„Ruf nach einem Wechsel“

Holger Apfel wird beim NPD-Parteitag gegen Udo Voigt kandidieren – Unterstützung erhält er auch von Teilen des NS-lastigen Flügels der Partei.

Dienstag, 20. September 2011
Tomas Sager

Bis zum Wahlabend in Berlin am Sonntag herrschte eine Art Burgfrieden in der NPD. Über die Frage, wer bei dem für Mitte Oktober geplanten Bundesparteitag an die Spitze der NPD gewählt werden sollte, herrschte bis auf wenige Ausnahmen Stillschweigen. Jene Kräfte, die Parteichef Udo Voigt abgelöst sehen wollen, versuchten den Eindruck zu vermeiden, dass sie dem Berliner Spitzenkandidaten in den Rücken fallen würden, während der noch um Stimmen warb.

Mit der Ruhe ist es seit dem Wahlabend vorbei. Den Anfang machten Vertreter aus der zweiten Reihe der Partei. Die Landesvorsitzenden aus Hessen und Bayern, Jörg Krebs und Ralf Ollert, forderten eine personelle Erneuerung. Ihre Wortmeldung konnten die Voigt-Anhänger innerhalb der Partei noch leicht abtun. Immerhin gelten beide Landesverbände mit Wahlergebnissen unter oder knapp über ein Prozent nicht gerade als Musterbeispiel dafür, wie erfolgreiche NPD-Politik zu machen ist.

„Frischer Wind mit neuen Köpfen“

Doch am Montag warf dann Holger Apfel seinen Hut lautstark in den Ring. Er werde für den Parteivorsitz kandidieren, teilte sein sächsischer Landesverband offiziell mit. Parallel wurde auf einem extrem rechten Internetportal ein ausführliches Interview vorabgedruckt, das Apfel der Zeitschrift „Zuerst!“ gegeben hatte. Mit seiner Kandidatur komme er dem Wunsch zahlreicher Parteifreunde aus vielen Landesverbänden nach, ließ Apfel auf der Homepage der Sachsen-NPD wissen. „Gerade an der Parteibasis, aber auch auf der Vorstandsebene vieler Verbände, wird der Ruf nach einem Wechsel auf Bundesebene lauter.“ Ausschlaggebend seien für ihn vor allem Gespräche mit Udo Pastörs gewesen, dem Vorsitzenden der NPD-Fraktion im Schweriner Landtag.

Die NPD benötige einen neuen Vorsitzenden, „damit wir den Erfolgsweg aus Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern auch auf andere Parlamente aller Ebenen ausdehnen können“, erklärte Apfel im „Zuerst!“-Interview. Voigt habe sich große Verdienste erworben, „vor allem, weil er 1996 den Willen zur Erneuerung verkrusteter Strukturen aufbrachte“, räumte Apfel ein, um direkt darauf zu sagen: „Nach 15 Jahren braucht die NPD auch heute wieder frischen Wind mit neuen Köpfen und Visionen. Ansonsten droht ein Stillstand, in dem die NPD nur noch verwaltet wird.“

„Defizit in der eigenen Außendarstellung“

Apfel forderte eine „Modernisierung unseres Erscheinungsbildes“. Er machte deutlich, dass er nichts davon hält, wie die Berliner NPD mit „Adolf“-Kreuzworträtseln und „Gas geben“-Plakaten um Stimmen zu werben. Dies sei ein „Nostalgie- und reiner Provokationswahlkampf“ gewesen: „Selbst gutwillige Menschen gewinnen dadurch den Eindruck, die NPD hätte nichts zu ihren Alltagsproblemen zu sagen“. Der sächsische Fraktionschef klagte, dass sich in der Öffentlichkeit die Wahrnehmung der NPD immer noch auf „Glatze und Springerstiefel“ reduzieren lasse. Das liege nicht nur an den Medien: Es gebe „auch ein Defizit in der eigenen aktiven Außendarstellung. Wer die Herzen unser Landsleute gewinnen will, darf sie nicht verschrecken – weder durch Auftreten noch durch optisches Erscheinungsbild“.

Positionieren soll sich die NPD nach seiner Vorstellung vor allem als „Anti-EU-Partei im allgemeinen und als Anti-Euro-Partei im besonderen“. Mit dem Kampf gegen die EU verbinde sich alles, wofür die NPD schon immer gestanden habe: „nationale Souveränität, nationale Identität und nationale Solidarität“. Er sieht die NPD als „Schutzmacht der deutschen Steuerzahler und Sparer gegen das Brüsseler Umverteilungs-Regime“.

„Türken bleiben ethnisch-kulturelle Fremdkörper“

Zugleich grenzt er sich gegenüber rechtspopulistischen Gruppierungen ab, von denen ähnliche Töne kommen. Beim Thema „Überfremdung“ zum Beispiel nenne die NPD das Kind beim Namen: „Es gibt in unserem Land Nationalitätenkonflikte – dagegen sind die Religionskonflikte nur eine hässliche Begleiterscheinung der inländerfeindlichen Einwanderungspolitik.“ Natürlich lehne man entschieden den Bau von Moscheen ab. „Aber wir wollen die Muslime nicht missionieren. Auch wenn sich die Türken in Deutschland morgen taufen lassen, bleiben sie Türken und bleiben hier ethnisch-kulturelle Fremdkörper.“ Apfel nennt sein Konzept, mit dem er in knapp drei Wochen beim Parteitag punkten will, „seriöse Radikalität“.

Auf den ersten Blick etwas überraschend, erhielt er Unterstützung von einem exponierten Vertreter des Neonazi-Flügels innerhalb der Partei. Eckart Bräuniger ist stellvertretender Landeschef in Berlin, hat aber seinen Tätigkeitsschwerpunkt in den letzten Monaten nach Sachsen verlegt, wo er als Organisationsleiter des NPD-eigenen „Deutsche Stimme“-Verlags arbeitet. Vor zwei Jahren hatte er noch dazu beigetragen, dass sich Voigt gegen seinen damaligen Konkurrenten Pastörs im Amt halten konnte. Nun steht er an Apfels Seite. „Konzeptlosigkeit, mangelnde Fähigkeit zu strategischem Denken, einseitige Erfolgsprognosen und schwache Fehleranalyse – kurzum ein geringes Maß an Selbstkritik und Verantwortung“ wirft er Voigt vor. „Man sollte Udo Voigt nicht schlecht reden, aber nun ist die Zeit für den Wechsel da.“ Derzeit leidet die NPD Bräunigers Eindruck zufolge unter einem „,Überhaupt-keinen-Plan-oder-Kurs’ des amtierenden Parteivorsitzenden“.

Ex-DVUler im Personalkonzept nicht berücksichtigt

In Apfels Personaltableau stellt er das Angebot an den Neonaziflügel innerhalb und außerhalb der Partei dar – etwa die Rolle, die im aktuellen Vorstand Thorsten Heise einnimmt. Bräuniger selbst sieht seine Aufgabe als „Bindeglied“ zwischen Kameradschaftsumfeld und Parteiführung und als Vertreter einer Fraktion, die „ganz deutlich im sozialen Bereich eines rassisch vorgemerkten Nationalismus anzusiedeln ist“ Er sei „Nationaler Sozialist und dennoch ,politikfähig’“.

Machttaktiker Voigt hat sich bisher noch nicht öffentlich zu der Personaldiskussion geäußert. Gegen sich haben dürfte er die bei Wahlen erfolgreichen Landesverbände aus Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen, dazu die mitgliederstarken Bayern, außerdem die weniger gewichtigen Landesverbände aus Hessen und von der Saar. Hoffen kann er nach derzeitigem Stand vor allem auf die Delegierten aus Berlin und Brandenburg sowie aus Schleswig-Holstein, Hamburg und Niedersachsen.

Aus Niedersachsen stammen zwei Vorstandmitglieder, die in Apfels Personalkonzept keine Rolle mehr spielen: Schatzmeister Ulrich Eigenfeld und der Chef des NPD-Ordnerdienstes Manfred Börm. Nicht berücksichtigt in diesem Konzept sind neben Pressesprecher Klaus Beier unter anderem auch die beiden Ex-DVUler Matthias Faust und Heiner Höving, der NRW-Landesvorsitzende Claus Cremer sowie Wolfgang Schimmel und Uwe Schäfer aus Schleswig-Holstein. Dass Apfels Wunschvorstand deutlich „ostdeutscher“ als der amtierende wäre, könnte bei manchen West-Landesverbänden für Ärger sorgen.

 

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