IB-Umfeld

Rechtsextremes Vernetzungstreffen bei der Nürnberger AfD

Wieder trafen sich Funktionäre der AfD mit dem Umfeld der Identitären Bewegung, wieder ging es um das Thema Remigration. Der Ort des von der Jungen Alternative Bayern ausgerufenen „Strategietreffens“ sollte geheim bleiben. Es fand schließlich mitten in Nürnberg in den Räumen der AfD statt. Auch bei der Partei eigentlich in Ungnade gefallene Personen bekamen eine Bühne.

Donnerstag, 13. Juni 2024
Thomas Witzgall
Der umstrittene AfD-Landtagsabgeordnete Daniel Halemba war einer der angekündigten Referenten des Treffens
Der umstrittene AfD-Landtagsabgeordnete Daniel Halemba war einer der angekündigten Referenten des Treffens

Vergangenen Samstag trafen sich in den Räumen der Nürnberger AfD am Willy-Brandt-Platz etwa 30 Personen zu einem von der Jungen Alternative Bayern ausgerufenen „Strategietreffen“. Der Kreis der beworbenen Redner zeigte deutlich, wer sich hier austauschen und vernetzen sollte. Referieren sollten einerseits mit Benjamin Nolte und Daniel Halemba zwei amtierende Landtagsabgeordnete. Gegen letzteren wurde kürzlich Anklage wegen des Verdachts auf Volksverhetzung und Geldwäsche erhoben.

Strategische Abstimmung mit "Vorfeld"

Die zweite Gruppe bildeten Personen aus dem rechtsextremen Vorfeld. Mit Philipp Huemer war ein Kader der Identitären Bewegung Österreich geladen, der dort das Medienprojekt „Heimatkurier“ verantwortet. Mit Johannes Konstantin Poensgen und dem Youtuber „Der Schattenmacher“ wurden zwei weitere Medienschaffende eingeladen, die den Ideen und Konzepten der Neuen Rechten, der Identitären und des vor Kurzem formal aufgelösten „Instituts für Staatspolitik“ nahestehen. Poensgen trug etwa bei einer Demonstration 2023 der IB in Wien das Shirt von „Revolte Rheinland“, einer Nachfolgeorganisation der aufgelösten Regionalgruppe der IB Rheinland-Pfalz. Die Gruppe steht auf der Unvereinbarkeitsliste der AfD. Ob Huemer angereist war, ist unklar.
 

Johannes Konstantin Poensgen bei einer IB-Demo in Wien im Shirt von "Revolte Rheinland"
Johannes Konstantin Poensgen bei einer IB-Demo in Wien im Shirt von "Revolte Rheinland"

Ursprünglich sollte das Treffen in Greding stattfinden, dem Ort, an dem die bayerische AfD ihre Landesparteitage abhält. Wenige Tage vor Beginn wurde es schließlich ohne genauen Treffpunkt mit Nürnberg beworben. Der Neu-Ulmer Landtagsabgeordnete Franz Schmid, Vorsitzender der Jungen Alternative Bayern, wollte auf Nachfrage der Nürnberger Nachrichten den Tagungsort nicht nennen.

In der Tradition früherer Treffen

Spätestens seit den Enthüllungen rund um das Treffen in Potsdam, stehen Vernetzungstreffen von AfD und Identitärer Bewegung im Fokus der Öffentlichkeit. Bei der Tagung erläuterte der Kopf der Identitären Bewegung, Martin Sellner, einem ausgewählten Kreis an Personen mit Geld oder Einfluss seine Pläne, wie die seit über zehn Jahren propagierten Vertreibungspläne für Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit in die Tat umgesetzt werden könnten. Gemäß der Doktrin, Begriffe so zu wählen, dass sie für die Mitte der Bevölkerung noch halbswegs akzeptabel klingen, erhielten die Pläne zu ethnischen Säuberungen das Label „Remigration“, das ursprünglich eine ganz andere Bedeutung hatte.

Im November 2023 trafen sich im schwäbischen Dasing auf Einladung einer weiteren IB-Gruppe mit dem Namen „Reconquista21“ Aktivisten und AfD-Funktionäre mit Martin Sellner. Dabei waren mit Halemba und Franz Schmid wieder zwei Landtagsabgeordnete, Schmid im Shirt aus dem Shop der Identitären Bewegung.
 

Teilnehmer des Treffens sammeln sich vor dem Gebäude am Willy-Brandt-Platz
Teilnehmer des Treffens sammeln sich vor dem Gebäude am Willy-Brandt-Platz

Laut Beiträgen von Teilnehmern ging es bei dem Treffen auch wieder um das Thema Remigration. Nolte überschrieb seinen Vortrag mit diesem Schlagwort. Es sei „die Schicksalsfrage des Deutschen Volkes“. Schwer vorstellbar, dass es bei der Diktion allein um vollziehbar ausreisepflichtige Personen ohne Duldung ging und nicht um das generelle Gesicht der Mehrheitsbevölkerung. Nolte war eine der Ansprechpersonen des bayerischen Flügels, der sich laut Behörden über das verfassungswidrige ethnisch-homogene Volksverständnis definierte. Sein Landtagskollege Halemba referierte über „Formen der Repression“, womit der kurzzeitlich per Haftbefehl gesuchte Abgeordnete auch reichlich persönliche Erfahrung mitbringen dürfte. Martin Sellner war zumindest Thema in seinen Ausführungen. Die Bundes-AfD will Halemba aus der Partei werfen.

"Demokratischer Freisler" bei bayerischer AfD willkommen

Bezug genommen wurde auch auf einen anderen Kader, gegen den ein Parteiausschussverfahren gestellt worden ist: Der Bundestagsabgeordnete Matthias Helferich. Er feiert sich online für Reden über „millionenfache Remigration“, die er mit dem Begriff verbindet. Vorgehalten wird ihm – die Welt hatte darüber berichtet – vor allem die Aussage, er sehe sich als das „freundliche gesicht des ns“ oder „demokratischen freisler“ (Schreibweise im Original).
 

Der AfD-Landesverband NRW unterstellt Helferich ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild, der heute fraktionslose Abgeordnete wollte die Postings „ironisch“ verstanden wissen. Die Zeitung hatte umfassend über den geplanten Rauswurf berichtet. Nichtdestotrotz war Helferich bereits im Juni 2023 zum Landtagswahlkampf persönlich in Nürnberg und hatte dort einen gemeinsamen Auftritt mit dem bayerischen AfD-Landesvorsitzenden Stephan Protschka in eben jenem Büro.

Das Treffen am Samstag geschah mit Wissen und Billigung der Nürnberger AfD. Der Vorsitzende des Kreisverbandes, Erik Neumayr, war selbst vor Ort. Sonst tritt er gerne mit den Resten der Nürnberger Pandemieleugnerszene auf, die sich dort „Team Menschenrechte“ nennen. Die „Remigrations“-Vorstellungen, wenn sie auch deutsche Staatsbürger beträfen, sind nach Urteil des Bundesverfassungsgerichts als eindeutiger Verstoß gegen Demokratieprinzip und Menschenwürdegarantie anzusehen. Neumayr äußerte sich gegenüber der Abendzeitung, dass er "ein bisschen stolz" darauf gewesen sei, dass das Treffen in Nürnberg stattfand. 
 

Erik Neumayr, Vorsitzender der AfD Nürnberg, war stolz über das Treffen in den Räumen seines Kreisverbandes
Erik Neumayr, Vorsitzender der AfD Nürnberg, war stolz über das Treffen in den Räumen seines Kreisverbandes

Teilgenommen aus dem Landtag hat auch noch die unterfränkische AfD-Abgeordnete Ramona Storm, sowie die schwäbische Bezirksrätin Gabrielle Mailbeck, die schon häufiger mit einer demonstrativen Nähe zur IB und vom Ausschluss bedrohten oder in Ungnade gefallenen Parteifunktionären – wie Matthias Helferich und Maximilian Krah – aufgefallen war. Sie alle posieren, zusammen etwa mit dem Schwandorfer AfD-Stadtrat Thomas Deutscher, mit einer „Stolzmonat“-Flagge der Jungen Alternative Sachsen-Anhalt. Das Landesamt für Verfassungsschutz stuft die Kampagne auf Basis der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als extremistisch ein.

Zugegen war neben dem stellvertretenden Bundesvorsitzenden der JA, Sven Kachelmann, auch das frühere Gesicht der Identitären Bewegung Schwaben, Robin Mengele. Er soll laut Augsburger Allgemeine mittlerweile einen Regionalverband der Jungen Alternative in Schwaben anführen. Bei den Treffen fehlten allerdings einige bekannte Kader der Identitären Bewegung Bayern. Sie versuchten in München eine Großdemonstration gegen Rechtsextremismus zu stören. Mindestens zwei Aktivisten erwartet hier eine Anzeige. Andere mögliche Teilnehmer einer solchen Vernetzung, etwa aus der Aktivitas rechtsextremer Burschenschaften, zog es an dem Tag ins oberösterreichische Schärding zum "Burschentag", in dessen Verlauf es zu Übergriffen auf Journalisten kam. 
 

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