Jens Kaufmann
Rostocker Querdenken-Aktivist zu Geldstrafe verurteilt
Wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz wurde Jens Kaufmann, Organisator etlicher Querdenken-Demonstrationen und Bürgermeister-Kandidat in Rostock, zu einer Geldstrafe von 3.000 Euro verurteilt. Kaufmann versuchte, den Gerichtssaal als Bühne zu nutzen und dort den Rostocker Polizeichef unter Druck zu setzen.

Einen Tag vor Weihnachten verurteilte ein Richter am Amtsgericht Rostock Jens Kaufmann zu einer Geldstrafe in Höhe von 100 Tagessätzen à 30 Euro, insgesamt 3.000 Euro, da er gegen das Versammlungsgesetz verstoßen und Auflagen ignoriert oder nicht umgesetzt habe.
Insgesamt ging es in dem Prozess anfangs um drei Demonstrationen, später wurden die juristische Bewertung auf die beiden Versammlungen am 27. Dezember 2021 und 3. Januar 2022 reduziert. Es war die Zeit, in der Demos gegen die Corona-Maßnahmen teilweise massiv an Zulauf gewonnen hatten. Bis zu 10.000 Teilnehmende – laut Polizei – hätten sich am 20. Dezember in Rostock eingefunden, es war einer der größten Aufzüge im gesamten Land. Immerhin noch rund 6.500 Personen seien es am 27. Dezember vergangenen Jahres gewesen, etwa 4.000 dann Anfang Januar.
Teilnehmende ziehen unkontrolliert durch die Stadt
Es war aber auch die Zeit, zu der die Corona-Fallzahlen stiegen und es Einschränkungen gab, so galt auf den Versammlungen die Maskenpflicht sowie die Abstandsregelung. Auflagen, gegen die sowohl in Rostock als auch deutschlandweit immer wieder verstoßen wurde. Diese beiden Auflagen waren maßgeblich dafür verantwortlich, dass die in dem Zeitraum von Jens Kaufmann organisierten Demonstrationen teilweise chaotisch verliefen und Tausende Personen unkontrolliert durch die Stadt zogen.
Dies kam auch im Zuge des Prozesses gegen den früheren OB-Kandidaten mehrfach zur Sprache. So wurden mehrere Polizeibeamte als Zeugen geladen, darunter auch der Rostocker Polizeichef Achim Segebarth, der auch in die beiden Demonstrationen um die Jahreswende eingebunden war.
Dutzende Fragen an Polizisten
Während sowohl die Staatsanwaltschaft als auch Kaufmanns Verteidigung, Szene-Anwalt Ralf Ludwig, nur wenige bis keine Fragen an die meisten Zeugen hatten, machte Kaufmann von seinem Fragerecht ausgiebig Gebrauch. Etliche Minuten löcherte der 56-Jährige die damals in den Demoablauf eingebundenen Polizeibeamten mit Fragen – eine Position, die dem Angeklagten sichtlich gefiel. Und so musste der Richter etliche Male eingreifen: „Die Frage lasse ich nicht zu“, hieß es ein ums andere Mal, vor allem, wenn es um eine rechtliche Fragen an die Beamten ging.
In dem Zusammenhang reagierte eine Sympathisantin Kaufmanns mehrfach mit Zwischenrufen, bevor der Richter sie des Saales verwies. „Das ist Deligitimierung des Staates“, lautete daraufhin der Zwischenruf von Ralf Ludwig. Zuvor hatte der bereits einen Befangenheitsantrag gegen den Richter gestellt. Hintergrund war, dass der Verteidiger beantragt hatte, dass ein Mitarbeiter der Versammlungsbehörde seine Maske im Zeugenstand abzunehmen habe, da er dessen Gesicht sehen wolle. Der Richter überließ die Entscheidung mit dem Zeugen.
Polizeiketten
Zwischenzeitlich schaukelte sich die Stimmung merklich hoch, vor allem während der Fragen an den Polizeichef Achim Segebarth. Auf eine seiner Antworten erwiderte Kaufmann: „Das ist Bullshit“ und später an den Richter gewandt: „Wer sind Sie denn, sowas zu entscheiden.“
Sowohl der Polizeichef als auch die anderen Beamten berichteten von unkontrollierten Abläufen während der Demonstrationen. So hätten sich teilweise bis zu 2.000 Personen eigenständig in Bewegung gesetzt. Rund 50 vermummte Personen, die die Polizei vor allem der Hooligan-Szene zuordnete, hätten versucht, Polizeiketten zu durchbrechen. Mehrfach musste so Reizgas eingesetzt werden. Auch rechtsextreme Kleingruppen hätten „versammlungsleitend eingreifen“ wollen, so eine Zeugin.
Das „letzte“ Wort
Die Staatsanwaltschaft forderte in ihrem Plädoyer schließlich 40 Tagessätze à 20 Euro, Kaufmann habe Verstöße gegen Auflagen billigend in Kauf genommen. Ralf Ludwig sah dies erwartungsgemäß anders, wollte keinen Verstoß gegen die Auflagen erkennen und forderte somit einen Freispruch.
Dann begann die große Show des Angeklagten, der Richter verwies Kaufmann auf das Recht des letzten Wortes. Und das wollte sich dieser nicht nehmen lassen: Erneut verstieg sich Kaufmann in ausgiebigen Erörterungen über seine Auslegung der Auflagen – in der späteren Urteilsbegründung gab der Richter Kaufmann den Hinweis „Sie monologisieren unentwegt“ mit auf den Weg. Nach etwa 15 Minuten musste das letzte Wort des Angeklagten aus Zeitgründen unterbrochen und auf den nächsten Verhandlungstag verlegt werden.
„Scheißstaat“
Am heutigen Vorweihnachtstag erschien Kaufmann dann zwar ohne seinen Verteidiger, jedoch mit einem ganzen Stapel an Papier – und führte für eine weitere Dreiviertelstunde seine Sicht auf den angeblichen Nicht-Verstoß gegen die Auflagen aus. „Das wird jetzt wichtig“, so Kaufmann mehrfach und blickte dabei jeweils den Richter an, den er später als „sogenannten unabhängigen Richter“ bezeichnen würde.
Das Gericht ging in der anschließenden Strafzumessung mit 100 Tagessätzen zu je 30 Euro – der Angeklagte verfüge derzeit über keinerlei Einkommen – nochmal recht deutlich über die Forderung der Staatsanwaltschaft hinaus. Eine Anhängerin Kaufmanns stand daraufhin auf und verließ den Gerichtssaal vorzeitig, nicht jedoch ohne das Urteil mit „Scheißgericht“ und „Scheißstaat“ zu kommentieren.
„Gänzlich unkooperativ“
Kaufmann hätte die Auflagen nicht umgesetzt, heißt es in der Urteilsbegründung, es seien keine Bemühungen erkannt worden auf eine Zusammenarbeit mit der Versammlungsbehörde oder der Polizei, mit der er regelmäßig ein Katz- und Mausspiel provoziert hätte. Der frühere Oberbürgermeister-Kandidat sei „völlig unzuverlässig“ und „gänzlich unkooperativ“.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig – und wird es vermutlich auch nicht. Mehrfach sprachen Kaufmann und Ludwig im Zuge der Verhandlung von einer möglichen nächsten Instanz. Die Verfahrensbeteiligten kannten sich bereits von einem Prozess im Mai: Rechtsanwalt Ludwig stritt sich vehement mit dem Richter und wollte partout keine Maske tragen. Kaufmann sprach daraufhin von einem Herzkasper, zwei Rettungsfahrzeuge rückten an. Auch die Verurteilung zu einer Geldstrafe ist noch nicht abgeschlossen.