Rechtsextreme Musikszene in den Blick nehmen
Der Experte der SPD-Landtagsfraktion für die Bekämpfung des Rechtsextremismus Florian Ritter wirft der bayerischen Staatsregierung vor, zu wenig über Neonazi-Gruppen zu wissen, die einschlägige Konzerte besuchen.
Wenige Tage vor dem nächsten Rechtsrock-Konzert im thüringischen Ort Themar forderte Florian Ritter, Sprecher der bayerischen SPD-Landtagsfraktion gegen Rechtsextremismus, die Staatsregierung auf, endlich mehr auf die gestiegene Bedeutung der rechtsextremen Musikszene zu reagieren. „Wer sich mit der Szene beschäftigt, der weiß, wie wichtig die Rechtsrock-Konzerte für Einstieg, Vernetzung und Radikalisierung der Anhänger ist“, erklärt der Münchner Abgeordnete. „Hier muss die Staatsregierung mehr beobachten und aufklären.“
In der Antwort auf eine Anfrage zur ersten Rechtsrock-Veranstaltung in Thüringen mit 6000 Besuchern hatte die Staatsregierung nur unbefriedigend geantwortet. Von 300 Neonazis aus Bayern waren demnach 100 der Partei „Der III. Weg“ zuzuordnen. Aber Ritter hatte explizit auch nach weniger bekannten Gruppierungen gefragt. „Mein Eindruck ist, dass die Staatsregierung Gruppen, wie etwa eine abgefragte Gruppe aus Schwandorf, nicht so richtig auf dem Zettel hat“, betont Ritter weiter. „In der Antwort wird lediglich auf allgemein zugängliche und bekannte Quellen verwiesen. Da wird vom Facebook-Auftritt zitiert und für den vermuteten Besuch bei einem ‚Blood&Honour'-Konzert im Ausland wird ein Pressebericht herangezogen.“
Rocker-ähnlicher Zusammenschluss von Neonazis
Der SPD-Politiker hält es für wahrscheinlich, dass es etliche rechtsextreme Gruppen gibt, die bisher in keinem Verfassungsschutzbericht Erwähnung fanden und die Bevölkerung bisher in Unkenntnis gelassen wurde. Nur wer die Bedrohungen auch kennt, könne auf sie reagieren, sagt Florian Ritter. Er verweist darauf, dass erst im August durch die geplante Eröffnung eines Clubhauses bei Weiden öffentlich bekannt wurde, dass es dort einen Ableger der „Aryan Brotherhoods Eastside“ gebe, einem eher Rocker-ähnlicher Zusammenschluss von Rechtsextremen.
Ein ebenfalls Rocker-ähnlicher Zusammenschluss von Neonazis hatte die mit 100 Teilnehmern größte extrem rechte Musikveranstaltung ausgerichtet, die in der Antwort auf Ritters Anfrage Erwähnung fand. Demnach geht ein Konzert am 25. März im schwäbischen Krumbach auf „Voice of Anger“ zurück. Die Gruppe gilt als größte rechtsrextreme Skinhead-Gruppierung Bayerns.
Vor weniger als zwei Wochen lockte die Kameradschaft rund 250 Neonazis aus dem ggesamten Bundesgebiet und dem angrenzenden Ausland auf ein ehemals landwirtschaftlich genutztes Anwesen bei Bad Wurzach knapp jenseits der bayerischen Staatsgrenze in den württembergischen Teil des Allgäus. Am Tag vor der Veranstaltung veröffentlichte der Neonazi-Watchblog „Allgäu ⇏ rechtsaußen“ ein intern verbreitetes Flugblatt und den Schleusungspunkt, an dem anreisenden Neonazis erst der genaue Ort des konspirativ organisierten Konzert mitgeteilt wurde. Auch die Polizei erfuhr erst am Abend des Konzertes, wo genau es stattfinden würde.