Rechtes Kräftemessen
Mit ihrem Veranstaltungswochenende in verschiedenen Ruhrgebietsstädten will die rechtspopulistische „pro“-Truppe vor allem öffentliche Aufmerksamkeit für den Wahlkampf erreichen – gegen die Aktionen von „pro“ und der konkurrierenden NPD regt sich breiter gesellschaftlicher Widerstand.
Auf der Homepage von „pro NRW“ läuft der Countdown. Bis auf die Tausendstelsekunde genau soll dort die Zeit eingezeigt werden, die bleibt, bis das Ergebnis der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen feststeht. Der „Tag der Abrechnung“ soll jener 9. Mai werden. Doch eigentlich deutet nichts darauf hin, dass die Rechtspopulisten im größten Bundesland einen nennenswerten Erfolg einfahren können. Meinungsumfragen weisen seit einem Dreivierteljahr kontinuierlich für alle „sonstigen“ Parteien zwischen drei und fünf Prozent aus – und von diesem kleinen Kuchen wollen immerhin zwei Dutzend „Sonstige“ ihr Stück abhaben.
Statt dessen spüren die Rechtspopulisten verstärkt Gegenwind. So ausführlich wie nie in den Jahren zuvor begründete beispielsweise der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz in seinem Anfang der Woche veröffentlichten Jahresbericht für 2009, warum er „pro NRW“ und „pro Köln“ trotz deren Beteuerungen, „seriös“ und „demokratisch“ zu sein, in der Rubrik Rechtsextremismus führt.
„Ziviler Ungehorsam“ gegen den „pro“-Auflauf
Und am Wochenende wird Gegenwind auf der Straße erwartet. „Mahnwachen“ vor Moscheen und islamische Gemeindezentren in Oberhausen, Herten, Mülheim, Gelsenkirchen, Bochum und Essen sollen am Freitag stattfinden – jeweils in zwei Städten parallel und beginnend um 10.00, 12.00 und 14.00 Uhr. Am Samstagnachmittag soll dann im Schloss Horst in Gelsenkirchen jene „Anti-Minarett-Konferenz“ stattfinden, die dem Veranstaltungswochenende von „pro NRW“ seinen Namen gegeben hat. Für den Sonntag schließlich kündigt „pro NRW“ vollmundig einen „Sternmarsch“ zur Merkez-Moschee in Duisburg-Marxloh an.
Doch wo immer die Planungen von „pro NRW“ bekannt wurden, regte sich Widerstand. Unwidersprochen werden die Rechtspopulisten bei keiner ihrer Mahnwachen, für die jeweils 50 bis 60 Teilnehmer angekündigt sind, auftauchen können. Gegendemonstrationen sind ebenso angekündigt wie Straßenfeste. Rund um Schloss Horst beginnen am Samstagmorgen Gegenveranstaltungen zu der als Parteitag angemeldeten „pro“-Konferenz mit internationaler Beteiligung, die am Nachmittag stattfinden soll. Sonntags schließlich ruft das „Marxloher Bündnis“ zum „zivilen Ungehorsam“ gegen den „pro“-Auflauf und eine parallel geplante NPD-Demonstration auf. Friedlich und gewaltfrei soll das ablaufen, mit „Menschenblockaden, keinen Materialblockaden“, wie die Organisatoren betonen.
700 Meter Demo-Route statt „Sternmarsch“
2000 Teilnehmer hatte „pro NRW“ zunächst für den „Sternmarsch“ angekündigt. Später wurde die Zahl 1500 genannt. Inzwischen ist „pro NRW“-Chef Markus Beisicht bei nur noch „über 1000“ angelangt, aber selbst diese Zahl dürfte weit übertrieben sein. Auch der Begriff „Sternmarsch“ muss gehörig relativiert werden, auch wenn Beisicht ihn noch in dieser Woche verwendete. Zunächst sollte er laut Ankündigung von „pro NRW“ in mehreren Ruhrgebietsstädten starten. Dann war nur noch von mehreren Ausgangspunkten die Rede, ohne die Orte zu nennen. Und nun steht fest, dass es – ganz ohne „Stern“ – nur eine etwa 700 Meter lange Demo-Route in Richtung Moschee geben soll, auf der einen Seite Sportplätze, auf der anderen Kleingärten und nur ein paar Wohnhäuser.
Um solche Details geht es den „pro“-Oberen aber wohl eher nicht. „Es liegen ereignisreiche Tage vor uns, die uns viel öffentliche Aufmerksamkeit, aber zum Teil auch heftige und bösartige mediale Angriffe bescheren werden“, erklärte Beisicht dieser Tage. Vor allem um diese öffentliche Aufmerksamkeit geht es ihm. „Dieses Wochenende soll und muss entscheidend dazu beitragen, dass unser Landtagswahlkampf genug Schwung bekommt und die Öffentlichkeit über pro NRW diskutiert.“
„Durchbrüche bürgerlich-reaktionärer Kräfte verhindern“
Provokation und Inszenierung sollen übertünchen, auf wie schwachen Füßen „pro NRW“ organisatorisch tatsächlich steht. Der Verfassungsschutz attestiert „pro NRW“ lediglich 80 und „pro Köln“ 220 Mitglieder. Das mag etwas zu niedrig geschätzt, aber weit realistischer sein als die von „pro NRW“ selbst genannten 1600 Mitglieder.
Im Windschatten von „pro NRW“ scheint an diesem Wochenende die NPD segeln zu wollen. Wie „pro NRW“ ist sie bei der Landtagswahl chancenlos. Doch es geht ihr darum, der rechten Konkurrenz nicht den Vortritt zu lassen. „Im Westen hingegen müssen wir derzeit leider noch so genannte ,Verhinderungswahlkämpfe’ führen“, so wurde NPD-Chef Udo Voigt vor einem Jahr in der Parteizeitung „Deutsche Stimme“ zitiert, „um Durchbrüche bürgerlich-reaktionärer Kräfte wie Pro Köln oder der Republikaner solange zu verhindern, bis wir dort aus eigener Kraft an einem von uns zu bestimmenden Zeitpunkt und Ort zu einem gebündelten kraftvollen Gegenschlag ausholen können.“
Die Wahlkampfuhr geht nach
So gesehen kann es sich die NPD auch nicht erlauben, der Konkurrenz ein erfolgsträchtig erscheinende Kampagnenthema – wie etwa das Minarettverbot – zur exklusiven Nutzung zu überlassen. Sehr genau werden die NPD-Oberen am Sonntag beobachten, ob sie die größeren Bataillone – oder zumindest Kompanien – auf die Straße bringen oder die Konkurrenz der Rechtspopulisten. Aus den Kreisen der „Autonomen Nationalisten“ aus dem Ruhrgebiet dürfte dabei diesmal kaum größere Unterstützung für die NPD zu erwarten sein. Und: Auch der NPD will das breite Marxloher Bündnis deutlich machen, dass sie im Stadtteil nicht erwünscht ist.
Der Countdown auf der Homepage von „pro NRW“ rast derweil weiter. Wie meist, wenn die Beisicht-Truppe mit Zahlen hantiert, gilt dabei: Sie stimmen nicht. Um eine Stunde geht die Uhr falsch, weil die Umstellung auf die Sommerzeit nicht berücksichtigt wurde - eine Stunde geben sich die Rechtspopulisten mehr Zeit für ihren Wahlkampf. Aber auch das dürfte ihnen wohl nicht mehr helfen.