Rührige braune Akteure
Rechtsextreme Aktivitäten in Südthüringen nehmen seit Monaten wieder zu. Genutzt werden bestehende beziehungsweise wiederbelebte Strukturen oder es werden neue Verknüpfungen geschaffen. Jüngstes Beispiel ist eine weitere Immobilie in dem Ort Geschwenda im Ilm-Kreis.
Bei den beobachteten Expansionsbemühungen der rechten Szene ist die Thüringer NPD schon lange nicht mehr der Taktgeber. Die Partei wird meist nur noch aus taktischen Erwägungen immer wieder beteiligt, etwa um sich absichernd gegen Behörden in Stellung zu bringen. Planerische, organisatorische und vorbereitende Arbeiten liegen aber meist in den Händen von Freien Kräften, zumal szeneintern zu viel NPD auf dem Etikett auch eher Türen verschließt als sie öffnet.
Der Neonazi Tommy Frenck, seit Dezember 2014 Inhaber des Gasthofs „Goldener Löwe“ in Kloster Veßra (Landkreis Hildburghausen) und zudem potenter Geschäftsmann in Sachen Szenehandel per Onlineversand, hat mitgeteilt, dass es bezüglich Nutzung einer weiteren Immobilie jetzt eine Schlüsselübergabe in Geschwenda gegeben habe. Nähere Einzelheiten sind noch nicht bekannt. Es soll sich um ein seit Jahren leer stehendes Fabrikgebäude in einem ziemlich baufälligen Zustand handeln. Mit Blick auf den Frenck-Gasthof dürfte eine erforderliche Renovierung aber kein Hindernis für künftige Nutzungspläne darstellen. Auch ordnungsrechtliche Auflagen bezogen auf das Gasthaus werden von Frenck schon lange belächelt, weicht er für Veranstaltungen samt Rechtsrock-Klängen doch ins aufgebaute Pavillon-Partyzelt auf dem Außen-Freigelände des Grundstücks aus.
Neuer rechter Treffpunkt in Geschwenda?
Auf Nachfrage heißt es seitens der Kreisverwaltung sowie des Bürgermeisters von Geschwenda ebenso wie vom Verfassungsschutz, man habe nichts von dem Immobilien-Deal gewusst. Dabei war bekannt, dass der Kommunalpolitiker Frenck („Bündnis Zukunft Hildburghausen“) seit über einem Jahr immer wieder mit dem Kauf oder einem Erwerb einer Immobilie in der Region geliebäugelt und selbst damit kokettiert hat. In Schleusingen (Landkreis Hildburghausen) hatte die Stadt vor diesem Hintergrund gleich mehrere Gebäude selbst erworben. Mit dem vermeintlich neuen rechten Treffpunkt im 52 Kilometer von Kloster Veßra entfernten Geschwenda dürfte Frenck seinen Aktionsradius weiter ausweiten. Es ist derzeit allerdings offen, ob es wirklich dazu kommen wird.
Den rechtsextremen Akteuren ist schließlich durchaus bewusst, dass es über die virtuelle Ebene hinaus auch realer Begegnungsmöglichkeiten bedarf. Möglichst 365 Tage Angebote einer nationalen Erlebniswelt für Jung und Alt lassen sich nun mal nicht nur im Netz ausleben. Demonstrationen regionaler Anti-Flüchtlingsgruppen und -initiativen sind zwar noch gegenwärtig, haben aber an Attraktivität verloren. Die frühzeitig im Sog von Pegida gegründete in Südthüringen ausgerufene Gruppierung „Sügida“ erwies sich schnell als Flop und beschränkt sich auf Internethetze und regionale Infostände. Selbst die kontinuierlich aktive stramm rechtsextreme länderübergreifende Gruppierung „Thügida“ schafft es nicht mehr, die Massen zu mobilisieren.
„Gegen den Zeitgeist“ in Kloster Veßra
Frenck lässt gerne seine „Kümmerer“-Seite heraushängen, setzt aber ganz klar auf die Zugkraft von Provokation und Musikevents. Bestes Beispiel war das Open-Air-Festival „Rock für Identität“ in Hildburghausen mit 3500 Besuchern im Mai. Nicht uneigennützig geht es Frenck dabei natürlich auch um persönliche kommerzielle Interessen. Beim braunen Rockspektakel in Hildburghausen ist von 100 000 Euro Umsatz die Rede, den er sich aber wohl mit Mitorganisator Patrick Schröder, der ebenfalls Geld mit einem rechten Modelabel verdient, teilen muss. Der große Zulauf dürfte den Tatendrang in Sachen künftiger Musikaktivitäten wohl eher noch schüren.
Am 17. September dreht Tony Frenck jedenfalls mal wieder am Rad. An dem Samstag lädt er zusammen mit Patrick Schröder zur „Gegen den Zeitgeist“ betitelten Kundgebung nach Kloster Veßra ein. Musikalische Gäste sind „Killuminati“, manchmal auch je nach Besetzungsstärke als „Hermunduren“ aktiv, sowie „Unbeliebte Jungs“ aus dem Raum Sonneberg und Suhl, die auf ihrer Facebook-Seite Horst Wessel und Rudolf Heß huldigen und nach eigenen Angaben gerade einen neuen Tonträger fertig gestellt haben.
Überlebenstraining im Thüringer Wald
Eine Anlaufstelle für unzufriedene NPD-Mitglieder und auch Anhänger aus dem Spektrum der Neonazi-Partei „Die Rechte“ (DR) bietet im Raum Sonneberg/Neuhaus der Personenkreis um Bert Müller. Letzterer hatte sich zuletzt mit Führungskräften der DR überworfen, was ihn dann seinen Posten im Landesvorstand kostete. Bei dem Streit ging es um einen Spendentransport nach Wrocław (Breslau). Die Lieferung wurde inzwischen wohlwollend von Klaus Hoffmann, langjähriger NPD-Funktionär und Vorsitzender vom Freundschafts- und Hilfswerk Ost e.V. aus Bad Bevensen, zur Kenntnis genommen.
Müller lässt all die Aktivitäten unter dem Gruppennamen „Weltenbaum-Gemeinschaft“ (WBG) laufen, die ihre Ausrichtung als heidnisch-völkisch bezeichnet. Man legt Wert auf Struktur und Organisation, trifft sich regelmäßig zu Stammtischen. Dort stehen dann Schulungen, Vorträge und nationale Musikbeiträge oben an, mit dabei häufig auch Angehörige der antisemitischen „Europäischen Aktion“, oft in Person des thüringischen Gebietsleiters Axel Schlimper. Die WBG hatte Mitte Januar auf ihrer Facebook-Seite kurz nach Beginn ihrer öffentlichen Präsenz dort gepostet, man rüste sich zum Kampf und biete Überlebenstraining im Thüringer Wald an.
„1. Patriotischer Liederabend“ in Meiningen
Ein Zusammenschluss um Chris-D. Müller wiederum, der sich „Wir lieben Meiningen“ nennt und seit 2012, wenn auch nicht unter diesem Namen, sondern unter dem Projekt „Idealistischer Bote“ rund um die 21 000-Einwohner-Stadt aktiv ist, will ebenfalls von den erstaunlich freizügigen Möglichkeiten extrem rechter Musikkonzerte in Thüringen profitieren. Für den 10. September wird bereits zu nachmittäglicher Stunde erstmals zu einem so genannten „1. Patriotischen Liederabend“ eingeladen, der seit langem geplant ist. Und er soll offenbar Wiederholungen erfahren, würde man ihn doch sonst nicht als erste Auflage bezeichnen. Den Organisatoren scheint dafür eine bis dato noch nicht genutzte Location zur Verfügung zu stehen. Geheimnisvoll wird jedenfalls ein Vorab-Treffpunkt in der Nähe des Meininger Bahnhofs angezeigt. Auftreten sollen „FreilichFrei“ und „Wut aus Liebe“, hinter der sich Karin Mundt verbirgt.
Als Redner wird Patrick Weber (NPD) angekündigt, der bei der Veranstaltung aber auch als Betreiber des Germania-Versandes seinen Stand aufbauen darf und damit seinen geschäftlichen Interessen nachgehen kann. Bei von Weber organisierten Veranstaltungen war die Meininger Initiative in der Vergangenheit mehrfach mit einem Info-Stand vertreten. Für den Liederabend am 10. September sollten die Besucher gut bei Kasse sein, denn auch die rechten Szenegeschäfte „Support-Wear“ und „Amalek-Textilien“ des früheren NPD-Wahlkandidaten Matthias Kussin aus Kiel möchten dort ihre Artikel absetzen.