Rechter Schulterschluss zum „Tag der Nation“

Eine Melange aus Wutbürgern, Hooligans, Neonazis sowie anderen Akteuren des rechten Spektrums beteiligte sich an einem rassistischen Aufmarsch am 3. Oktober in Berlin. Aufgerufen hatte dazu der extrem rechte Verein „Wir für Deutschland“.

Freitag, 05. Oktober 2018
Theo Schneider

Zum Tag der Deutschen Einheit versammelten sich rund 1200 Neonazis und Flüchtlingsfeinde in der Hauptstadt. Vom Hauptbahnhof aus marschierte die Melange aus rassistischen Wutbürgern, organisierte Neonazis und rechten Hooligans, hermetisch abgeriegelt von einem Großaufgebot der Polizei, durch Berlin-Mitte. Unter dem Motto „Tag der Nation“ hatte der extrem rechte Verein „Wir für Deutschland“ (WfD) um den ehemaligen „pro Deutschland“-Funktionär Enrico Stubbe und dem Hobbyjäger Kay Hönicke seit Jahresbeginn zum 3. Oktober nach Berlin mobilisiert.  Bekannt war die Gruppe insbesondere durch die regelmäßigen „Merkel muss weg“-Aufmärsche (bnr.de berichtete regelmäßig, zuletzt) geworden.

Zwar zeichnete sich in der Szene über Monate eine eher geringe Resonanz für die Berliner Kundgebung ab, WfD bekam aber durch die rassistischen Mobilisierungen in Cottbus, Chemnitz und Köthen Rückenwind für seine Versammlung. Auch deshalb vermutlich, weil WfD selbst dort erschienen war und regelmäßig zur Teilnahme aufgerufen hatte. So gab es Schilder wie „Chemnitz ist überall –  Oculatus Deutschland“ und „Der ‚braune Mob‘ aus Chemnitz grüßt Berlin“ zu sehen, und „Pro Chemnitz“-Chefordner Arthur Österle erschien sogar selbst. Da half dann auch die Gegenmobilisierung von Pegida-Chef Lutz Bachmann nichts, der gezielt über seine Kanäle alle Konkurrenzveranstaltungen an dem Tag beworben und noch am Vormittag selbst in einem Livestream gegen den WfD-Aufmarsch gewettert hatte.

Auch AfD-Anhänger vor Ort

Die Zusammensetzung der Teilnehmer und Redner glich am Mittwoch den vergangenen „Merkel muss weg“-Veranstaltungen. Anhänger flüchtlingsfeindlicher Zusammenschlüsse wie das „Bürgerbündnis Havelland“, „Frauenbündnis Kandel“, „Patrioten NRW“ oder „Bürgerprotest Ostthüringen“ waren mit Transparenten vor Ort, aber auch Neonazi-Cliquen wie „N.S Havelland“ mit ihrem schwarz-weiß-rotem Banner sowie Reichsbürger und Protagonisten vom „III. Weg“ waren erschienen. Auch ein Trupp mit Bekleidungsstücken der „Soldiers of Odin“, einer 2015 in Finnland gegründeten extrem rechten, flüchtlingsfeindlichen Gruppierung, beteiligte sich an dem Aufmarsch.

Vor Ort waren ebenso Berliner AfD-Anhänger wie Hubert Meiners (AfD Tempelhof-Schöneberg) sowie der Lichtenberger Bezirksverordnete Heribert Eisenhardt und sein Neuköllner Kollege Steffen Schröter. Zu sehen waren aber auch Personen mit AfD-Emblemen auf Kleidungsstücken und einem AfD-Plakat.

Hetze in antisemitischer Manier

Als Redner traten neben Kay Hönicke und Alexander Kurth (früher „Die Rechte“, „Thügida“, REP; bnr.de berichtete), die hinlänglich von WfD-Aufmärschen bekannten Akteure Ignaz Bearth (Schweiz) und Georg Nagel (Österreich) auf. In ihren Heimatländern sind beide allerdings selbst in Szenekreisen nahezu irrelevant. Auch Sven Liebich aus Halle hielt mehrfach Redebeiträge, hetzte unter anderem gegen die zivilgesellschaftliche Amadeu Antonio-Stiftung und ihre Vorsitzende Anetta Kahane, an deren Sitz der rechte Aufmarsch vorbeizog. Myriam Kern vom „Frauenbündnis Kandel“ erwähnte ebenfalls die Stiftungsleiterin, schwadronierte in antisemitischer Manier von einer „Agenda von Globalisten, von dieser Finanzelite“, die angeblich Deutschland abschaffen wollen und konkret von „Kahane und Soros, die uns unser Land wegnehmen wollen“.

NPD organisatorisch eingebunden

Die Veranstaltung fand offenbar zumindest in personeller Kooperation mit der NPD statt. Bereits im Vorfeld hatte NPD-Bundesorganisationsleiter Sebastian Schmidtke zur Teilnahme aufgerufen. Am Tag selbst fungierte er als Ordner, genauso wie die NPD-Aktivisten Patrick A. und Dennis C. sowie Alexander B. Letztgenannter war als Haupttäter der Hetzjagd in Guben 1999, bei der ein Asylbewerber zu Tode gejagt wurde, zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Zehn Jahre später kandidierte B. in Brandenburg für die NPD und beteiligte sich an einer Attacke auf einen linken Jugendlichen in dem Ort (bnr.de berichtete www.bnr.de/content/braunes-rollkommando).

Berlins NPD-Vize Schmidtke trat später auch als Redner auf, wetterte gegen „die BRD und das ganze Regime“ und forderte, dass statt des 3. Oktober der 9. November „als deutscher Schicksalstag“, zum Feiertag erklärt werde, wohlwissend, dass auch Reichspogromnacht und Hitler-Putsch an diesen Daten stattfanden. 

Höhe Anzahl an NPD-Aktivisten

WfD und Berliner NPD führten bereits im Dezember vergangenen Jahres gemeinsam eine Kundgebung am Breitscheidplatz in Berlin durch, um den Jahrestag des islamistischen Terroranschlags für ihre rassistische Hetze zu nutzen. (bnr.de berichtete) So überraschte es dann auch nicht, dass am 3. Oktober, im Vergleich zu früheren WfD-Veranstaltungen, eine höhere Anzahl Berliner NPD-Anhänger bei dem Aufmarsch erschienen. Berlins Landeschef Andreas Käfer trug mit seinem Marzahn-Hellersdorfer Anhang historische Wahlplakate, mit denen sie ihrer revisionistischen Forderung von einem Deutschland in den Grenzen von 1937 Ausdruck verliehen. Die Neuköllner NPD war mit ihrem Vorsitzenden Jens Irgang sowie dem ehemaligen Bezirksverordneten Jan Sturm vertreten.

Unter den Teilnehmern befand sich auch der ehemalige NPD-Funktionär Rene Bethage, früherer Chef der verbotenen Kameradschaft „Berliner Alternative Südost“ (BASO). Bethage fiel zuletzt durch die Teilnahme am letztjährigen Rudolf-Heß Marsch sowie als Schatzmeister des extrem rechten Vereins „Europa-Terra-Nostra e.V.“ auf. (bnr.de berichtete)

Angriffe auf protestierende Anwohner

Gegen den extrem rechten Aufmarsch protestierten in etwa gleich viele Gegendemonstranten bei zwei Kundgebungen sowie in den Seitenstraßen. Sie wurden von den Rechten mit Sprüchen wie „Rein in die Gaskammer!“ angepöbelt. Vereinzelt kam es zu Sitzblockaden und auf der Route bekundeten in zahlreichen Fällen immer wieder Anwohner ihren Unmut direkt aus den Fenstern. In der Ackerstraße und Teilen der Invalidenstraße entwickelte sich der Aufmarsch dadurch zu einem akustischen Spießrutenlauf für die Rechten, die ihrerseits Gegenstände in Richtung der Fenster protestierender Anwohner warfen und vor den Augen der Polizei Transparente von Fassaden reißen konnten. Als sie deswegen mit Wasser überschüttet und selbst beworfen wurden, versuchten einige rechte Demonstranten, Hauseingänge zu stürmen. Die Polizei setzte daraufhin Pfefferspray gegen sie ein. Andere Demonstrationsteilnehmer fotografierten gezielt die Klingelschilder der Häuser ab, auf Twitter werden die Adressen bereits von rechten Accounts verbreitet.

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