Sinto-Boxer
„Rukeli“ Trollmann: Warum die SPD einen Box-Meister ehrt
Am 9. Juni 1933 wurde Johann „Rukeli“ Trollmann Deutscher Box-Meister im Halbschwergewicht. Einige Tage später erkannten ihm die Nazis den Titel ab, eine lange Leidensgeschichte begann.

Ein Boxer, der anders kämpft als alle anderen, den Titel gewinnt, weil es das Publikum will, obwohl die Nazis versuchen, es zu verhindern. Der den Titel trotzdem kurz darauf verliert, dem System den Spiegel vorhält und am Ende dafür mit dem Leben bezahlt. Das alles hat Johann, Spitzname „Rukeli“, Trollmann erlebt.
Ein Boxer, der nicht siegen durfte
Am 9. Juni 1933 kämpfte der Boxer aus Gifhorn in Niedersachsen in Berlin um den deutschen Meistertitel im Halbschwergewicht. Mit seinem Boxstil, der Kenner*innen aus heutiger Sicht an Muhammad Ali erinnert, begeisterte Trollmann das Publikum, nicht aber den Vorsitzenden des Verbandes Deutscher Faustkämpfer, der ihn für „undeutsch“ hielt: Er wies die Punktrichter an, den Kampf unentschieden zu werten, obwohl Trollmann seinem Gegner Adolf Witt haushoch überlegen war. Erst der lautstarke Protest des Publikums brachte Trollmann den Sieg. So ist es überliefert.
Die Freude darüber wehrte jedoch nicht lange: Einige Tage später wurde Trollmann der Titel wieder aberkannt. Damit begann für Trollmann, der aus einer Sinto-Familie kam, ein langer Leidesweg. Zwar durfte er am 21. Juli 1933 erneut um die Deutsche Meisterschaft kämpfen – diesmal im Weltergewicht – doch wurde ihm untersagt, nach seinem Stil zu kämpfen, also nicht tänzelnd den Schlägen seines Gegners auszuweichen. Trollmann trat deshalb mit weiß gepuderten Haaren und Gesicht an. Die Schläge seines Gegners steckte er ohne Gegenwehr ein. Nach fünf Runden ging er K.o. Wenige Monate später wurde ihm die Box-Lizenz entzogen. Laut Totenbuch starb er 1943, inzwischen zwangssterilisiert, im Konzentrationslager Neuengamme in Hamburg.
Die Erinnerung im Stadtbild präsent halten
„Johann Trollmann war ein vorbildlicher Sportler, der von den Nazis verfolgt und ermordet wurde. Er hat Zivilcourage und Charakter gezeigt“, findet Frank Vollmert, Vorsitzender der SPD-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) von Friedrichshain-Kreuzberg. In Kreuzberg, im Sommergarten der ehemaligen Bockbier-Brauerei, fand am 9. Juni 1933 Trollmanns Kampf statt, den er nicht gewinnen durfte. Aus Vollmerts Sicht zeigen die damaligen Ereignisse: „Sport war nie unpolitisch und ist es auch heute nicht.“
Vollmert setzt sich deshalb schon länger dafür ein, dass im Berliner Bezirk an Trollmann erinnert wird. 2020 initiierte der eine Gedenktafel am Standort der damaligen Brauerei. Ein früherer SPD-Stadtrat hatte bereits 2011 dafür gesorgt, dass ein Boxcamp für junge Sportler*innen nach Trollmann benannt wird. „Wir wollen ihn ehren und im Stadtbild präsent halten“, sagt Frank Vollmert.
Die SPD wird selbst aktiv
Für ihn und seine Fraktion war deshalb auch klar, dass etwas zum 90. Jahrestag des Meisterschaftskampfes passieren muss. Bereits im vergangenen Jahr stellte die SPD deshalb in der BVV den Antrag, der Bezirk möge zu Ehren Trollmanns ein Gedächtnisturnier veranstalten, das Andy Hehmke als SPD-Stadtrat für Sport schließlich organisierte. Auch eine Lesung und die Vorführung des biografischen Spielfilms „Gibsy“ aus dem Jahr 2013 schlugen die Genoss*innen vor. „Das war dem Bezirksamt aber alles zu viel“, berichtet Vollmert. Vor allem das Verhalten der Grünen, die in Friedrichshain-Kreuzberg eine Mehrheit haben, empfand er als „irritierend“.
Also machte sich Frank Vollmert selbst ans Werk, führte Gespräche und plante Veranstaltungen. Nun wird bereits am 8. Juni eine Podiumsdiskussion im Kreuzberger Mühlenhauptmuseum um 19 Uhr stattfinden, an der auch Rukeli Trollmanns Tochter Rita Vowe-Trollmannn teilnimmt. Sie wohnt noch heute in Kreuzberg. Für den Jahrestag des Kampfes ist zunächst eine Gedenkveranstaltung am Standort der ehemaligen Bockbierbrauerei geplant. Abends um 20 Uhr wird im Kreuzberger Kino Moviemento der Film „Gibsy“ mit anschließender Diskussion gezeigt. Als Partner konnten Frank Vollmert und die SPD u.a. die NaturFreunde gewinnen.
Und das Bezirksamt? Das zeigt in Zusammenarbeit mit dem Friedrichshain-Kreuzberg-Museum den dokumentarische Kurz-Tanzfilm „9/8fight41“ der Künstlerin Gizem Aksu. Der Film ist auf Türkisch mit englischen Untertiteln. Im Anschluss soll ein Gespräch in englischer Sprache stattfinden. Frank Vollmert findet das unpassend. „Eine Veranstaltung nur in englischer Sprache anzubieten, schließt viele aus“, meint der SPD-Fraktionschef. Dabei sei es gerade wichtig, im Bezirk das Verbindende von Trollmann zu betonen. „Es steht Kreuzberg gut zu Gesicht, dass man ihn nicht vergisst.“
zuerst erschienen beim "vorwärts"