Rechtsextreme drängen in die Kommunen

Zu den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen treten am 13.September extrem rechte bis neonazistische Parteien und Wählerinitiativen an. Allenfalls in einigen wenigen Hochburgen dürften am Ende kleine Erfolge möglich sein.

Montag, 10. August 2020
Michael Klarmann

Auffällig ist, dass NPD und die neonazistische Splitterpartei „Die Rechte“ (DR) sich überwiegend nicht gegenseitig in die Quere kommen wollen. Schon früh hatte sich die DR in ihrer Hochburg Dortmund in Sachen Wahlkampf bemerkbar gemacht und ihre Kandidaten sowie ein Programm veröffentlicht. Sie tritt mit teils schon einschlägig aufgefallenem oder vorbestraftem Personal an, (bnr.de berichtete) hat den früheren AfD-Funktionär Bernd Schreyner als Oberbürgermeisterkandidat in Stellung gebracht (bnr.de berichtete) und wirbt mit dem Slogan „Volksverräter quälen, [Michael] Brück wieder in den Stadtrat wählen“. Der bisherige Ratsmann Brück führt demgemäß die Reserveliste an.

„Den verbrauchten Altparteien einen Denkzettel verpassen“

Trotz der Corona-Einschränkungen hat die DR schon früh damit begonnen, Infostände abzuhalten. Als kürzlich bekannt wurde, dass ein junger Asylsuchender zweimal ein Mädchen vergewaltigt haben soll, nutzte die neonazistische Kleinpartei dies umgehend dazu, um provokativ mit zwischen 60 bis 70 „Kameraden“ eine Wahlkampf-Kundgebung in der als linke Hochburg geltenden Nordstadt abzuhalten. Statt wie sonst mit Flaggen in den Farben des Deutschen Reiches aufzumarschieren, trat man nun mit solchen in den Farben von Dortmund nebst Stadtwappen auf. Wie schon bei früheren Gelegenheiten lauern die Kader der Partei zudem erneut darauf, strafrechtlich gegen Menschen vorzugehen, die Plakate abreißen oder zerstören. Zudem wurde schon das Verwaltungsgericht angerufen, weil man die demokratischen Parteien bevorteilt sieht. Wahlweise werden dabei – je nachdem, was am besten klingt – Opfermythen oder Heldenepen über die eigenen Medien und Kanälen in den sozialen Medien verbreitet.

Die DR tritt in Hamm in rund einem Drittel aller Wahlbezirke an, gleichwohl präsentiert sie dort mit dem Parteigründer Christian Worch aus Parchim einen Kandidaten für das Oberbürgermeisteramt. (bnr.de berichtete) In Kerpen im Rhein-Erft-Kreis treten weder DR noch NPD zur Wahl mit Direktkandidaten oder einer Reserveliste an. Gleichwohl bewirbt sich der in der Kleinstadt lebende Kreischef Markus Walter solo um das Amt des Bürgermeisters. Das DR-Bundesvorstandsmitglied Walter inszeniert sich als junger Kandidat für junge Wähler, damit diese „den verbrauchten Altparteien einen Denkzettel [...] verpassen“ könnten. In Duisburg kandidiert die DR lediglich in zwei Bezirksvertretungen.

DR und NPD gemeinsam für das Ruhrparlament

Stehen in Dortmund NPD-Vertreter auf dem Ticket der DR, kooperieren NPD und DR bei den Wahlen zum Ruhrparlament. Dabei tritt die extreme Rechte vereint als „Nationales Bündnis Ruhrgebiet – Die Ruhralternative“ respektive kurz als „Nationales Bündnis Ruhr“ (NBR) an. Im Ruhrparlament vertreten Mandatsträger der elf kreisfreien Städte und vier Kreise die Interessen des Ruhrgebietes. Angeführt wird die NBR-Liste von NPD-Landeschef Claus Cremer, gefolgt von den DR-Kadern Schreyner und Brück. Das NBR wurde im Herbst 2019 als Vorbild dafür gegründet, um „grundsätzlich Konkurrenzantritte nationaler Parteien“ und „lagerinterne Grabenkämpfe“ zu vermeiden.

Federführend ist die NPD im Kreis Heinsberg, in der dortigen Kleinstadt Hückelhoven sowie in Viersen. Hier bewirbt sich offiziell immer die NPD zur Wahl, gleichwohl unterstützt in allen drei Fällen von aktiven oder ehemaligen Vertretern der DR oder der kameradschaftsähnlichen DR-Untergruppe „Syndikat 52“ (S52) als Kandidaten. In Hückelhoven und dem Kreis Heinsberg kandidiert in einem Wahlkreis für die NPD sogar ein Neonazi von S52, der wegen antisemitischer Gesänge justizbekannt ist, sich bei einem entsprechenden Prozess im April 2019 aber als Aussteigerpräsentiert hatte. (bnr.de berichtete) Als NPD-Bürgermeisterkandidat in Hückelhoven fungiert Johannes Schöfisch, laut „Rheinische Post“ lebt er in Düsseldorf. Als NPD-Landratskandidat steht im Kreis Heinsberg wie schon 2014 Heiko Glowka aus Mönchengladbach auf dem Wahlzettel.

NPD wirbt mit „Blau-Weiß ist bunt genug“

Ansonsten tritt die NPD weiterhin zumeist in Städten an, in denen zuvor schon handlungsfähige Strukturen oder Mandate in Kommunalparlamenten vorhanden waren. In Duisburg konnte die NPD alle 36 Wahlbezirke besetzen, die bisherige NPD-Ratsfrau und stellvertretende Landesvorsitzende Melanie Händelkes fungiert als Spitzenkandidatin. Unterdessen hat die Partei durch gezielte Provokationen schon für Aufsehen gesorgt. So sind Plakate der NPD aufgehängt worden, die ein Zebra zeigen und auf denen der Spruch „Blau-Weiß ist bunt genug“ zu lesen ist. Mit den Farben und einer Zeichnung des Maskottchens lehnt sich die NPD klar an den Fußballverein MSV Duisburg an, der sich von der NPD-Agitation distanziert hat. In Mönchengladbach stellt sich die NPD ebenso erneut zur Wahl, mit der in Heinsberg lebenden Sandra van den Broek auch für das Amt als Oberbürgermeisterin.

In Bochum will die NPD mit der Rechtsanwältin und stellvertretenden Landeschefin Ariane Meise als Oberbürgermeisterkandidatin antreten. Meise arbeitet in einer Anwaltskanzlei in Leverkusen, die sie mit dem früheren „pro NRW“-Chef Markus Beisicht betreibt, und lebt in Lohmar im Rein-Sieg-Kreis. Als Spitzenkandidat auf der Reserveliste der NPD-Bochum fungiert der bisherige Mandatsträger, Kreisvorsitzende und NRW-Landeschef Claus Cremer. Auffallend ist besonders bei den NPD-Kandidaten für die Bürgermeister- beziehungsweise Oberbürgermeister- und Landratswahlen, dass die die Partei dabei meist mit Vertretern antritt, die nicht in der entsprechenden Stadt oder dem jeweiligen Landkreis leben. Ausnahmen dabei sind Siegfried Martin aus Viersen und Detlef Fergeé aus Essen, die beide für die NPD in ihren Wohnorten als Bürgermeister oder Oberbürgermeister kandidieren.

André Poggenburg bei „Aufbruch Leverkusen“

Zu dem Label der sonstigen Parteien am rechten politischen Rand dürfte die Initiative „Aufbruch Duisburg“ zu zählen sein. Nur in sieben der 36 Wahlbezirke der Stadt im westlichen Ruhrgebiet konnte die Vereinigung um den früheren AfD-Politiker Ulrich Martel Kandidaten aufstellen. Ob der Name zufällig gewählt oder ein direkter Verweis nach Leverkusen ist, ist unklar. Dort stellt sich die von dem ehemaligen Chef der extrem rechten „Bürgerbewegung pro NRW“  Markus Beisicht initiierte Vereinigung „Aufbruch Leverkusen“ zur Wahl. Beisichts Wählerinitiative kooperierte zuvor schon offen mit extrem rechten Akteuren für einen Aufmarsch (bnr.de berichtete) und will neben dem laufenden Wahlkampf am 5. September erneut eine Demonstration mit unter anderem dem ehemaligen AfD-Mann André Poggenburg durchführen.

In der Landeshauptstadt stehen auch die Republikaner (REP) auf dem Wahlzettel. Offenkundig hat die bundesweit eher marginalisierte Partei in Düsseldorf sehr große Pläne. Die REP treten mit ihrem Landesparteichef und Noch-Ratsmann Andre Maniera als Kandidat für das Amt des Oberbürgermeisters an, zudem umfasst die Reserveliste für die Kommunalwahl stolze 40 Kandidaten. Für eine Partei, die bundesweit in den letzten Zügen liegt, ein beachtliches Selbstbewusstsein.

Insgesamt sind bei der Wahl im September die extrem rechten bis neonazistischen Parteien und Wählerinitiativen nur punktuell wählbar. Die NPD tritt dabei besonders am Niederrhein und im Ruhrgebiet auf und konnte in einigen ihrer alten Hochburgen weder alleine noch mit DR-Unterstützung einen neuen Wahlantritt stemmen. Bei den Kommunalwahlen 2014 traten unter anderem noch „pro NRW“, „pro Köln“, der rechtsextreme „Arminius Bund“ und die REP vereinzelt in unterschiedlichen Kommunen an. Alle diese Parteien und Gruppierungen sind entweder aufgelöst oder unterdessen irrelevant geworden.

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