Junge Alternative
Rechtsextremismusruck bei der AfD-Jugend
Die unter dem Verdacht des Rechtsextremismus durch den Verfassungsschutz beobachtete „Junge Alternative“ führt nun mit Hannes Gnauck ein AfD-Politiker, den der MAD als Extremisten eingestuft hat.

Auf ihrem Bundesparteitag im thüringischen Apolda wählte die „Junge Alternative“ (JA) an diesem Wochenende den AfD-Bundestagsabgeordneten Hannes Gnauck zum neuen Bundesvorsitzenden der AfD-Jugendorganisation. Der 31-Jährige aus Brandenburg erhielt dabei 154 von 168 gültigen Stimmen. Gnauck ist ausgebildeter Fitnesskaufmann, war mehrere Jahre Zeitsoldat und nach eigenen Angaben im Afghanistan-Einsatz. Er wurde im vergangenen Jahr in den Bundestag gewählt und vertritt die AfD im Verteidigungsausschuss. Im Zuge dessen war bekannt geworden, dass der Militärische Abschirmdienst (MAD) der Bundeswehr Gnauck als „Extremisten“ eingestuft hat.
Die JA berichtete von dem Parteitag ausführlich über ihre Kanäle in den sozialen Medien. Den frisch gewählten Gnauck zitierte die JA dabei in einem Facebook-Posting mit den Worten: „Wenn ihr Führung wollt, dann bin ich euer Mann!“ Via Twitter teilte die JA zur Rede von Bundesparteichef Tino Chrupalla mit, dieser habe ausgeführt: „Der Schwung des neuen Parteivorstandes wird auch von der Jugend mitgenommen. Geschlossen in die Zukunft.“ Auf demselben Weg wies die JA auf die Rede des Landesvorsitzenden der AfD in Thüringen, Björn Höcke, hin. Der frühere Kopf des rechtsextremen „Flügels“ habe geschildert, die JA solle „mehr IB wagen und niemals JU werden.“
Mehr „Identitäre Bewegung“ statt Junge Union
Meint offenbar: Die Parteijugend, die künftig laut Chrupalla „geschlossen“ mit der Mutterpartei agieren sollte, solle der vom Verfassungsschutz als rechtsextrem angesehenen „Identitären Bewegung“ (IB) näher stehen, als der CDU-Jugend Junge Union (JU). Exemplarisch für Höckes Wunschdenken kann dabei auf Nils Hartwig aus Nordrhein-Westfalen verwiesen werden. In einem Porträt des umstrittenen Bundestagsabgeordneten Matthias Helferich nannte die „Rheinische Post“ den Dortmunder im Herbst 2021 einen „Brückenkopf“ zur IB in NRW. Konkret heißt es weiter, dass ein „enger Vertrauter“ Helferichs, nämlich Hartwig, „aus der rechtsextremen IB“ in die Partei gewechselt sei.
Seit längerem bekleidet Hartwig aus Unna Funktionen in Parteigliederungen, etwa als Vizechef der JA NRW. Auch der „Hellweger Anzeiger“ erinnerte im Herbst 2021 nach der Wahl Hartwigs zum Vizechef des AfD-Kreisverbandes Unna daran, er „kommt aus der rechtsextremen ‚Identitären Bewegung‘“. Hartwig wurde nun am Samstag in Apolda zu einem von drei Stellvertretern Gnaucks in den JA-Bundesvorstand gewählt. Die beiden anderen Vizechefs sind Sven Kachelmann, Chef der JA Bayern, und Tomasz Froelich. Froelich arbeitet als Referent für die in Teilen rechtsradikale bis rechtsextreme Fraktion Identität & Demokratie (I&D) im EU-Parlament. Dem zwölfköpfigen JA-Bundesvorstand gehört mit Anna Leisten, JA-Landeschefin in Brandenburg, nur eine Frau an.
Verdachtsfall Rechtsextremismus
Die JA ist laut aktuellstem Verfassungsschutzbericht schon seit Anfang 2019 „Beobachtungsobjekt (Verdachtsfall)“ in Sachen Rechtsextremismus. Der Inlandsgeheimdienst hat die JA also im Visier, kann unter bestimmten Voraussetzungen Kommunikation überwachen, Informanten anwerben oder andere nachrichtendienstliche Mittel anwenden, um zu überprüfen, ob sich ein Verdacht auf verfassungsfeindliche Bestrebungen bestätigt. Das Verwaltungsgericht Köln entschied vor wenigen Tagen in anderer Sache, dass der Verfassungsschutz auch die „Identitäre Bewegung“ weiterhin beobachten darf.
Gnauck, der neue JA-Bundeschef, wählt gerne radikalere Umschreibungen. Nach der AfD-Demonstration am 8. Oktober in Berlin veröffentlichte er bei Twitter Fotos des JA-Blocks, der Beobachter an eine aktionistische Kopie früherer IB-Blöcke auf rechtsextremen Versammlungen erinnerte. Gnauck, als Soldat im Rang des Oberfeldwebels, schrieb dazu: „Es ist unsere Zukunft, es ist unser Land und genau deswegen gehört uns auch die Straße! Protest und Parlament gehen Arm in Arm. […] Zieht euch warm an da oben, das war gerade nur der Anfang!“
Sportlicher Wachsoldaten im Mosaik
Bei Facebook publizierte Gnauck nach der Demonstration ein Foto von sich und Mitstreitern. Das vor dem Reichstagsgebäude aufgenommene Bild erinnerte optisch an ein Gruppenfoto von Kampfsportlern und Hooligans. Gnauck: „Und wir hängen liebend gerne mal den Anzug und die Krawatte in die Ecke, um mit euch sportlich […] unterwegs zu sein! Geführt wird schließlich immer von vorn und nicht aus dem warmen Büro!“ Via Twitter hatte die JA seine Wahl zum Bundeschef so kommentiert: „Ein schneidiger Unteroffizier für die Führung der patriotischen Jugend Deutschlands.“
Der „Spiegel“ berichtete nach der Wahl, als Abgeordneter „prahlt [Gnauck] regelmäßig damit, Teile seiner Diäten direkt dem neurechten Kampagnennetzwerk ‚Ein Prozent‘ oder dem ‚Filmkunstkollektiv‘ des Identitären Simon Kaupert zu spenden.“ Derlei würde zu dem auf dem Parteitag an diesem Wochenende zelebrierten Selbstbildnis der JA passen. Mehrere Protagonisten aus dem rechten bis rechtsextremen Raum – Initiativen, eine Modemarke, Medienprojekte und Zeitschriften – stellten dort aus. Die JA twitterte über die Aussteller: „Als Parteijugend des patriotischen Widerstands sind wir Teil eines größeren Mosaiks.“
Vorpolitische und parlamentarische Bewegung
Der Begriff „Mosaik-Rechte“ umschreibt ein informelles neurechtes, völkisches respektive „identitäres“ Netzwerk mit zahlreichen Protagonisten aus dem vorpolitischen und parlamentarischen Raum. Zurück geht der Begriff unter anderem auf einen Beitrag im Theorieorgan „Sezession“. Herausgegeben wird die Zeitschrift vom Verleger Götz Kubitschek. Das sachsen-anhaltische Landesamt für Verfassungsschutz stuft dessen „Institut für Staatspolitik“ seit 2019 als erwiesen rechtsextremistische Bestrebung ein.
Auf dem JA-Parteitag posierten Höcke und Kubitschek gemeinsam für ein Foto – genau vor einem Aufsteller des Antaios-Verlags, den Kubitschek betreibt. Das Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet auch diesen Kleinverlag, der in Sachsen-Anhalt angesiedelt ist. Ausschlaggebend für die Beobachtung solcher Verdachtsfälle sind, wie es im Behördendeutsch etwas sperrig heißt, „hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte“ für verfassungsfeindliche Bestrebungen.