „Die Verteidigungsfähigkeit unseres Landes muss uneingeschränkt aufrecht erhalten werden“, heißt es im Programm zur Landtagswahl. Und weiter: „Deutsche Streitkräfte müssen unter deutschem Befehl stehen.“ Vollends skurril wird es beim Thema Kultur: „Museen, Orchester und Theater sind in der Pflicht, einen positiven Bezug zur eigenen Heimat zu fördern. Die Bühnen des Landes Sachsen-Anhalt sollen neben den großen klassischen internationalen Werken stets auch klassische deutsche Stücke spielen und sie so inszenieren, dass sie zur Identifikation mit unserem Land anregen.“
Neue Rechte mitten in der AfD
Dass das Programm so ausgefallen ist, mag auch an den Beratern liegen. Der oberste AfD-„Patriot“ Tillschneider sprach beim Parteitag, der das Programm vorbereitete, zum Thema Integration. Auch Ellen Kositza trat dort auf. Sie – ebenso wie ihr Lebensgefährte Götz Kubitschek eine der führenden Personen der Neuen Rechten im Lande – wollte im Jahr zuvor sogar Mitglied werden. Poggenburgs Landesverband wollte sie aufnehmen. Der damalige Bundesvorstand unter Bernd Lucke hielt sie außen vor. Poggenburg protestierte zwar („Da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen“), konnte sich damals aber noch nicht durchsetzen.
Einen wie Poggenburg mag das ärgern. Doch es war nur eine Niederlage auf der Etappe. Vor einem Jahr zog er gegen Lucke den Kürzeren – jetzt ist er selbst im Bundesvorstand und der Ex-Parteichef ist nur noch Geschichte. Poggenburgs Art rechter Klartext hat sich in großen Teilen der AfD durchgesetzt. Er warnt nun davor, „dass man sich brav weiter duckt und bückt“. Poggenburg: „Damit erreicht man nichts, außer die Oberen weiter zu stärken. Was gesagt werden sollte, muss endlich auch gesagt werden.“ Am kommenden Montag startet die AfD mit einer „Großdemonstration“ gegen „das totale Staatsversagen“ in Merseburg in den Wahlkampf. Sprechen werden Höcke und Tillschneider. Es dürfte so klingen, als wäre die Neue Rechte mitten in der AfD – und umgekehrt.