Rostock
Rechtsextremist im öffentlichen Dienst: Klage abgewiesen
Ein umtriebiger Rechtsextremist hatte eine Anstellung im öffentlichen Dienst bei der Stadt Rostock gefunden – kurz darauf wurde Kritik daran öffentlich, vor allem aufgrund seiner Kontakte ins rechte Milieu. Die Hansestadt reagierte mit einer Kündigung, Marcel P. wehrte sich vor dem Arbeitsgericht, doch die Klage wurde heute nun abgewiesen. Auch gegen Google geht der Mann parallel vor.
„Aus unserer Sicht ist die Beschäftigung von Marcel P. im öffentlichen Dienst nicht vertretbar“, heißt es in einem Offenen Brief, den der Rostocker Verein „Bunt statt braun“ vergangenen Oktober dem stellvertretenden Bürgermeister zukommen ließ und so den Stein erst ins Rollen brachte. Der Mann sei „der gewaltbereiten Rostocker Naziszene zuzurechnen“, daher wäre die Anstellung „katastrophal“ für das Ansehen der Stadt.
Mit diesem Mitte Oktober veröffentlichen Schreiben macht der Verein auf die umstrittene Personalie aufmerksam und kritisierte deutlich die Einstellung von Marcel P., der sich erfolgreich auf eine leitende Position im Gesundheitsamt beworben hatte. Die Stadt reagierte: Zu Ende November wurde dem Rechtsextremisten gekündigt, doch der wehrte sich vor dem Rostocker Arbeitsgericht.
Zweite Kündigung wirksam
Das Gericht hat heute entschieden, dass einerseits die Kündigung der Stadt vom November rechtswidrig sei. Gleichzeitig wurde die Klage des Mannes abgewiesen, beide Parteien müssen zu gleichen Teilen die Kosten tragen. Hintergrund der auf den ersten Blick widersprüchlichen Entscheidungen ist, dass die Hansestadt eine zweite Kündigung ausgesprochen hat, die das Gericht wiederum für wirksam erklärte.
Mit der ersten Kündigung sei P. im Wesentlichen die Eignung abgesprochen worden, in dem Fall die von der Stadt genannten Zweifel an der notwendigen Verfassungstreue. Doch sie hätte nachweisen müssen, dass von P. eine erhöhte und nicht nur eine allgemeine Treuepflicht benötigt werde. Das sei ihr nicht gelungen, die vom Verfassungsschutz angeforderten Informationen seien zu allgemein gehalten. Die dann rein aus Formalien nachgeschobene und noch in der Probezeit erfolgte zweite Kündigung erkannte das Arbeitsgericht jedoch an.
Ordner auf Neonazi-„Trauermarsch“
Für den Verhandlungstag Ende April hatte das Arbeitsgericht Informationen des Verfassungsschutzes Mecklenburg-Vorpommern eingeholt, um die von der Stadt eingebrachten Zweifel an der Verfassungstreue von Marcel P. einzuordnen. Doch viele Angaben waren offenbar nicht nur zu allgemein gehalten, sondern lagen auch weit zurück. So sei der Rechtsextremist laut seinem Anwalt bereits vor 14 Jahren aus der rechten Bruderschaft „East Coast Brotherhood“ ausgestiegen, auch Besuche einer Sommersonnenwende und eines „Trauermarsches“ in Magdeburg würden bereits zehn Jahre zurückliegen.
Ohnehin sei P. seinem Anwalt zufolge ein „netter Kerl“, zudem könne man „mit gutem Gewissen“ an einem „Trauermarsch“ teilnehmen. „Weil man Ordner ist, will man was Gutes“, heißt es ergänzend. Nicht zehn, sondern gerade einmal drei Jahre liegt allerdings die Teilnahme des Rostockers am Dresdner „Trauermarsch“ zurück. Fotos zeigen ihn mit Ordnerbinde auf der Demo, seit etlichen Jahren eine der wichtigsten Veranstaltungen der rechtsextremen Szene. Direkt neben ihm ist Andreas Theißen zu sehen, NPD-Kader und früherer Mitarbeiter von Udo Pastörs. In dem Block, für den P. offenbar zuständig war, laufen weitere bekannte Neonazis mit, darunter Anhänger des mittlerweile verbotenen „Aktionsblog“ aus Rostock.
Google-Einträge sollen entfernt werden
P. ist Szenebeobachtern vor allem von seinen regelmäßigen Teilnahmen an Demonstrationen bekannt: Mehrfach lief er auf von Flügel-Anhängern organisierten AfD-Veranstaltungen mit und zeigte sich dort mit bekannten Rechtsextremen und Hooligans der Hansestadt. Die letzten Jahre schloss er sich dann den lokalen Querdenker-Demos an, geriet u.a. in eine Maßnahme der Polizei.
Linke Recherche-Portale liefern darüber hinaus etliche Hinweise auf Kontakte des Mannes in die rechte Szene, die Fälle sind gut dokumentiert. Wohl auch aus diesem Grund versucht P., entsprechende Einträge bei Google löschen zu lassen und klagt derzeit vor dem Landgericht Rostock auf Unterlassung und will die Entfernung mindestens eines Eintrages erreichen. Vertreten wird er dort von Dubravko Mandic, früherer AfD-Politiker und rechtskräftig wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilter Rechtsanwalt.
Konkret geht es in der Sache um zwei Verlinkungen in der Suchmaschine. Eine sei in der Zwischenzeit bereits entfernt worden, so dass nur noch ein Eintrag Gegenstand der Verhandlung war. Eine Vertreterin von Google berief sich auf ein öffentliches Interesse und sieht die Gefahr eines sogenannten Overblocking. Mandic hingegen sprach von gesellschaftlicher Verantwortung und sieht seinen Mandanten verfolgt. P. müsse selbst Inhalte online stellen, um „andere Sachen nach unten zu treiben.“ Eine ursprünglich für diesen Mittwoch vorgesehene Urteilsverkündung wurde wegen Krankheit auf kommende Woche verschoben.
Update 01.06.2023, 16:50 Uhr
Auch die zweite Klage des Rechtsextremen wurde abgewiesen. P. hätte „statt der Beklagten die für den Datenschutz Verantwortliche in Anspruch nehmen müssen“, so das Gericht. Eine unrechtmäßige Datenverarbeitung sei nicht festzustellen. Der Rechtsextreme hätte Informationen über falsche Informationen in dem Artikel weder im Vorfeld noch im Rechtsstreit „ausreichend vorgetragen.“ Die Berichterstattung liege „im öffentlichen Interesse“, heißt es abschließend in der Urteilsbegründung.