„Rettung der Nation“ unter dem Deckmantel rechtsextremer Parteien
So unterstützte die von Aleksandr Ivanov-Sucharevskij seit 1994 angeführte, etwa 700 Angehörige umfassende, in 38 Regionen Russlands verbürgerlichte Völkische Nationale Partei (NNP) die Herausgabe und Bekanntmachung des von dem Neonazi mit dem Spitznamen Salazar im Jahr 2000 geschriebenen Skinhead-Manifests „Die Fibel slawischer Kahlgeschorener“ (ASB).2) Die populistische, an aggressive Emotionen der anvisierten Zielgruppe appellierende Publikation beinhaltet Themen wie Ideologie, Ziele, Verhaltensvorschriften, Kommunikationsregeln sowie „Methoden des Widerstands gegen Fremdländer“ und bietet eine allgemeingültige Definition des Skinhead-Daseins:
Ein Skinhead zu sein ist schwer, aber ehrenhaft. Kahlköpfige sind Soldaten ihrer Rasse und Nation – weiße Krieger. […] Ein Rassist zu sein ist äußerst ehrenhaft. Rassist – das ist ein Mensch, der seine Rasse liebt und auf sie stolz ist, was er nicht von anderen verheimlicht. […] Ein wahrer Kahlköpfiger muss mit all seinen Handlungen der Verteidigung der Menschen, die zur weißen europäischen Rasse gehören, dienen. Russischer Kahlköpfiger muss in erster Linie die Menschen bewachen und verteidigen, welche die einheitliche slawische Brüderschaft RUSSLÄNDISCHER VÖLKER bilden – Russen, Ukrainer und Weißrussen.3)
Bevor die NNP ihre Unterstützung zusicherte und den Text in ihrer Zeitung „Ich bin ein Russe“ abdruckte, erreichte die „Fibel“ in einer relativ geringen Auflage von 400 Exemplaren zunächst nur in Moskau sowie dessen unmittelbaren Umgebung ihre Leserschaft. An der Spitze der NNP, deren Struktur und Führungsstil dem Aufbau der deutschen NSDAP ähneln, stehen der als Sohn eines Veteranen des Großen Vaterländischen Kriegs 1950 geborene und in der DDR aufgewachsene Aleksandr Ivanov-Sucharevskij4) sowie bis 2003 sein für den Überfall auf einen dunkelhäutigen Wachmann der US-amerikanischen Botschaft populär gewordener Stellvertreter Semen Tokmakov. Als Tokmakov, der Gründer und Anführer der rechtsextremen Organisation „Russisches Ziel“, nach seiner Haftentlassung 1999 der Partei beitrat, folgten ihm viele Mitglieder dieser sich durch äußerst rabiates Verhalten gegenüber Ausländern geprägten Gruppierung.5)
Die NNP, der trotz mehrmaliger Bemühungen die offizielle Registrierung und somit die Zulassung zur Teilnahme an russländischen Parlamentswahlen verwehrt blieb, verfügt über eine eigene politische Doktrin – den „Russismus“, der vier Leitsätze impliziert:
„Nur die Vollkommenheit besitzt das Recht auf Macht“: Der Aufbau des Völkischen Nationalen Staats stützt sich auf den „aristokratischen Stände-Sozialismus“;
Das Etatismus-Prinzip: „Ein Blut – ein Staat“;
„Glaube spaltet – Blut schweißt zusammen“: Grundsätzlich gilt Säkularismus, der sich in der Distanzierung vom Christentum und Heidentum sowie der Missbilligung des Islams und Judentums äußert;
„Die Welt ist einheitlich. Es stellt sich lediglich die Frage, welche Rasse sie regieren wird“: Im Gegensatz zum klassischen, auf Isolation ausgerichteten Nationalismus lehnt der Russismus den Ethnozentrismus zu Gunsten der Konsolidierung weißer Völker im Rahmen des „weißen Internationalismus“ zur Schaffung eines „ausreichenden Lebensraums für den Weißen Menschen“ ab.6)
Als Pionierin unter den Parteien bezüglich der Zusammenarbeit mit der neonazistischen Skinhead-Szene in Russland gilt die von dem 1974 geborenen Konstantin Kasimovskij begründete und geleitete „Russische Nationale Sozialistische Partei“ (RNSP), die bis 1998 unter dem Namen „Russische Nationale Union“ (RNS) agierte und 2000 aufgrund der rapide schwindenden Mitgliederzahlen eine Umwandlung in die Bewegung „Russische Handlungweise“ erlebte.7) Das Hauptanliegen der überwiegend in Moskau präsenten RNSP besteht darin, auf der Basis der christlichen Orthodoxie anhand eines militanten russischen Nationalismus zur Erhaltung der weißen Rasse einen starken, sich der arischen Ordnung fügenden, sozialistischen Staat zu kreieren.8) Zur „Garantie reibungsloser Abläufe von Demonstrationen, Kundgebungen und Propagandaveranstaltungen“ unterhält die RNSP militarisierte Kampfeinheiten, deren Aufrechterhaltung ihren Multiplikatoren als unverzichtbar erscheint:
Die Militarisierung ist lebensnotwendig für jede politische Organisation, die eine absolute Opposition zum herrschenden Regime darstellt. Des Weiteren üben die Disziplin und der Edelmut des Militarismus einen wohltuenden Einfluss auf die Jugend aus, die in einer nicht zu verkennenden Größenordnung in der Partei vertreten ist. Schließlich gewährleistet die Militarisierung die bedingungslose, in üblen Extremsituationen erforderliche Verteidigung Russlands und dessen Verfassung mit der Waffe in der Hand.9)
Dem Fall der Völkischen Nationalen Partei gleichend, scheiterten auch die Bestrebungen der RNSP, deren personelle Zusammensetzung, wie die der NNP, hauptsächlich aus einigen Hunderten Minderjähriger bestand und lediglich in rund zehn Regionen figurierte, als behördlich registrierte Partei an landesweiten Wahlen der Russländischen Föderation zu partizipieren. Das für die Zulassung der Parteien zum allgemeinen Wahlprozedere autorisierte Justizministerium begründete die Ablehnung jedoch nicht mit dem verfassungsfeindlichen Duktus, der Verwendung hackenkreuzähnlicher Symbole der Bewerber oder dem Widerspruch zum Gesetz „Über die Verewigung der Erinnerung an der Großen Vaterländischen Krieg 1941-1945“ vom 19. Mai 1995, sondern mit formellen Fehlern und Nachlässigkeiten im Anmeldungsverfahren.10)
Fußnoten:
1)Semen ?arnyj: Sachverständiger des Moskauer Büro für Menschenrechte. Interview am 3.06.2008 in Moskau.
2) Tarasov, A.: Britogolovyje. Novaja profašistskaja molodežnaja subkul'tura b Rossii, in: Družba narodov 2 / 2000, S. 129 f.
3) Salazar: Azbuka slavjanskich britogolovych. [Fibel slawischer Kahlgeschorener]. Moskva 2000, S. 3f.
4) Ivanov-Sucharevskij, Aleksandr Kuz'mi?. Biografija. [Ivanov-Sucharevskij, Aleksandr Kuz'mi?. Biographie], in: Papp, Anatolij; Pribaltijskij, Vladimir; Verchovskij, Aleksandr / Hrsg.: Politi?eskij ekstremizm v Rossii. Moskva 2000, S. 156.
5) Vladimir Pribylovskij: Direktor des Forschungszentrums „Panorama“ und Leiter des Internetportals „Antikompromat“. Interview am 5.06.2008 in Moskau.
6) Vgl. hierzu Ivanov-Sucharevskij, A.: Tri isto?nika rusisma. [Drei Quellen des Russismus], URL: http://nnpr.su/stat/iv/triist.htm [10.03.2010]; Social'naja doktrina rusisma. [Soziale Doktrin des Russismus], URL: http://nnpr.su/stat/iv/soc.htm [10.03.2010];
7) Licha?ev: Nacism v Rossii. [Nazismus in Russland], S. 152 f.
8) Vgl. hierzu Elisejev, Aleksandr: Kakoj nacional-socializm nam nužen? [Welchen Nationalsozialismus brauchen wir?], in: Šturmovik 4 / 1996, S. 7 ff.; Kasimovskij, Konstantin: Voiny ideologii. [Krieger der Ideologie], in: Šturmovik 46 / 1997, S. 5 ff.
9) Šturmoviki RNSP. [Die Stürmer der RNSP], URL: http://www.nationalism.org/rnsp/bace.htm [12.02.2010].
10) Vladimir Pribylovskij: Direktor des Forschungszentrums „Panorama“ und Leiter des Internetportals „Antikompromat“. Interview am 5.06.2008 in Moskau.
Ein Skinhead zu sein ist schwer, aber ehrenhaft. Kahlköpfige sind Soldaten ihrer Rasse und Nation – weiße Krieger. […] Ein Rassist zu sein ist äußerst ehrenhaft. Rassist – das ist ein Mensch, der seine Rasse liebt und auf sie stolz ist, was er nicht von anderen verheimlicht. […] Ein wahrer Kahlköpfiger muss mit all seinen Handlungen der Verteidigung der Menschen, die zur weißen europäischen Rasse gehören, dienen. Russischer Kahlköpfiger muss in erster Linie die Menschen bewachen und verteidigen, welche die einheitliche slawische Brüderschaft RUSSLÄNDISCHER VÖLKER bilden – Russen, Ukrainer und Weißrussen.3)
Bevor die NNP ihre Unterstützung zusicherte und den Text in ihrer Zeitung „Ich bin ein Russe“ abdruckte, erreichte die „Fibel“ in einer relativ geringen Auflage von 400 Exemplaren zunächst nur in Moskau sowie dessen unmittelbaren Umgebung ihre Leserschaft. An der Spitze der NNP, deren Struktur und Führungsstil dem Aufbau der deutschen NSDAP ähneln, stehen der als Sohn eines Veteranen des Großen Vaterländischen Kriegs 1950 geborene und in der DDR aufgewachsene Aleksandr Ivanov-Sucharevskij4) sowie bis 2003 sein für den Überfall auf einen dunkelhäutigen Wachmann der US-amerikanischen Botschaft populär gewordener Stellvertreter Semen Tokmakov. Als Tokmakov, der Gründer und Anführer der rechtsextremen Organisation „Russisches Ziel“, nach seiner Haftentlassung 1999 der Partei beitrat, folgten ihm viele Mitglieder dieser sich durch äußerst rabiates Verhalten gegenüber Ausländern geprägten Gruppierung.5)
Die NNP, der trotz mehrmaliger Bemühungen die offizielle Registrierung und somit die Zulassung zur Teilnahme an russländischen Parlamentswahlen verwehrt blieb, verfügt über eine eigene politische Doktrin – den „Russismus“, der vier Leitsätze impliziert:
„Nur die Vollkommenheit besitzt das Recht auf Macht“: Der Aufbau des Völkischen Nationalen Staats stützt sich auf den „aristokratischen Stände-Sozialismus“;
Das Etatismus-Prinzip: „Ein Blut – ein Staat“;
„Glaube spaltet – Blut schweißt zusammen“: Grundsätzlich gilt Säkularismus, der sich in der Distanzierung vom Christentum und Heidentum sowie der Missbilligung des Islams und Judentums äußert;
„Die Welt ist einheitlich. Es stellt sich lediglich die Frage, welche Rasse sie regieren wird“: Im Gegensatz zum klassischen, auf Isolation ausgerichteten Nationalismus lehnt der Russismus den Ethnozentrismus zu Gunsten der Konsolidierung weißer Völker im Rahmen des „weißen Internationalismus“ zur Schaffung eines „ausreichenden Lebensraums für den Weißen Menschen“ ab.6)
Als Pionierin unter den Parteien bezüglich der Zusammenarbeit mit der neonazistischen Skinhead-Szene in Russland gilt die von dem 1974 geborenen Konstantin Kasimovskij begründete und geleitete „Russische Nationale Sozialistische Partei“ (RNSP), die bis 1998 unter dem Namen „Russische Nationale Union“ (RNS) agierte und 2000 aufgrund der rapide schwindenden Mitgliederzahlen eine Umwandlung in die Bewegung „Russische Handlungweise“ erlebte.7) Das Hauptanliegen der überwiegend in Moskau präsenten RNSP besteht darin, auf der Basis der christlichen Orthodoxie anhand eines militanten russischen Nationalismus zur Erhaltung der weißen Rasse einen starken, sich der arischen Ordnung fügenden, sozialistischen Staat zu kreieren.8) Zur „Garantie reibungsloser Abläufe von Demonstrationen, Kundgebungen und Propagandaveranstaltungen“ unterhält die RNSP militarisierte Kampfeinheiten, deren Aufrechterhaltung ihren Multiplikatoren als unverzichtbar erscheint:
Die Militarisierung ist lebensnotwendig für jede politische Organisation, die eine absolute Opposition zum herrschenden Regime darstellt. Des Weiteren üben die Disziplin und der Edelmut des Militarismus einen wohltuenden Einfluss auf die Jugend aus, die in einer nicht zu verkennenden Größenordnung in der Partei vertreten ist. Schließlich gewährleistet die Militarisierung die bedingungslose, in üblen Extremsituationen erforderliche Verteidigung Russlands und dessen Verfassung mit der Waffe in der Hand.9)
Dem Fall der Völkischen Nationalen Partei gleichend, scheiterten auch die Bestrebungen der RNSP, deren personelle Zusammensetzung, wie die der NNP, hauptsächlich aus einigen Hunderten Minderjähriger bestand und lediglich in rund zehn Regionen figurierte, als behördlich registrierte Partei an landesweiten Wahlen der Russländischen Föderation zu partizipieren. Das für die Zulassung der Parteien zum allgemeinen Wahlprozedere autorisierte Justizministerium begründete die Ablehnung jedoch nicht mit dem verfassungsfeindlichen Duktus, der Verwendung hackenkreuzähnlicher Symbole der Bewerber oder dem Widerspruch zum Gesetz „Über die Verewigung der Erinnerung an der Großen Vaterländischen Krieg 1941-1945“ vom 19. Mai 1995, sondern mit formellen Fehlern und Nachlässigkeiten im Anmeldungsverfahren.10)
Fußnoten:
1)Semen ?arnyj: Sachverständiger des Moskauer Büro für Menschenrechte. Interview am 3.06.2008 in Moskau.
2) Tarasov, A.: Britogolovyje. Novaja profašistskaja molodežnaja subkul'tura b Rossii, in: Družba narodov 2 / 2000, S. 129 f.
3) Salazar: Azbuka slavjanskich britogolovych. [Fibel slawischer Kahlgeschorener]. Moskva 2000, S. 3f.
4) Ivanov-Sucharevskij, Aleksandr Kuz'mi?. Biografija. [Ivanov-Sucharevskij, Aleksandr Kuz'mi?. Biographie], in: Papp, Anatolij; Pribaltijskij, Vladimir; Verchovskij, Aleksandr / Hrsg.: Politi?eskij ekstremizm v Rossii. Moskva 2000, S. 156.
5) Vladimir Pribylovskij: Direktor des Forschungszentrums „Panorama“ und Leiter des Internetportals „Antikompromat“. Interview am 5.06.2008 in Moskau.
6) Vgl. hierzu Ivanov-Sucharevskij, A.: Tri isto?nika rusisma. [Drei Quellen des Russismus], URL: http://nnpr.su/stat/iv/triist.htm [10.03.2010]; Social'naja doktrina rusisma. [Soziale Doktrin des Russismus], URL: http://nnpr.su/stat/iv/soc.htm [10.03.2010];
7) Licha?ev: Nacism v Rossii. [Nazismus in Russland], S. 152 f.
8) Vgl. hierzu Elisejev, Aleksandr: Kakoj nacional-socializm nam nužen? [Welchen Nationalsozialismus brauchen wir?], in: Šturmovik 4 / 1996, S. 7 ff.; Kasimovskij, Konstantin: Voiny ideologii. [Krieger der Ideologie], in: Šturmovik 46 / 1997, S. 5 ff.
9) Šturmoviki RNSP. [Die Stürmer der RNSP], URL: http://www.nationalism.org/rnsp/bace.htm [12.02.2010].
10) Vladimir Pribylovskij: Direktor des Forschungszentrums „Panorama“ und Leiter des Internetportals „Antikompromat“. Interview am 5.06.2008 in Moskau.