Halle

Rechtes Netzwerktreffen „SeitenWechsel“

Mit einer Buchmesse in Halle will die neurechte Buchhändlerin und Verlegerin Susanne Dagen ein neues Vernetzungstreffen rechter, neurechter und extrem rechter Akteur*innen und ihrer Verlage etablieren.

Montag, 03. November 2025
Kai Budler
Auch der "Sturmzeichen"-Verlag von Neonazi Sascha Krolzig wird auf der rechten Buchmesse vertreten
Auch der "Sturmzeichen"-Verlag von Neonazi Sascha Krolzig wird auf der rechten Buchmesse vertreten

Nach dem Ende der Präsenz rechter Verlage auf den Buchmessen in Frankfurt/Main und Leipzig und gescheiterten Projekten, bei denen Bücher und Kultur aus der Szene präsentiert werden sollten, gibt es nun einen neuen Versuch einer rechten Buchmesse.

Initiatorin ist Susanne Dagen vom „Buchhaus Loschwitz“ in Dresden, die am zweiten Novemberwochenende in einer Messehalle in Halle zur „BücherMesse“ mit dem Namen „SeitenWechsel“ lädt. Gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Michael Bormann betreibt Dagen seit 1995 die Buchhandlung „Buchhaus Loschwitz“, 2002 kam der Verlag „edition buchhaus loschwitz“ hinzu. Politisiert wurde sie nach eigenen Angaben mit dem Aufstieg der rechten Pegida-Bewegung.

Von der Buchhändlerin zur AfD-Politikerin

In die Öffentlichkeit strebte die Buchhändlerin erstmals im Herbst 2017 nach den Protesten gegen rechte Verlage und ihre Aktivitäten auf der Buchmesse in Frankfurt/Main. Ihr offener Brief an den Börsenverein des Deutschen Buchhandels mit dem Titel „Charta 2017“ erfuhr vor allem wegen prominenter Unterzeichner*innen Aufmerksamkeit, darunter Autor*innen Uwe Tellkamp, Jörg Friedrich oder Cora Stephan. Im neurechten Duktus raunte Dagen in dem Brief, dass „zum scheinbaren Schutz der Demokratie die Meinungsfreiheit ausgehöhlt wird“. Sie sprach von einem „Gesinnungskorridor" akzeptierter Meinungen und warnte, die Gesellschaft sei „nicht mehr weit von einer Gesinnungsdiktatur entfernt“.

Nach ihrer  mittlerweile beendeten  Berufung in das Kuratorium der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung 2018, saß Dagen seit 2019 für die Freien Wähler im Dresdner Stadtrat und im Stadtbezirksbeirat von Dresden-Loschwitz. Seit August 2024 gehört sie der Dresdner Stadtratsfraktion der AfD an und ist deren kulturpolitische Sprecherin.

Neurechte Akteure

Nach eigenen Angaben arbeitet Dagen seit dem vergangenen Jahr an der Organisation ihrer Büchermesse „SeitenWechsel“. Im Interview mit der extrem rechten Zeitschrift „Zuerst!“ nennt sie die Veranstaltung ein „Lesefest der Entdeckungen“, das offen sei „für alle Meinungen und Strömungen, und gerade der freie Diskurs stärkt unsere Gesellschaft.“

Für berechtigte Zweifel daran reicht schon ein Blick auf die Absender der Grußworte auf der Internetseite. Darunter Roland Tichy von der neurechten Zeitschrift „Tichys Einblick“, der Querfront-Aktivist Dieter Dehm, der „Kabarettist“ Uwe Steimle oder Helmut Roewer, ehemaliger VS-Chef in Thüringen, der seit seiner Pensionierung in rechten, neurechten und verschwörungstheoretischen Verlagen publiziert.

Aussteller aus Neonazi-Spektrum

Statt eines „Lesefestes“ handelt es sich bei der Veranstaltung eher um ein neues Vernetzungstreffen rechter, neurechter und extrem rechter Akteur*innen und ihrer Verlage. Darunter die Verlage Ares, Ahriman und Metapol sowie der extrem rechte Gerhard Hess Verlag des AfD-Politikers Volker Münz, der Jungeuropa Verlag des neurechten Aktivisten Philip Stein, der Junge Freiheit Verlag, der Hydra Verlag des ehemaligen NPD-Funktionärs Michael Schäfer und die neurechte Manuscriptum Verlagsbuchhandlung. Auch das Magazin „Compact“ um Jürgen Elsässer kündigte einen „großen wie aufregenden Stand“ auf der Messe an. Neben Verlagen aus dem neurechten Bereich präsentieren sich in Halle auch solche aus dem neonazistischen Milieu wie der „Sturmzeichen Verlag & Versand“ von Sascha Krolzig, langjähriger Neonazi und früherer Bundesvorsitzender der Partei „Die Rechte“. 

Auch der Verlag Antaios von Götz Kubitschek darf nicht fehlen, immerhin betreibt Dagen mit Kubitscheks Ehefrau, Ellen Kositza, auf YouTube die „Gemeinschaftssendung vom BuchHaus Loschwitz und dem Antaios Verlag“ mit dem Titel „Aufgeblättert. Zugeschlagen - Mit Rechten lesen". Neben anderen war dort u.a. Martin Sellner von der Identitären Bewegung zu Gast Im Begleitprogramm tummeln sich ebenso altbekannte Rechte wie Alexander Wendt, Hans-Georg Maaßen, Vera Lengsfeld, Ulrich Vosgerau, Roland Tichy, Gloria von Thurn und Taxis und andere. Angekündigt ist u.a. auch der langjährige NPD-Funktionär Arne Schimmer, der als Autor teilweise unter Pseudonym u.a. in „Compact“ und der neu rechten Zeitung „Junge Freiheit“ geschrieben hat.

Kein freier Zugang für Presse

Eine freie Berichterstattung über die Veranstaltung wird es nicht geben. Der „Beantwortungsbeauftragte“ Bernd Zeller erklärte schon vorab, „eine Akkreditierung ist leider nicht möglich, weil ich Vorurteile gegen Journalisten habe“. Stattdessen soll es lediglich begleitete Rundgänge unter Zellers Aufsicht geben. Er kündigt an, Fragen von interessierten Journalist*innen zu beantworten und aufzuzeichnen: „Das ganze Gespräch soll irgendwo online aufklickbar sein“, kündigt er an. Zudem werde im gesamten Messegelände „ein Film- und Fotografierverbot“ durchgesetzt, schreibt Dagen auf Anfrage. Ausgenommen seien ihre Medienpartner, von denen man im Nachgang gern Filmmaterial zur Verfügung stelle, so Dagen.

Gegen die rechte Buchmesse protestieren in Halle mehr als 40 Initiativen, Institutionen und Einzelpersonen mit dem „Wir Festival“, das bereits Ende September begonnen hat. Seinen Höhepunkt soll es parallel zur Buchmesse mit einem Festivalwochenende erreichen. Die Organisator*innen wollen dazu einladen sich für eine offene Gesellschaft und Toleranz sowie gegen Spaltung zu positionieren und mitzumachen.

Dagen plant Fortsetzung

Auch Politiker*innen von Grünen, Freien Wählern, Linken und SPD hatten sich im Vorfeld ebenso gegen die Buchmesse ausgesprochen wie Halles parteiloser Oberbürgermeister Alexander Vogt. Für sie und die Hallenser Stadtgesellschaft könnte das mehrwöchige „Wir Festival“ eine gute Erfahrung sein, zusammen zu stehen.

Für das kommenden Jahr hat Susanne Dagen bereits eine Neuauflage ihrer Veranstaltung angekündigt.

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