Rechtsrock-Veranstalter wird Schlossherr
Mitte der 1990er Jahre poste der Skinhead Oliver Malina noch für das Jugendmagazin „Bravo“. Jetzt erwarb er für 12 000 Euro ein Schloss.
Mit trotzigem Blick und zusammengekniffenen Lippen reckte der Glatzkopf den Stinkefinger in die Kamera. Er poste in schwarzer Bomberjacke für die Großaufnahme und prahlte gegenüber dem Reporter: „Wer mich anmacht, kriegt eins auf die Mütze“. So stand es in der „Bravo“ des Medienunternehmens Bauer aus München. Der damals 17-jährige Oliver Malina zählte später zur „Kameradschaft Salzgitter“ und danach als führender Kopf zur Organisation „Honour & Pride“, eine Neonazi-Truppe, die in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt aktiv ist. Mittlerweile ist Malina einer der bekanntesten Rechtsrock-Veranstalter der Szene, mit über Tausenden von Besuchern allein bei Veranstaltungen in Nienhagen in Sachsen-Anhalt.
Seinerzeit war er nur der Glaserlehrling Olli aus Salzgitter, der der „Bravo“ cool davon erzählte, seit seinem zwölften Lebensjahr Skinhead zu sein und sich demnächst vor Gericht verantworten müsse, weil er einen Punker mit einem Baseballschläger niedergeschlagen hatte. Höhnend machte er sich über das Jugendstrafgesetz lustig, das sei total lasch, ihn erwartete demnach wohl nur eine Geldstrafe und „wenn´s hochkommt“ ein paar Sozialstunden im Altersheim. „Olli“ schilderte weiter, er fahre meistens in den Osten nach Halberstadt oder Werningerode, weil es dort mehr Skins gäbe. Lästerte in der „Bravo“ über „Kanaken“ und „Mischlingskinder“. Berichtete freimütig über „Psychos“ (Gymnasiasten) und „Scheitels“, den organisierten Neonazis, auf die er „überhaupt keinen Bock“ hatte. Für den Fotografen steckte er sich eine Zigarette an und saß breitbeinig mit dem Reporter auf einer Mauer. „Ich bin gerne besoffen und grabbele gern Weiber an“, wird er im Text zitiert. Außerdem habe er viele Schlägereien hinter sich und eines sei ihm wichtig: zur weißen Rasse zu gehören.
Platz für Aufbau einer speziellen Erlebniswelt
Malina machte seine Drohung aus der „Bravo“ wahr und blieb Skinhead. Anscheinend sogar ein vermögender. Denn jetzt bezahlte der in dem Städtchen Nienhagen bei Halberstadt Ansässige überraschend die ausstehenden 12 000 Euro für das im Mai 2013 von ihm ersteigerte Schloss Groß Germersleben. Die Frist war am 28. Mai abgelaufen, ohne dass eine Zahlung einging. Erst im August holte der Käufer das nach. Alle Forderungen der Stadt Oschersleben, zu der Groß Germersleben gehört, seien erfüllt, sogar die Gerichtskosten wurden ausgeglichen, berichtet die „Volksstimme“. Die Kommune war zuvor in der Zwangsversteigerung als Gläubiger aufgetreten.
Damit gehört das 400 Jahre alte weiße Barockgebäude mit runden Türmchen, Balkonen und gelbem Anstrich dem eifrigen Konzertveranstalter der Neonazis aus dem rund 20 Kilometer entfernten Nienhagen. Von dem Schloss ist nach einem Brand 1999 nur noch die Fassade intakt. Doch immerhin gehört zur eindrucksvollen Ruine ein 48 000 Quadratmeter großes Areal. Viel Platz für den Aufbau einer ganz speziellen Erlebniswelt. Viele befürchten das, denn bereits kurz nach der Versteigerung hatte Malina versucht, ein Konzert in Groß Germersleben durchzuführen, musste es jedoch erneut in das ehemalige Lokal Hopfendarre in seinem Wohnort Nienhagen verlegen.
In dem Börde-Dorf Groß Germersleben ist der politische Hintergrund des Käufers ihres Schlosses längst bekannt. Doch viele Bewohner sind fassungslos, dass es dem Neonazi doch noch gelang, das nötige Geld aufzutreiben. Für den September 2013 war ein erneuter Versteigerungstermin anberaumt. Darauf ruhten Hoffnungen, die örtliche Bürgerinitiative plante laut Medienberichten mitzusteigern.
Kauf und Bezahlung mit großer Verzögerung
Sofort tagte in diesen Tagen die Bürgerinititative in Groß Germersleben, doch diesmal blieb der Raum beim Treffen halbleer. Dennoch wollen die Engagierten gegen Rechts vor Ort weiter machen, protestieren und Straßenfeste veranstalten. Doch nicht alle machen mit. Manche Anwohner sorgen sich eher um den Ruf ihrer Gemeinde und darum, dass ihre Grundstücke nichts mehr wert sein könnten, berichtete der MDR.
Kauf und Bezahlung mit großer Verzögerung durch Malina seien nicht anfechbar, heißt es nun offiziell. „Es ist deshalb rechtens, weil keine anderen Tatsachen geschaffen wurden. Sprich, es gab in der Zwischenzeit keine neuerliche Versteigerung oder Veräußerung an Dritte“, sagte ein Sprecher des Justizministeriums in Magdeburg. Bereits im Mai dieses Jahr hatten der Verein „Miteinander“ und Die Grünen dem Verfassungsschutz in Sachsen-Anhalt vorgeworfen, Hinweise zu dem Kauf nicht weitergegeben zu haben. Auch die Linksfraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt äußerte Unverständnis, warum das Landdesinnenministerium die Gemeinde vor der Zwangsversteigerung des Schlosses nicht gewarnt habe. Nun ist es zu spät.
Malina, die ehemalige glatzköpfige Plaudertasche aus der „Bravo“, kann über ein eigenes Grundstück mit denkmalgeschützter Immobilie verfügen. Erfahrungen mit einschlägigen Konzerten hat er seit etwa 2007, als er in Salzgitter-Lebenstedt im Kleingartenverein mit über 300 Gästen die „Blood&Honour“-nahe Band „Oidoxie“ aus Dortmund aufspielen ließ.