„Reichsbürger“ bei der AfD?
2013 trat Andreas Iloff in die AfD ein, ein Jahr später lud er im Namen eines geheimen, rechtsextremen Ordens zur Sonnenwendfeier. Die Organisation soll am Wohnort des AfD-Kreisvorsitzenden immer noch aktiv sein.
Warten auf Alexander Gauland. Andreas-Dieter Iloff, Kreisvorsitzender der AfD, wartet geduldig auf die Ankunft des Spitzenkandidaten seiner Partei. Stolz wird er Dr. Alexander Gauland im ländlichen Wahlkreis Diepholz in Niedersachsen begrüßen. Der 78-Jährige aus Brandenburg kommt verspätet und reist sofort nach seiner Rede in Brinkum wieder ab. Doch für Iloff und seinen Kreisverband bedeutet die Kurzvisite eine Aufwertung. Über 200 Zuhörer sind trotz starker Gegenproteste zum Treffpunkt in den Stuhrer Ortsteil Brinkum gekommen, viele kommen aus dem nahen Bremen. Iloff, AfD-Mann aus Kirchdorf bei Sulingen, ist seit März 2013 bei der rechtspopulistischen Partei. Er stieg schnell auf, ist heute Kreistagsmitglied.
Gauland-Gastgeber „Adrich“
Privat betreibt Iloff eine Schmiede, nennt sich „Der Aue-Schmied“ und zeigt sich gerne in starker Pose. Er scheint ein Verfechter von Männlichkeitsbildern, die an den Ästhetikwahn einer Leni Riefenstahl erinnern. Das Anwesen in Kirchdorf ziert eine hölzerne Irminsul, auf der Homepage der Schmiede ist einer seiner Mitarbeiter mit einem Thorshammer an der Kette zu sehen. Hinter den politischen Kulissen ist Iloff als „Adrich“ bekannt.
Der Gauland-Gastgeber bewegt sich zwischen AfD-Kreisvorsitz in Diepholz, dem Mandat als Kreistagsabgeordneter sowie einer weniger durchsichtigen Rolle im radikaleren Milieu. 2014 ist das Foto des Aue-Schmieds auf einer internen Einladung zu sehen. „Mit großer Freude“ lädt „Adrich“ als „Gemeinschaftssprecher“ am „18. Gilbhard 2014“ zur „Bundesversammlung“ einer Organisation ein, die in Vergessenheit geraten ist: Der „Deutsche Bund“. Diese Organisation glaubt an die Fortexistenz des Deutschen Reiches. Ist der Diepolzer AfD-Kreisvorsitzende ein „Reichsbürger“?
„Deutscher Bund“ taucht wieder in Niedersachsen auf
Der selbst ernannte Orden wurde am 22. Mai 1993 im bayrischen Bodenkirchen ins Leben gerufen, soll dort aber seit dem Tod des Gründers im Jahr 1997 nicht mehr aktiv sein. Letztmalig erwähnte das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz in München den „Deutschen Bund“ im Bericht 1999. Diesen Informationen zufolge soll er maßgeblich von Mitgliedern der rechtextremen „Deutschen Liga für Volk und Heimat“ (DLVH) gegründet worden sein. Es heißt, in der „Burgpost“ des „Bundes“ wurden „die Bundesrepublik Deutschland und ihre Vertreter verunglimpft, das NS-Regime verherrlicht, NS-Verbrechen relativiert und rassistisches Gedankengut vertreten“. 1997 warb der „Deutsche Bund“ in „Nation Europa“ und 1999 in der „Jungen Freiheit“ um neue Mitglieder.
Entsprechend den heutigen Erkennungsmerkmalen für „Reichsbürger“ würde der „Deutsche Bund“ dazu zählen, er hat sein Tun dem Wiederaufbau des Deutschen Reiches verschrieben. Er taucht dann wieder in Niedersachsen auf, 2013 und 2014 werden Veranstaltungen in Kirchdorf bekannt. Die „Bundesversammlung“, zu der geladen wird, befasst sich mit Themen wie „Russland, Putin und die Neue Weltordnung“. Dem niedersächsischen Verfassungsschutz scheint die Organisation nicht aufzufallen. Zivile Polizeibeamte waren bei mindestens einer Großveranstaltung von Iloff vor Ort in Kirchdorf.
Beim „Deutschen Bund“ geht es wohl ähnlich wie bei der rassistischen „Artgemeinschaft“ auch um die Pflege des Gemeinschaftslebens. In der Einladung von 2014 wird um „Tracht- und Zunftkleidung“ und „weiße Oberhemden/Bundesbinder“ für Bundesbrüder und Anwärter gebeten. Alles verläuft klandestin. „Kameras und Telefone verbleiben im Auto“. Ausdrücklich wird darauf hingewiesen: „Es werden auch keine Schriften verteilt oder ausgelegt“.
Ehemaliges HDJ-Mitglied bei Wintersonnenwende
Bereits Ende 2013 traf sich der „Bund“ zur Wintersonnenwende in Kirchdorf, mit dabei auch ein ehemaliges Mitglied der 2009 verbotenen „Heimattreuen Deutschen Jugend“ (HDJ). Im Juni 2014 fand ein großes Zeltlager wenige Hundertmeter von Iloffs Anwesen in einem Waldstück statt. Iloff selbst sicherte das Gelände mit Quad und Feldstecher. Unter den Anwesenden war auch ein früherer Kader des verbotenen „Nationalen Widerstands Dortmund“, der wie einige andere sein Zelt aufbaute. Andere junge Männer versuchten sich im Bogenschießen. Zwei Zivilbeamte waren vor Ort, sprachen mit dem Veranstalter.
„Adrichs“ Einladung zur Wintersonnenwende des Bundes 2014 ist mit Symbolen versehen, unter anderem ähnelt das aufgeführte „Dreieck des Volkstodes“ einem sechseckigen Davidstern. Auch ein achtarmiges Hakenkreuz ist abgebildet. Unter dem Titel „Eine Erinnerung in Ernsthaftigkeit“ wird in der Einladung auch von „verordneter, geschichtlicher Kollektivschuld“ und einer angeblichen „Folge von Zukunftsverweigerung“ geschrieben. Unterstellt wird ein systematisch geplantes Verbrechen am deutschen Volk. Man benutzt auffälligerweise den Begriff des „induzierten Irresein“, diesen Ausdruck schrieb Holocaust-Leugner Horst Mahler in einem Brief 2012 dem Gesinnungskameraden Rigolf Hennig zu. Gemeint ist ein „nationaler Selbsthass“. Propagiert wird der Untergang „unserer Deutschen Nation – wenn wir nicht widerstehen“. Die Wintersonnenwende sollte mit einer Feier ab 21.00 Uhr beginnen und laut Einladung mit dem „Mitternachtsschrei“ um 0.00 Uhr enden.
Teilnehmer bei HoGeSa-Kundgebung in Hannover
Der mutmaßliche Chatroom des „Deutschen Bundes“, „Die Tafelrunde“ war 2016 noch online. Als Administrator der Webdomains „deutscher-bund.info“ und „tafelrunde.deutscher-bund.info“ ist der Kirchdorfer Iloff verzeichnet. Bereits ein Jahr zuvor, am 21. Dezember 2013, hatten sich Angehörige des „Bundes“ auf dem Auehof zur Wintersonnenwendfeier getroffen. In dem Jahr wurde „Adrich“ Iloff nach eigenen Angaben Mitglied der AfD.
Die Partei scheint es nicht zu stören, dass Iloff 2014 an einer Großkundgebung der gewaltbereiten „Hooligans gegen Salafisten“ (HoGeSa) in Hannover teilnahm. Dort unterhielt Iloff sich mit dem ehemaligen HDJ-Aktivisten Christian Fischer aus Vechta und einem der Repräsentanten der neonazistischen „Trauermärsche“ in Bad Nenndorf, der auch mit der äußerst militanten Neonazi-Partei „Der III. Weg“ in Verbindung steht. Bereits 2011 war der Hufschmied aus Kirchdorf bei einem konspirativen Treffen von Rechtsextremisten auf dem Anwesen des Neonazi-Anführers Thorsten Heise im thüringischen Fretterode dabei.
Dem niedersächsischen Verfassungsschutz ist Iloff seit Ende der 1990er Jahre im Zusammenhang mit dem „Freundeskreis Deutschland e.V.“ bekannt. Deren Aktivitäten würden inzwischen „unter anderen Vorzeichen“ und „anderer Bezeichnung fortgesetzt“ heißt es vage auf eine Journalistenanfrage. Ob es sich dabei um den „Deutschen Bund“ handelt ist unklar. Ein Szene-Insider behauptet, der Bund sei „sehr lebhaft und zwar in Kirchdorf aktiv“. Er sammele demnach „fähige und zielbewusste Menschen deutscher Anstammung aus allen Bevölkerungskreisen“. Auf den Iloff-Einladungen von 2014 wird dasselbe Logo verwendet wie beim „Bund“ 1993. Unter dem Gründer Günther Leyk sollte bei offiziellen Anlässen allerdings noch ein Umhang getragen werden, jetzt geht es auch mit Bundesbinder und Zunftkleidung.
„Eine Form des sich bildenden Widerstandes“
Laut „Burgpost“ von 1998 erarbeitet dieser Orden eine „Jahrhundertstrategie“. Er ist antisemitisch ausgerichtet, umschreibt mit „Händlervolk“ und „Einewelt“ ein angebliches Streben des Judentums nach Macht. Der „Bund“ gibt vor, sehr auf den persönlichen, privaten Bereich seiner Ordensmitglieder fokussiert zu sein, bot aber zum Beispiel auch „Hilfe bei staatsmännischen Überlegungen und Entscheidungen“ an. Ebenso gab es in der Vergangenheit eigenen Angaben zufolge auch Bildungsseminare und Jugendarbeit.
2014 bezeichnet sich die Gruppe als „Schutzbund“. „Der Deutsche Bund ist eine Form des sich bildenden Widerstandes. Persönlich, vertraut und ernsthaft nach den alten Gesetzen der Gefolgschaftstreue, haben wir uns zusammengefunden, um gemeinsam das Lebensrecht unserer Kinder zu wahren“, schreibt „Adrich“. Der Orden sieht sich als „Graswurzelbewegung“ zur „Bewahrung der deutschen Eigenart!“