Rechtes Potpourri bei Beerdigung von „Sturmvogel“-Kader
Als der ehemalige Vize-Bundesführer der extrem rechten Organisation „Sturmvogel“ auf einem Kölner Friedhof beerdigt wird, kommen zur Beisetzung Personen aus zahlreichen Rechtsaußen-Strukturen: Neben Burschenschaftern und Identitären sind auch AfD-Mandatsträger zugegen – es zeigt, wie eng die Verbindungen oft sind.
Der extrem rechte „Sturmvogel-Jugendbund“ ist eine Abspaltung der 1994 verbotenen „Wiking Jugend“ (WJ). Aufgrund inhaltlicher Differenzen ging man 1987 seinen eigenen Weg. Gründe lagen weniger im Ideologischen, vielmehr darin, dass die WJ nicht „brauchtumsgemäßes“ Verhalten tolerierte, wie das Trinken von Cola oder das Rauchen von Zigaretten. Der „Sturmvogel“ selbst versteht sich als elitärer Jugendbund, der die Jugendlichen auf Lager und bei Ausfahrten ganz im Sinne der nationalsozialistischen Weltanschauung formt – ideologisch wie auch körperlich. Die Jugendlichen stammen zumeist aus völkischen und neonazistischen Familien, die ihre Kinder in einer „Parallelwelt“ nach nationalsozialistischen „Idealen“ erziehen.
„Seit Generationen werden Kinder und Jugendliche in rechten Bünden wie ‘Sturmvogel‘, ‘Freibund‘ oder ‘Fahrende Gesellen‘ politisch und kulturell auf Linie gebracht“, so Andrea Röpke, Fachjournalistin und Expertin für völkische Bünde. Solche Lager dienen der „Pflege des germanischen Brauchtums“, erläutert sie weiter. Grundlegend hierfür ist ein völkisches wie auch antidemokratisches Weltbild deutscher Jugendorganisationen der 1920er Jahre. Röpke warnt, rechtsextreme Bünde wie der „Sturmvogel“ „sind eine Kaderschmiede für rechte Organisationen, Denkfabriken und Parteien.“
AfD-Kandidat
Ralf Küttelwesch hatte sich nicht nur bei der Erziehung künftiger Neonazis engagiert. Er veröffentlichte verschiedene Publikationen, wie beispielsweise ein Fahrtenbericht von einer bündischen Fahrt nach Siebenbürgen 1990. Veröffentlicht hat er den Bericht mit dem Titel „Auf dem Weg nach Temeschwar“ gemeinsam mit der langjährigen neonazistischen Aktivistin Edda Schmidt, die zu der Zeit Funktionärin der WJ war. Darüber hinaus beteiligte sich Küttelwesch in leitender Funktion bei der „Initiative Gesamtdeutschland“ (IG). Diese bestand ab 1990 als eine Sammlungsorganisation eines extrem Rechten bis neonazistischen Spektrums, welche vorwiegend Veranstaltungen mit Referenten aus der internationalen Neonaziszene organisierten. Mitglieder der IG rekrutierten sich aus der 1995 verbotenen „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei“ (FAP) sowie aus der Wiking Jugend. Zuletzt kandidierte Küttelwesch 2019 für die AFD bei den Kommunalwahlen im Landkreis Dahme-Spreewald. Zudem war er Korporierter der Burschenschaft „Danubia München“.
Die Burschenschaft ist Teil des Dachverbandes „Deutsche Burschenschaft“ (DB) und steht dort am äußerst rechten Rand. Die DB propagiert einen abstammungsbezogenen Volksbegriff. Die Aktivitas der Danubia wird seit etlichen Jahren durch das bayerische Landesamt für Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft. Mitglieder der Burschenschaft nahmen im Januar auch bei dem von Correctiv aufgedeckten extrem rechten Vernetzungstreffen in Potsdam teil.
Burschenschafter in der AfD
Die Danubia pflegt schon lange gute Beziehungen in die völkische Szene. So verwundert es auch nicht, wenn an diesem Samstagvormittag im Januar eine Gruppe um Wolfhard F. und Runhild F. als erstes an dem Friedhof in Köln eintrafen. Beide sind prägende Figuren bei der Planung und Leitung der „Sturmvogel“-Lager der letzten Jahre. Sie stammen aus sogenannten völkischen Sippen, die tief im Neonazismus verwurzelt sind – wurden demzufolge selbst in der völkischen bündischen Jugend sozialisiert. Ein weiteres Beispiel für die enge Verflechtung ist Sascha Jung, der mit dem Band der Danubia an der Beerdigung teilnahm. Jung, den die bayerischen Behörden 2007 wegen Zweifeln an seiner Verfassungstreue nicht in den Justizdienst aufnahmen, kandidiert zur kommenden Kommunalwahl im Juni wiederholt für die AfD in Mecklenburg-Vorpommern. In einer Region, die als Kernregion des völkischen Siedelns bezeichnet wird.
Hierbei besteht nicht nur eine wohnliche Nähe. Jungs Besuche auf verschiedenen Veranstaltungen der völkischen Szene wie auch Sturmvogel-Lagern wurde von Journalist*innen dokumentiert. Unter den rund 60 Teilnehmenden der Beerdigung befanden sich weitere, teils zuvor Aktive von extrem rechten Vereinigungen wie dem „Witikobund“, der „Jungen Landsmannschaft Ostpreußen“ oder auch „Nerother Wandervogel“. Mit Martin W., auf dessen Grundstück nahe Chemnitz bereits Sturmvogel-Lager stattfanden, nahm eine Person teil, dessen Name öfter im Kontext des NSU zu hören war. Die Wege zum Rechtsterrorismus sind in diesem Milieu kurz, genauso wie zur AfD.
Vorstand des Landesverbands der AfD Brandenburg
Im Couleur der Burschenschaft „Dresdensia-Rugia zu Gießen“ nahm der stellvertretende Kreisvorsitzende der AfD Cloppenburg und Stadtrat von Vechta, Rüdiger Leßel, teil. Die „Dresdensia-Rugia“ ist genauso wie die „Danubia“ ein Mitgliedsbund der DB. Doch es besuchten nicht nur kommunale Mandatsträger der AfD die Beerdigung.
Gemeinsam mit seinem Mitarbeiter Benjamin Filter war auch Steffen Kotré zugegen, um Ralf Küttelwesch die letzte Ehre zu erweisen. Kotré, der immer wieder mit russlandfreundlichen Positionen auffällt, ist Bundestagsabgeordneter für die AfD und sitzt als Beisitzer im Landesvorstand der brandenburgischen AfD. Er pflegt nicht nur eine enge Nähe zu Russland. Kotré hat genausowenig Berührungsängste zum völkischen Milieu. Wie der RBB im Februar berichtete, zeigen Fotoaufnahmen, wie Kotré 2009 beim Neonazi-Gedenken in Dresden teilnahm. Die geschichtsrevisionistische Veranstaltung wurde damals von der rechtsextremen „Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland“ organisiert und galt als einer der größten Neonazi-Aufmärsche in Deutschland. Dem RBB bestätigte Kotré die Teilnahme mit der Begründung, dass er sich vor Ort ein Bild gemacht hätte.
Burschenschafter und Identitäre
Kotrés Mitarbeiter, Benjamin Filter, steht bei der kommenden Landtagswahl für die AfD Brandenburg auf Listenplatz 8 und hat somit gute Chancen, in den Landtag einzuziehen. Filter besuchte die Beerdigung im Couleur der extrem rechten Burschenschaft „Gothia Berlin“, die ebenso in der DB organisiert ist. Die „Gothia Berlin“ erweckte zuletzt Aufsehen als bekannt wurde, dass der Alte Herr der Burschenschaft, der ehemalige CDU-Finanzsenator von Berlin, Peter Kurth, nicht nur Geld für Immobilienkäufe für die „Identitäre Bewegung“ organisierte, sondern auch ein Treffen in seiner Wohnung mit dem rechten Vorfeld der AfD abhielt. Unter den Teilnehmenden waren u.a. Martin Sellner aus Österreich sowie Götz Kubitschek vom kürzlich offiziell aufgelösten „Institut für Staatspolitik“ in Schnellroda.
Die Trauernden trafen sich bei der sogenannten Trauerhalle auf dem Friedhof in Köln Dellbrück. Nach einigen Reden und Musikbeiträgen setzten sie sich als Trauermarsch zur Beisetzungsstelle Küttelwesch´ in Bewegung. Angeführt wurde dieser von drei Vertretern der Aktivitas der Burschenschaft „Danubia“ im sogenannten „Vollwichs“. Als Aktivitas werden die aktuell Studierenden genannt, die in der Regel noch im Burschenhaus wohnen. Der „Vollwichs“ sind aufwendig gestaltete traditionelle Bekleidungsstücke von Verbindungen, die zu festlichen Anlässen getragen werden – dazu gehören auch Säbel und die Fahnen der jeweiligen Burschenschaft. Unter den drei Danuben sind zwei, die klar der „Identitären Bewegung“ zugerechnet werden können – Simon Thiele und Ludwig Z. Thiele tritt seit rund zwei Jahren für die Identitäre Tarnstruktur „Revolte Rheinland“ in Erscheinung. Diese rekrutiert sich überwiegend aus Burschenschafter, Neonazis und „Junge Alternative“ (JA). Er ist zusätzlich korporierter der Burschenschaft „Raczeks zu Bonn“, was seinen Aktivismus im Rheinland erklärt. Die „Raczeks“ wollten 2013 auf dem Burschentag einen sogenannten „Arierparagrafen“ in der DB einführen. Ludwig Z. ist Teil der IB Bayern und dort Aktivist des neofaschistischen Vorfelds der AfD. Nach der Beisetzung fuhren vereinzelte Teilnehmende der Veranstaltung auf das Haus der Burschenschaft “Raczeks zu Bonn”. Hier sollte ein Umtrunk stattfinden.
Mosaikrechte
Burschenschafter, AfD und Völkische – man kennt und schätzt sich. Die Netzwerke, die hier im Kleinen wie unter einem Brennglas sichtbar werden, gibt es auch im Großen. Nur bleiben diese in der Regel von der Öffentlichkeit unbeobachtet. Hier zeigt sich die Idee einer Mosaikrechten, von welcher beispielsweise Martin Sellner in seinem Buch „Regime Change von Rechts“ schreibt. Die AfD als parlamentarischer Arm und das Vorfeld, wie zum Beispiel der „Sturmvogel“, welche ideologisch gefestigte neue Kader formt. Feste Verbindungen zwischen Burschenschaften und der völkischen Szene gab es schon lange vor der AfD. Mit der AfD kam jedoch ein wirkmächtiger Akteur mit parlamentarischen Möglichkeiten hinzu. Zudem lockt die AfD mit lukrativen Jobs und Mandaten. Nicht zuletzt deswegen haben sich Burschenschafter die AfD als politischen Spielball herausgesucht.
Die DB-Burschenschaften müssen hierbei als (Vernetzungs-)Plattform verstanden werden. Im Schatten der Öffentlichkeit findet im Milieu der Burschenschaften das extrem rechte Spektrum zusammen und findet ebenda Rückzugsräume. Schon jetzt gibt es mächtige burschenschaftliche Netzwerke innerhalb der AfD, die ihre eigene antidemokratische Agenda nach vorn bringen. Über den burschenschaftlichen Dachverband DB sind sie mit dem neofaschistischen Vorfeld rund um die IB und den daraus entstandenen rechten Publikationsorganen gut vernetzt – verstehen sich als eine rechte Bewegung. In einer sehenswerten Dokumentation hat Report Mainz mehr als 100 Burschenschafter in der AfD identifiziert und macht somit die Netzwerke zum Teil sichtbar.