„Rechtskampf“ um „Nationales Zentrum“
Der militanten braunen Szene in Dortmund weht ein deutlich schärferer Wind ins Gesicht – den Rechts-„Autonomen“ droht dazu der Verlust ihres Treffpunkts.
Neonazis haben für den 31. März eine Demonstration in Dortmund angemeldet – neben dem „Nationalen Antikriegstag“ Anfang September und einem zum 1. Mai geplanten Aufmarsch der dritte größere Aufmarsch der Szene in diesem Jahr in der Ruhrgebietsstadt. Ein Zeichen der Stärke ist dies aber nicht unbedingt.
„R135 bleibt“ soll das Motto der Demonstration sein. Es verweist auf ein ernstes Problem, das die Szene hat. „R135“ steht für die Rheinische Straße 135. Dort unterhalten die lokalen Rechts-„Autonomen“ ihren Treffpunkt. In dem Gebäude hatten Neonazis von 2003 bis 2005 ihren „Buy or Die“-Laden betrieben. Seit Mitte 2009 wurden die angemieteten Räume zum „Nationalen Zentrum“ umgebaut. Im früheren Ladenlokal im Erdgeschoss finden Feiern statt, Kameradschaftsabende sowie Schulungsveranstaltungen, unter anderem in Zusammenarbeit mit der NPD Unna/Hamm. In mehreren Wohnungen im Haus haben sich Neonazis eingemietet. Vermutet wird auch, dass ein Versand des rechts-„autonomen“ Spektrums zumindest einen Teil seines Geschäftsbetriebs aus jenem Gebäude heraus abwickelt.
Doch inzwischen hat die Stadt Dortmund das Haus gekauft. Sie will die unwillkommenen Mieter schleunigst loswerden, um in dem Haus einen Jugendtreff einzurichten. Zum 29. Februar wurde den Neonazi-Mietern gekündigt. Doch die haben erst einmal Widerspruch eingelegt und wollen vor Gericht ziehen, um „ihr“ Haus behalten zu können. Parallel zum „Rechtskampf“ betreiben die „Autonomen Nationalisten“ ihre Form der Öffentlichkeitsarbeit. Aufkleber werden an die Laternen gepappt, die ein martialisches Bild zeigen: Es zeigt Neonazis vor dem „Nationalen Zentrum“, maskiert, mit schwarz-weiß-roten Fahnen und Schilden bestückt, Knüppel schwenkend. „Ungemütliche“ Monate drohen die Neonazis den „volksfeindlichen Politikern“ der Stadt an.
Dortmunder „Autonome“ als bundesweite Vorbilder
Dabei ist der drohende Verlust ihres Rückzugsraums und Veranstaltungszentrums nicht das einzige Problem der Neonazis. Auch von der örtlichen Polizei weht ihr ein deutlich schärferer Wind ins Gesicht als in der Vergangenheit. Dortmunds neuer Polizeichef Norbert Wesseler hat ein energischeres Vorgehen gegenüber der Szene angekündigt. Unterstützt wird er vom Düsseldorfer Innenministerium, das dafür zusätzliches Personal bewilligt hat. Eine „Taskforce“ soll die Neonazis vor allem im Stadtteil Dorstfeld, wo sie sich besonders dreist gebärden, in ihre Schranken verweisen.
„Dortmund ist unsere Stadt“, hatten die Neonazis jahrelang als Parole ausgegeben. Dies war zwar extrem übertrieben, doch sie freuten sich, dass in der Ruhrgebietsmetropole Dinge möglich waren, wie in kaum einer anderen Stadt im Westen der Republik. Entsprechend entwickelte sich die Szene. Neonazis aus anderen Regionen zogen nach Dortmund. Die örtlichen „Köpfe“ der „Autonomen Nationalisten“ galten bundesweit als Vorbilder in ihren Kreisen. Das Neonazi-Spektrum in der 600.000-Einwohner-Stadt wuchs zum größten in NRW heran und mit ihm auch das kriminelle Potenzial. 1080 Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund wurden von 2005 bis 2010 in Dortmund registriert – so viele wie in keiner anderen nordrhein-westfälischen Stadt.
„Oidoxie“ demonstriert für „R135“
Diese Straftaten gehen nicht allein auf das Konto der örtlichen Rechts-„Autonomen“. Mit der „Skinhead-Front Dorstfeld“ agiert dort eine zweite Neonazi-Struktur, deren Verhalten und Optik eher an Neonazigruppen der 90er Jahre erinnert. Der Hang zur Gewalt gehört dazu. Aus ihren Reihen stammt Sven K. der wegen Totschlags einsaß, vorzeitig entlassen wurde, und sich derzeit wieder in Untersuchungshaft befindet.
Die Anführer der „Autonomen Nationalisten“ sind noch auf freiem Fuß. Zwei von ihnen müssen sich aber demnächst vor dem Amtsgericht verantworten. Ihnen wird die Rädelsführerschaft bei einem Angriff auf eine DGB-Demonstration am 1. Mai 2009 vorgeworfen. Drei Jahre hat es gebraucht, bis das Verfahren vor dem Amtsgericht eröffnet wurde. Erster Verhandlungstag ist am 27. April. Vier Tage später sollen Neonazis am 1. Mai durch die Stadt ziehen – auch eine Solidarisierung mit den angeklagten Anführern.
Am 31. März aber geht es erst einmal um die „R135“. Alte Differenzen sind zurückgestellt worden. Bei jener Demonstration soll auch die heimische Rechtsrock-Band „Oidoxie“ auf der Bühne stehen, mit deren Mitgliedern die Rechts-„Autonomen“ lange Zeit Konflikte ausgetragen hatten. Doch jetzt, da die Spielräume für die Szene insgesamt enger zu werden drohen, ist Zusammenhalt angesagt.