Rechtsextreme gründen Gruppe „Freie Sachsen“

Sie nennen sich „Freie Sachsen“ und erklären sich zu einer Sammlungsbewegung: Am Freitag hat sich im Erzgebirge ein neues parteiübergreifendes Bündnis gegründet, bei dem bekannte rechte Aktivisten aus unterschiedlichen Strömungen mit ihrem Zusammenschluss ein neues Stärkegefühl propagieren und die aktuelle Covid 19-Pandemie als treibende Initialzündung nutzen.

Montag, 01. März 2021
Horst Freires

Dazu trafen sich in Schwarzenberg rund 60 Personen aus dem gesamten Freistaat. Als Motoren der Bewegung treten mit Martin Kohlmann (Pro Chemnitz) und Stefan Hartung (NPD) zwei in der Region bekannte rechte Größen auf, die in vergleichsweise kurzer Zeit über 19.000 Unterschriften gegen die aktuelle Corona-Politik zusammengetragen haben wollen und über den Messengerdienst Telegram bereits knapp 7.500 Sympathisanten eingesammelt haben. In ihrem Aufruf ist zu lesen: „Wir wollen keine Duckmäuser und abnickende Befehlsempfänger sein.“

„Freiheitliche und patriotische Initiativen“

In einem Facebook-Eintrag schreibt Hartung, dass die selbst ernannte Sammlungsbewegung aus freiheitlichen und patriotischen Initiativen bestehe. Bei ihrer Namenssuche hat sie sich bei einer von 2007 bis 2009 aktiven Wählervereinigung bedient, die noch den Zusatz „Allianz unabhängiger Wähler“ trug. Laut Hartung wolle man derzeit aber keine weitere politische Organisation zu derzeit bereits konkurrierenden sein, sondern als ein Dach für bisherige Gruppen und Einzelaktivisten auftreten, das Kräfte bündele und Aktivitäten koordiniere.

Konkret heißt es: „Niemand muss mit seiner bisherigen Gruppe, Partei oder Verein brechen – Doppelmitgliedschaften sind möglich und erwünscht!“ Gemeinsamer Grundkonsens sei das Bekenntnis zu einem freiheitlichen Sachsen, „das seine historisch gewachsene Identität bewahrt“. Und auch hier taucht somit der in der rechten Szene so zentrale Begriff der Identität auf, und in Teilen ähnelt der sich als strukturellen Überbau verstehende Anspruch dem 2015 gegründeten Projekt „Ein Prozent für unser Land“, das sich als Netzwerk begreift und seinen offiziellen Sitz in Dresden, also auch in Sachsen, hat.

Die Gründung von „Freie Sachsen“ war offenkundig sorgsam vorbereitet. So hat es offenbar bereits einen Monat zuvor in Hartmannsdorf bei Chemnitz mindestens eine weitere solcher entsprechenden Zusammenkünfte gegeben. Zum Führungskleeblatt wurden der Chemnitzer Anwalt Martin Kohlmann (Vorsitz), IT-Unternehmer Stefan Hartung aus Aue-Bad Schlema (Stellvertreter), Busunternehmer Thomas Kaden (2. Stellvertreter) aus Plauen sowie Kohlmann-Kollege von Pro Chemnitz, Robert Andres, (Kassenwart) gewählt.

Neue Aktivposten keine Nobodys

Die neuen Aktivposten sind alle dem Verfassungsschutz bekannt. Kohlmann ist Anwalt der rechten Szene und tauchte 2018 auch schon als Kundgebungsredner zur jährlichen brandenburgischen Solidaritätskundgebung der Neonazis für inhaftierte Gesinnungsgenossen in Potsdam auf. Er zeichnete im gleichen Jahr auch verantwortlich für Demonstrationen in Chemnitz, die teilweise mit Aussschreitungen endeten.

Im vergangenen Oktober saß Kohlmann vor dem Amtsgericht Verden selbst wegen Volksverhetzung auf der Anklagebank und wurde zu einer Geldstrafe verurteilt, die aber noch nicht rechtskräftig ist. In Chemnitz hat er wie Andres für die Pro Chemnitz-Fraktion einen Sitz im Stadtparlament. Letzterer sorgte zuletzt im Dezember für einen Eklat, als er sich weigerte, bei der Stadtratstagung eine korrekte Mund-Nasenbedeckung zu tragen und daraufhin von der herbeigerufenen Polizei aus dem Sitzungssaal entfernt wurde.

NPD-Kommunalpolitiker Hartung schob 2014 den Verein „Freigeist e.V.“ in Schwarzenberg an, um abseits der Partei ein Aktionsfeld für rechte Aktivitäten zu haben, umgeben von kultureller Heimattümelei. 2019 wurde „Freigeist e.V.“ wieder aufgelöst. Bereits aus dem Jahr 2015 ist von Hartung das Zitat überliefert: „Wir dürfen uns nicht länger in Pegida, NPD, AfD usw. zersplittern lassen. Alle, ausnahmslos alle (...) heimatliebenden Deutschen müssen sich zu einem neuen Volksaufstand vereinigen.“

Pegida-Galgen-Mann auch bei „Freie Sachsen“

Kaden war zum Start der überregional organisierten „Querdenken“-Großdemonstrationen einer der Beteiligten bei der „Honk for Hope“-Bewegung diverser Busunternehmen. Die Gruppierung sagte sich allerdings vor wenigen Tagen von ihm los, weil er sich am 21. Februar in Plauen an einem Protest der rechtsextremistischen Splitterpartei „Der Dritte Weg“ gegen die Corona-Maßnahmen beteiligte.

Beobachtern zufolge nahm bei der Gründungssitzung von „Freie Sachsen“, bei der laut das Steigerlied gesungen wurde, unter anderem auch Diana Rabe teil, die zuletzt in Chemnitz von der AfD zu Pro Chemnitz wechselte. Ebenfalls anwesend: Jens Döbel aus Schwarzenberg, der zur Gruppierung „Freie Bürger Schwarzenberg“ zählt, die vom Verfassungsschutz als „Wahlliste von Neonationalsozialisten“ bezeichnet wird. Er war es, der 2015 bei einer Pegida-Demonstration in Dresden mit einer Galgenattrappe für Schlagzeilen sorgte, die er namentlich (falsch geschrieben) für Sigmar Gabriel und Kanzlerin Angela Merkel reserviert hatte.

Döbel war zeitweise auch 2. Vorsitzender bei „Freigeist e.V.“. Dass die Gruppierung „Freie Bürger Schwarzenberg“ nun von der Gründung „Freie Sachsen“ berichtet, verwundert also nicht. Ebenso gesichtet: Michael Brück, der seine Zelte als Die Rechte-Funktionär in Dortmund abgebrochen hat und nun in Chemnitz bei Kohlmann in der Kanzlei eine Anstellung gefunden hat.

Kleine Schmonzette am Rande: Am Rednerpult war unter anderem wohl als kleiner konkurrierender Seitenhieb auf die AfD die „Freie Sachsen“-Losung „Alternative zu Deutschland“ zu lesen.

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