Mitglied der Werksfeuerwehr entlassen

„Reichsbürger“-Verhalten im Hochsicherheitsbereich der Forschung

Seit 2019 beschäftigten das Verwaltungsgericht Aachen Klagen dreier Männer, denen wegen „Reichsbürger“-Verhaltens im Forschungszentrum Jülich gekündigt worden war. Der letzte Prozess endete nun. Alle Klagen wurden abgewiesen.

Donnerstag, 14. April 2022
Michael Klarmann
Anhänger des Deutsches Reiches bei einer Versammlung in Berlin - Symbolbild
Anhänger des Deutsches Reiches bei einer Versammlung in Berlin - Symbolbild

Anders als bei den früheren Prozessen war bei der dritten Klage die Beweislage nicht so deutlich. Die mündliche Verhandlung in dem Fall fand am 29. März statt. Ähnlich wie zwei Mitarbeiter einer anderen Abteilung im Forschungszentrum Jülich war ein Feuerwehrmann der Werksfeuerwehr aufgefallen, weil er 2016 beim Kreis Düren den Staatsangehörigkeitsausweis beantragte. In der Manier von „Reichsbürgern“ machte er dabei Angaben, wonach er Bürger des „Bundesstaates Deutschland als Ganzes“ sei, berief sich auf das Staatsbürgerrecht von 1913, gab als Wohnort Preußen und als Herkunft „Preuße seit Geburt“ an.

Zudem war der Feuerwehrmann durch einen entsprechenden Eintrag bei Facebook aufgefallen und sprach mit Kollegen über die Ideologie von „Reichsbürgern“ respektive deren Ansichten über die „BRD GmbH“. Im Prozess beteuerte der Mann Ende März, er sei durch Medienberichte auf das Thema gestoßen und habe Kollegen nur davon erzählen und deren Meinung dazu hören wollen. Zu „Reichsbürger“-Theorien habe er bald festgestellt, dass sie „einer Überprüfung nicht standhalten“. Den „Gelben Schein“ habe er aus „Neugier“ beantragt. Herkunftsangaben erklärte er auch mit Vorfahren aus Ostpreußen.

Ein Verhalten wie ein „Reichsbürger“

Weil der Fall verzwickter als die beiden vorangegangenen war endete die mündliche Verhandlung zuerst noch ohne Entscheidung und mit Bedenkzeit für den Richter. Nun teilte die stellvertretende Pressesprecherin am Verwaltungsgericht, Anna-Lena Beckfeld, auf Anfrage mit, dass die Klage letztlich mit schriftlicher Begründung abgewiesen wurde. Die atomrechtliche Zuverlässigkeit und seinen Job habe der Feuerwehrmann zurecht eingebüßt. Der Kläger habe sich  seinerzeit „zumindest in wesentlichen Teilen“ die Ideologie der „Reichsbürger“-Bewegung „zu eigen gemacht“. Unabhängig davon, so die Pressesprecherin, habe er die Existenz und Legitimität der Bundes­republik nebst bestehender Rechtsordnung in Abrede gestellt.

Das Forschungszentrum Jülich im westlichen Rheinland ist eine weltweit bekannte und renommierte Einrichtung zur interdisziplinären Forschung in den Bereichen Energie, Information und Bioökonomie. Es verfügt über umfassende Forschungsinfrastrukturen und unterhält immense Kapazitäten zur Datenverarbeitung in Form von Supercomputern. „Reichsbürger“ als Mitarbeiter wollen dazu nicht passen, zumal alle drei Kläger in Hochsicherheitsbereichen tätig waren.

Ein Staatsfeind im Hochsicherheitsbereich? 

Die Prozessserie begann im Oktober 2019, verzögerte sich dann jedoch durch die Corona-Pandemie. Seinerzeit hatte das Verwaltungsgericht Aachen die Kündigung eines Mitarbeiters im Hochsicherheitsbereich der ehemalige Kernforschungsanlage Jülich gerichtlich bestätigt, weil er sich wie ein „Reichsbürger“ verhalten hatte. Angestellt gewesen war der Kläger als Mitarbeiter der Jülicher Entsorgungsgesellschaft für Nuklearanlagen (JEN), die den Rückbau des Forschungsreaktor nebst atomarem Zwischenlager bewältigt.

Bis 2016 galt der Mann als zuverlässig, später allerdings kamen der JEN und dem zuständigen Ministerium Zweifel. Grund dafür waren Postings in den sozialen Netzwerken – die er teils während seiner Arbeit getätigt hatte – sowie zahlreiche Schreiben an Behörden und Ministerien zur Frage der Legitimität der Bundesrepublik. Postings und Briefe enthielten Inhalte und Argumentationsmuster aus der „Reichsbürger“-Bewegung. Auch dieser Mitarbeiter hatte beim Kreis Düren einen Staatsangehörigenausweis beantragt – als Angehöriger des „Königreich Preußen“.

Faszinosum „Reichsbürger“-Bewegung

Zwar bestritt der Kläger im Oktober 2019 vor Gericht, selbst „Reichsbürger“ zu sein, zugleich gab er indes zu, dass Infos von Webseiten aus jener Szene ihn fasziniert hätten. Nur um das zu überprüfen habe er Behörden und Ministerien angeschrieben und um Klärung seiner Fragen gebeten. Spätestens 2017 war er dann dem Verfassungsschutz aufgefallen, der den Arbeitgeber informierte. Es folgte zuerst der Entzug der atomrechtlichen Zuverlässigkeit, dann ein Wechsel auf einen anderen Posten und letztlich die Entlassung.

Das Verwaltungsgericht wertete diese 2019 als rechtens. Geklärt wurde gleichwohl nicht, ob der Mann überhaupt ein „Reichsbürger“ gewesen war. Schon weil er sich so verhalten habe sei er als Strahlenschutz- und Sicherheitsbeauftragter beim Rückbau des früheren Versuchsreaktors des Forschungszentrums nicht tragbar gewesen und seine letzte regelmäßig stattfindende Sicherheitsüberprüfung sei zurecht negativ beschieden worden.

Staatsangehörigkeitsausweis für die Liebe

Kam es im ersten Prozess zu einem Urteilsspruch, endete im Januar 2022 eine zweites Verfahren mit dem Einlenken des Klägers. Jener frühere JEN-Mitarbeiter, der als Schichtleiter, Strahlenschutz- und Brandschutzbeauftragter tätig war, hatte im November 2016 bei der Städteregion Aachen einen Staatsangehörigkeitsausweis beantragt. Er hatte auf dem Formular unter anderem als Geburts- und Wohnort „Königreich Preußen“ eingetragen und sich auf das „Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz in der Fassung von 1913“ berufen.

Ihm war im September 2019 nach einer neuerlichen Sicherheitsüberprüfung gekündigt worden. Der Kläger führte im Januar 2022 vor dem Verwaltungsgericht aus, den Staatsangehörigkeitsausweis habe er nur beantragt, weil er eine Auszeit nehmen und die Welt bereisen wollte. Hätte er dabei die Frau fürs Leben gefunden und sie im Ausland heiraten wollen, dann wäre er mit diesem Ausweis auf der sicheren Seite gewesen. Selbst sein Anwalt nannte diese Begründung „dämlich“. Gleichwohl, ergänzte der Jurist, stehe sein Mandant der Szene der „Reichsbürger“ nicht nahe und habe sich auch sonst nicht so verhalten.

Rückzug der Klage wegen „dämlicher“ Begründung

Der Richter am Verwaltungsgericht bewertete die Aussagen des Klägers jedoch als „Schutzbehauptungen“. Die Anforderungen in einem atomaren Sicherheitsbereichen seien hoch und schon der geringste Zweifel an der Zuverlässigkeit reiche aus, ihn betriebsintern zu versetzen oder ihm zu kündigen. Bei einem Streitwert von mehreren 10.000 Euro, berechnet nach dem Jahresgehalt, riet der Richter angesichts der zu erwartenden Gerichtskosten davon ab, die aussichtslose Klage aufrecht zu erhalten. Dem folgte der Kläger, das Verfahren endete daher ohne Urteil.

Was die drei Männer miteinander verbunden hat im Berufsleben, wurde in den Prozessen nur wenig aufgehellt. Zwei der drei arbeiteten als Kollegen zusammen, alle drei wurden nach Hinweisen durch den Verfassungsschutz auf deren „Reichsbürger“-Verhalten angehört und erhielten später wegen Sicherheitsbedenken die Kündigung. In zwei Fällen wurde diese 2019 ausgesprochen, in einem kam es schon früher zu einer betriebsinternen Versetzung, bevor letztlich auch die Kündigung erfolgte.

Juristisch untaugliche Erzählungen 

In keinem der Prozesse wurde erörtert, ob die Kläger wirklich als „Reichsbürger“ anzusehen gewesen seien. Für das Verwaltungsgericht waren die Kündigungen alleine schon daher korrekt, weil das Trio sich so verhalten habe wie Menschen, die die Bundesrepublik nicht anerkennen. Eine Klärung, ob sie der Szene angehörten, war daher formaljuristisch unnötig. Markant war indes, dass alle drei Männer zeitnah erstmals 2016 auffielen. Und dass alle kreativ-kuriose, vor Gericht aber untaugliche Erzählungen vortrugen, um ihr Verhalten zu erklären.
 

 

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