Rocker mit brauner Gesinnung

Rechtsextremer Transportunternehmer wegen Landfriedensbruch verurteilt – im Gerichtssaal waren auch Anhänger des MC Gremium aus Stade.

Donnerstag, 17. März 2011
Andreas Speit

Ist er ein Rocker? Ist er ein Rechter? Im Landgericht Stade ließ Sebastian Stöber keine Zweifel aufkommen. Am 16. März musste er sich in der Berufungsverhandlung wegen Landfriedensbruch und Körperverletzung verantworten. Im feinsten Chic des MC „Gremium Germany“ war er erschienen. Auf seiner Weste prangte das Logo des Rockerclubs und „V-Präsident“. An den Ärmeln seines Shirts stand „North Gang“ und „Black Seven“. In dem niedersächsischen Gericht wurde es an dem Tag aber deutlich: Er gehört zu beiden Szenen. Sprach er doch vom Weiterbestand des Deutschen Reiches und meinte „wir Nazis“, würden als „böse“ dargestellt.

Der Saal 109 des Landgerichtes konnte am Mittwoch nur nach scharfen Sicherheitskontrollen betreten werden. Die Polizei hatte den Vorsitzenden Richter der 3. Kleinen Strafkammer zu der Maßnahme geraten. Im Publikum waren denn außer Journalisten und Polizei auch Anhänger des MC Gremium aus Stade. Gleich nach der Verfahrenseröffnung kommentierten die Herren und eine Dame Dialoge zwischen dem Richter und ihres Kumpels lautstark. Wollten später wissen, ob die Beamten bewaffnet seien, „wegen der Waffengleichheit“. „Wir sind hier nicht bei RTL“, musste der Richter sagen und drohte rechtliche Maßnahme an. Die Rocker nahmen es gelassen, wurden etwas ruhiger.

Seit 1949 ein illegitimes BRD-Konstrukt

Ganz gelassen gab sich auch der Angeklagte. Ohne rechtlichen Beistand war der 34-Jährige gekommen. Viele Jahre wirkte der Transportunternehmer hier in der Region zwischen Stade und Tostedt in der rechtsextremen Szene mit. Er kandidierte für die NPD, führte die „Nationalen Sozialisten Tostedt“ an, richtete Rechtsrock-Konzerte aus und verantwortet die Szene-Modemarke „Gladiator Germania“.

Wer im Gericht glaubte, Stöber mit seinem sehr kurzen Haarmittestrich wäre nur dumm und gewalttätig, durfte sich wundern. Der Rocker und Rechtsextremist mit Abitur und abgebrochenem Politik- und Soziologie-Studium konnte sich sehr geschickt selbst verteidigen. Wortgewandt überraschte er das Gericht bei der Eröffnung mit einer Erklärung, getreu der Reichsidee die Legitimität der Judikative, Exekutive und Legislative nicht anzuerkennen. Kein neuer Gedanke in der rechten Szene. Doch der Angeklagte blieb in der Argumentation, dass seit 1949 bloß ein illegitimes BRD-Konstrukt bestünde, stringent. Sehr zum Amüsement seiner Club-Freunde.

Alleine aus „politischen Motiven“ verurteilt

Das Gericht konnte Stöbers immer wieder angeführte Argumentation kaum stoppen. Nach einem von Stöber erwirkten Beschluss stellte das Gericht seine Zuständigkeit aber fest. „Skurril“, meinte ein Journalist. Der Vorsitzende Richter bot Stöber gar an, sich mit dieser Frage an die nächst höhere Instanz zu wenden. „Ach, sie glauben selbst nicht an sich“, konterte der Angeklagte. Dass er selbst das Gericht wegen einer Entscheidung des Amtsgericht Tostedt anrief, ließ er lässig stehen. Denn eines war für ihn völlig klar: Er sei unschuldig, alleine aus „politischen Motiven“ wurde er angeklagt und verurteilt.

Am Pfingstmontag 2010 will er in Tostedt vor dem rechten Szeneladen „Streetwear Tostedt“ keine Straftat verübt haben. An jenem Tag protestierten an die 80 Demonstranten gegen den von Stefan Silar betriebenen Laden – einem alten Freund von Stöber. Aus Sorge vor dem gegnerischen Protest hatte Silar ihn und rund 20 weitere Kameraden herbeitelefoniert. Auch die Polizei rief Silar an, der wegen dem Geschehen in einem anderen Verfahren in erster Instanz zu einer Haftstrafe verurteilt wurde. Steine und Flaschen flogen. Eine Polizeisperre versuchten die Rechten zu durchbrechen. „Von Zehn zählten sie runter, um dann los zu stürmen“, erinnerte sich eine Polizistin. Im Gerichtssaal sagte sie weiter aus, dass sich Stöber äußerst aggressiv und provozierend erhalten hätte. „Wir erledigen das selber“, soll er der Polizei gesagt haben. Die Beamtin erklärte: „Herr Stöber war ein Rädelsführer“, der die anderen Rechten anheizte. Selbst, dass ein Polizeihund ihn in die Schulter gebissen hatte, bremste ihn kaum.

In Mitteldeutschland geboren

Zu der Zeit der Geschehnisse hatte Stöber schon Kontakte zu den Rockern. Im Juni 2010 erwarb er für MC Gremium nahe Stade den alten Gaststättenkomplex „Zur Symphonie“ für 115 000 Euro. Vor Gericht schimpfte er, dass das gesamte Gebäude nicht genutzt werden dürfte. „Aus baurechtlichen Gründen“, wie er verächtlich sagte. Er deutete an, dass „auch das politisch motiviert“ sei.

Dies unterstellte er auch der Polizistin. Deren Aussagen verdrehend versuchte Stöber, die Beamtin in widersprüchliche Darstellungen zu verstricken. Die erkannte das aber. Blieb bei ihrer klaren Schilderung, sagte auch, das sie von der Körperverletzung, die Stöber verübt haben sollte, nichts bemerkte habe. Sie hätte nur wahrgenommen, dass Stöber einen Mann laut bedrohte. Der Betroffene, ein ehemaliger Jugendpfleger, der sich anschauen wollte „was da so los ist“, sagte, nicht einschätzen zu können, ob der Angeklagte oder die Beamtin ihn leicht verletzt habe. Stöber, so der Betroffene vor Gericht, hätte sich vor ihm aufgebaut, geschubst und geraunt: „Schon mal ein Messer im Bauch gespürt“. Die Beamtin trennte die beiden Männer „robust“. „Dieses Einschreiten half mir“, sagte der ehemalige Jugendpfleger.

Im Saal 109 forderte Stöber, der betonte, nicht in Ost- sondern in Mitteldeutschland geboren zu seien, Freispruch von allen Anklagepunkten. Das Gericht folgte dem nicht. Wegen Landfriedensbruch verhängte es eine Geldstrafe von 1125 Euro. Mit der Entscheidung halbierte das Landgericht das Strafmaß des Amtsgerichts.

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