Rezension
Rechtspopulismus in Europa – ein Band nicht nur mit Parteienportraits
Ernst Hillebrand legt von dem Sammelband „Rechtspopulismus in Europa“ eine aktualisierte Version vor. Sie enthält nicht nur informative und kurze Parteienportraits, sondern auch Beiträge zu Gegenstrategien und Ursachenforschung.
Bereits seit Jahrzehnten lassen sich für rechtspopulistische Parteien erstaunliche Wahlerfolge konstatieren. Ebenso lange erscheinen einschlägige Bücher zum Thema, die für diese Entwicklung eine Erklärung vortragen wollen. Dabei kann aber schnell einmal für konkrete Fälle der inhaltliche Überblick verloren gehen. Abhilfe schafft hier die aktualisierte Ausgabe eines von Ernst Hillebrand, einem bei der Friedrich Ebert-Stiftung beschäftigten Politikwissenschaftlers, herausgegebenen Sammelbandes. Er hat 31 Autorinnen und Autoren erfolgreich motiviert, bei seinem Projekt mitzumachen.
Betitelt wurde das Ganze dabei mit „Rechtspopulismus in Europa. Der Einfluss rechter Parteien von Lissabon bis Bukarest“. Der Band setzt sich zwei unterschiedliche Ziele: Es soll für die Lesenden zum Thema ein kompakter Überblick gegeben werden. Die meisten Beiträge sind von daher auch nicht länger als zehn Druckseiten. Und dann sollte auch Erfahrungswissen kritisch geprüft werden. Dies erklärt die Aufnahme von dezidiert analytischen Texten.
Blicke auf Positionen, Strategien, Themen und Wähler
Die etwas länger geratene Einführung stammt von Hillebrand selbst. Er geht darin auf verschiedene Aspekte des Themas ein, etwa wenn drei Deutungsmuster aus der Forschung unterschieden werden. Auch macht der Autor dabei die Bedeutung von bestimmten Untersuchungskriterien anschaulich, sei es bezogen auf den öffentlichen Diskurs, sei es hinsichtlich der konkreten Wählerschaft. Dadurch erhalten Interessierte viel Reflexionsstoff, womit das komplexe Phänomen auch einer systematischen Untersuchung ausgesetzt werden kann. Die folgenden Parteienportraits halten sich nicht alle an derartige Vorgaben.
Ohnehin ist es bei einem Band mit unterschiedlichen Beiträgen schwer, eigenständige Autoren auf eine bestimmte inhaltliche Struktur festzulegen. Gleichwohl gehen die meisten Aufsätze auf Gesichtspunkte wie Positionen, Strategien, Themen und Wählerbasis ein. Dies geschieht jeweils auf engem Raum, insofern darf man nicht viel Tiefe erwarten. Gleichwohl werden wichtige Aspekte von den jeweiligen Autoren anschaulich präsentiert.
Anschauliche kurze Parteienportraits
Es geht dabei nicht nur um die bekannten Fälle, wie etwa für Frankreich den „Rassemblement National“ oder für Schweden um die „Sverigedemokraterna“. Auch die Entwicklung in Litauen, Polen oder Rumänien sind jeweils Thema. In Dänemark hat es etwa eine Polarisierung gegeben, was auch gesonderte Aufmerksamkeit für die dortige Situation motiviert. Bedauerlich ist das Fehlen von Norwegen, wo eine Partei mit relativ großer Wählerzustimmung agiert. Bezogen auf die vielen kleineren Portraits hätte man sich aber auch noch etwas mehr gewünscht, nämlich für den Schlussteil einen großen Vergleich.
Er könnte unterschiedliche Entstehungshintergründe wie Entwicklungswege veranschaulichen, womit für den gemeinten Parteityp das Profilbild noch deutlicher geworden wäre. Man erhält aber durch die jeweiligen Darstellungen, die jeweils um eine informative kurze Literaturliste ergänzt wurden, genügend Stoff für so etwas. Gerade die Kompaktheit des Sammelbandes erweist sich hierbei als besonderer Vorzug.
Beiträge zu analytischen Gesichtspunkten und diversen Strategien
Es gibt darüber hinaus noch Beiträge zu anderen Fragen, wobei es um politische Bewertungen und strategische Gegenoptionen geht. Hier werden ganz unterschiedliche Aspekte thematisiert, sei es das gegenüber den demokratischen Institutionen gesunkene Vertrauen, sei es die in Europa auszumachenden ökonomischen und räumlichen Hochburgen, sei es das hierzulande existente „Brandmauer“- und „Wehrhafte Demokratie“-Verständnis. Bei wieder anderen Aufsätzen geht es um das Europabild der Rechtspopulisten oder die in Ostmitteleuropa auszumachenden Spezifika.
Ein Beitrag wirft etwa einen gesonderten Blick auf die dänische Sozialdemokratie, habe diese doch durch deren Realismus den Rechtspopulisten das Wasser abgegraben. Man muss verständlicherweise nicht jede Auffassung teilen und kann immer wieder gesonderte Differenzierungen vornehmen, gleichwohl liefert der Sammelband wichtigen inhaltlichen Stoff. Er kann sowohl zur ersten Einführung dienen als auch den Kennern einiges perspektivisch bieten.
Ernst Hillebrand (Hrsg.), Rechtspopulismus in Europa. Der Einfluss rechter Parteien von Lissabon bis Bukarest, Bonn 2025 (J. H.W. Dietz-Verlag), 260 S., 20 Euro