Rostock: Neonazi-Gruppe "Aktionsblog" verboten

Einer der aktivsten Kameradschaften des Bundeslandes, der „Aktionsblog“, die früher als „Nationale Sozialisten Rostock“ auftraten, wurde heute verboten. Die Untergruppe „Baltik Korps“ war deutschlandweit in der Neonazi-Szene vernetzt – zuletzt wurde sich vermehrt auf den Straßenkampf vorbereitet.

Donnerstag, 24. Juni 2021
Redaktion
Mitglieder der Kampfsport-Gruppe "Baltik Korps", die ebenfalls vom Verbot betroffen ist. Foto: Screenshot
Mitglieder der Kampfsport-Gruppe "Baltik Korps", die ebenfalls vom Verbot betroffen ist. Foto: Screenshot

Rund 50 Polizeibeamte würden seit den frühen Morgenstunden die Wohnungen von vier Mitgliedern der Kameradschaft „Nationale Sozialisten Rostock“ durchsuchen, heißt es seitens des Innenministeriums Mecklenburg-Vorpommern. Nicht nur in Rostock, auch in Güstrow und im Raum Wismar sei es zu Razzien gekommen.

Die Gruppe würde sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung richten. „Wir haben alle Möglichkeiten des Rechtsstaates voll ausgeschöpft, um den Umtrieben dieser Kameradschaft ein Ende zu setzen“, so Innenminister Torsten Renz.

„Leibeszucht“ und Alkoholverbot

Seit 2008 habe der Verfassungsschutz die Kameradschaft, die seinerzeit noch den „Autonomen Nationalisten“ zugerechnet wurde, auf dem Schirm. Unter dem Namen „Nationale Sozialisten Rostock“ war die Gruppierung anfangs eng mit NPD bzw. deren Jugendorganisation verbandelt. Auch der spätere Vorsitzende der Identitären Bewegung, Daniel Fiß, war seinerzeit in den Strukturen aktiv.
Mitglieder der Gruppierung auf einer Neonazi-Demo 2011, damals noch unter dem Namen NSR. In den darauffolgenden Jahren erfolgte schließlich der Namenswechsel hin zum „Aktionsblog“, seit 2019 wurde dann zudem das Label „Baltik Korps“ eingeführt. Eine Kampfsport-Abteilung, die sich fortan vor allem dem Thema „Leibeszucht“ widmen wollte. Die Gruppe warb für eine Straight-Edge-Lebensweise: „Stärke deinen Körper durch lebendige Nahrung, in Form von rohen Obst, rohen Salaten und Gemüse“, lautete einer der etwas verqueren Grundsätze. Und weiter: „Meide Kippen, Alkohol und andere Drogen.“ Anleihen an die NS-Ideologie werden dennoch deutlich: „Nur ein Volk, das rein und gesund ist, kann leben, hat eine Berechtigung weiter zu leben, hat das Recht, Kinder, gesunde Kinder, in die Welt zu setzen!“

Bundesweite Vernetzung

Die Hausdurchsuchungen bei verhältnismäßig wenigen Personen deuten auf einen relativ kleinen Führungszirkel hin, bei den konspirativ veranstalteten Kampfsport-Trainings konnten jedoch ein bis zwei Dutzend Anhänger mobilisiert werden. So wurde beispielsweise für ein „offenes Training“ in Güstrow geworben, auch im Thinghaus, einem der wichtigsten Szene-Treffpunkte, fand ein Training statt. Ein Kampfsportseminar, an dem auch Mitglieder der nun verbotenen Gruppe teilnahmen, fand unter Leitung des russischen Neonazi-Kämpfers Denis Kapustin statt. David M., Kevin K. und weitere Mitglieder der nun verbotenen Kameradschaft "Aktionsblog" auf einer Demonstration in Stralsund. Als Kopf der vor allem in Rostock und Umland aktiven „Baltik Korps“ gilt der mittlerweile in Güstrow wohnhafte David M., der bereits seit seiner Jugend im Bereich Kampfsport aktiv ist und die Vernetzung in ähnliche Strukturen im Bundesgebiet maßgeblich mit vorantrieb. So nahm M. unter anderem am neonazistischen „Kampf der Nibelungen“ in Ostritz teil, enge Kontakte bestehen auch zum Organisator des Events, Alexander Deptolla.

Ausbildung in Boxvereinen

Trotz zahlreicher Kontakte in das gewalttätige Neonazi-Milieu durfte M. in der Boxabteilung eines Güstrower Sportvereins

als Trainer tätig sein und unterrichtete für einige Monate auch Jugendliche. Später fand der Kampfsportler eine Anstellung bei der Tourismuszentrale in seinem Wohnort, auch dort tut man sich schwer, ihn wieder loszuwerden. Ein weiteres Mitglied der Neonazi-Kampfsport-Gruppe durfte Ende 2019 gar bei der Rostocker Fight Night teilnehmen. Nicht die einzigen beiden Neonazis aus dem Raum Rostock, die sich gezielt in Boxvereinen ausbilden lassen und dort ihre politischen Aktivitäten verbergen.

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