Rechter Rapper und Verschwörungsideologe

Der „Reichsbürger“ Sascha V. aus Jüchen (Rhein-Kreis Neuss) firmiert als Rapper „Master Spitter“. Weitaus weniger bekannt als andere Größen der Szene bemüht er sich, den einen oder anderen Soundtrack für die „Bewegung“ im westlichen Nordrhein-Westfalen und darüber hinaus auszuspielen. Am Samstag trat er auf einer Aktion aus dem „Gelbwesten“-Spektrum in Düsseldorf auf.

Montag, 03. Februar 2020
Michael Klarmann

„Sascha ist wohl der verrückteste Demoteilnehmer den ich jemals gesehen hab’.“ Die frühere „Identitäre“ und heutige rechtsextreme Influencerin und Video-Aktivistin Lisa „Licentia“ H. teilte dies ihren Fans am 22. Januar dieses Jahres auf ihrem Telegram-Infokanal mit. Dazu verlinkte die junge Wahl-Rheinländerin ein Musikvideo von V., das dieser Anfang Januar vor dem Kölner Dom aufgenommen hat. In dem Song wettert der junge Rapper angesichts der Debatte um die umstrittene WDR-Satire, die unter den Schlagworten „Umweltsau“ und „Omagate“ Schlagzeilen machte, gegen die „GEZ“.

An jenem Samstag, dem 4. Januar, hatten verschiedene Protagonisten aus den rechten Spektren nach Köln mobilisiert, um gegen den WDR aufzumarschieren. (bnr.de berichtete) Während die AfD einen Infostand abhielt, rief der umstrittene Kerpener AfD-Mann Theo Gottschalk zeitversetzt zu einer Kundgebung auf, an der auch „Master Spitter“ und andere Rechtsextremisten teilnahmen, unter anderem alsRedner. Zuvor hatten sich einige jener Teilnehmer schon auf der Domplatte als vermeintlich spontane Kundgebung provokativ hinter dem Banner des rechtsextremen Vereins „Mönchengladbach steht auf“ direkt neben antifaschistischen Gegendemonstranten präsentiert.

Selbst ernannter Friedensengel

Tage später veröffentlichte Sascha V. einen Videoclip mit dem Song, den er auf der Domplatte vor den Nazigegnern im Kreise einiger Gleichgesinnter live gesungen hatte.„Mönchengladbach steht auf“ teilte zeitgleich mit, der „Reichsbürger“ sei „Teil“ des Vereins. In dem Videoclip gegen die „GEZ“ bezeichnet „Master Spitter“ Gegendemonstranten und Antifaschisten sowie das System des öffentlich rechtlichen Rundfunks als Nazis. In „Reichsbürger“-Manier agitiert er vage gegen Behördenvertreter oder ähnlichen Personen, etwa Gerichtsvollzieher. Der „GEZ“ unterstellt der zuweilen in anderen Songs auch antisemitisch konnotiert argumentierende Rapper in geschichtsrevisionistischer Art, dass sie wie Adolf Hitler handele und „Stasi-Methoden“ anwende. Helfer dieses Systems seien die Gegendemonstranten und diese brüllten „Naziparolen“, rappte Sascha V. aus Jüchen in dem Song.

V. gleicht einem Chamäleon. Er ist bekennender„Reichsbürger“, tritt zugleich ähnlich wie vor rund fünf bis sechs Jahren die rechtsesoterischen „Friedensmahnwachen“ als selbst ernannter Friedensengel auf. Er vertritt Verschwörungsideologien und geriert sich als „Anti-Antifaschist“. Er wirkte bei rechtsextremen und fremdenfeindlichen Aufmärschen als Paroleneinpeitscher und provozierte aggressiv Gegendemonstranten.

Optisch eher linksalternativer Rapper

Als „Master Spitter“ trat er ebenso bei Aktionen rechter und verschwörungsgläubiger „Gelbwesten“ in Erscheinung. Als diese kürzlich im niederländischen Vaals aufmarschierten (bnr.de berichtete) war V. nicht nur selbst dabei, er kümmerte sich auch um die Tonanlage und verhielt sich fast kumpelhaft gegenüber dem Rapper „Mali Karma“, der auch Breakdance- und HipHop-Workshops für Jugendliche abhält und selbst Migrationshintergrund hat.

Unfreiwillig komisch wirkte „Reichsbürger“ V., der zeitweise über Lautsprecher die Parolen bei einem rechtsextremem Aufmarsch in Mönchengladbach vorgab, im September 2019. Da nur schwarz-rot-goldene Flaggen geduldet wurden bei der Versammlung hatte er sich eine kleine Landesflagge der sonst von ihm angezweifelten Bundesrepublik an seine Ordner-Armbinde geklemmt. (bnr.de berichtete) Optisch gleicht V. meist sowieso eher einem linksalternativen Rapper, manchmal wirkt er auch wie ein Reggae-Fan oder wie ein Nachwuchs-Hippie.

Vemeintlich antikapitalistischer Song

Auf seinen Facebook-Auftritten inszeniert er sich als Snowboarder und Skater und wirkt auch hierbei eher wie ein linksalternativer Vertreter aus eben jener Szene. Alte Freunde und Bekannte fielen manchmal dadurch auf, weil sie via Facebook anmerkten, dass sie seine heutige Meinung gegenüber seinen früher vertretenen Ansichten nicht mehr nachvollziehen könnten. Verdrahtet ist V. seit mindestens rund zwei Jahren in dem sozialen Netzwerk verstärkt auch mit Rechtsextremisten, Fremdenfeinden, Holocaust-Leugnern,„Gelbwesten“, „Reichsbürgern“ und Menschen, die an eine Querfront aus Linken und Rechten glauben. V. wirkt wie einer, der Brücken bauen will zwischen den politischen Spektren – die zugleich aber nicht miteinander inhaltlich kompatibel sind. An Versammlungen aus dem rechtsextremen und „Gelbwesten“-Spektrum im Rheinland wirkt er zum Teil organisierend oder werbend mit.

Zuweilen mischt „Master Spitter“ in seinen Songs allerleipolitische Inhalte, um bei verschiedenen – auch linken oderlinksoffenen – Szene anschlussfähig zu wirken. So rappte er auf einer Kundgebung der „Gelbwesten“ in Erfurt im März 2019 seinen vermeintlich antikapitalistischen Song „Friede den Hütten und Krieg den Palästen“. Das nach einer linken, antikapitalistischen Parole benannte Lied mündete bei dem Auftritt in sozialdemagogisches Gereime, gepaart mit Verschwörungstheorien und „Reichsbürger“-Inhalten. Inmittendessen erfolgten vage Hinweise, wie es gemeint sein könnte: Die Menschheit benötige den „Entzug von der Geldmacht“ und die Welt sei „geldgesteuert“ von einer durch V. nicht näher konkretisierten „Elite“.

Lobeshymne auf die „Gelbwesten“ intoniert

Auf einer Demonstration der „Gelbwesten Mönchengladbach“ sang „Master Spitter“ Anfang April 2019 in einem Song mit sozialdemagogischen Inhalten erneut über allerlei Versatzstücke aus diesem Spektrum. Den Mittelstand und die ärmere Bevölkerung müsse man gegen Reiche und die Geldwirtschaft verteidigen, reimte er. Ob manche Zeilen dabei antisemitisch interpretiert werden könnte oder nur als Kritik am Kapitalismus zu bewerten wären, überließ der Sänger vorerst noch den Zuhörern: „Wir sind doch nicht die Sklaven aller Banken [und] Kredite.“ Zugleich sang er, man müsse „Flüchtlingswellen stoppen“. Kurz vor diesem Lied hatte V. gemeinsam mit der Sängerin „Rose“ in jenem April 2019 in Mönchengladbach eine Lobeshymne auf die „Gelbwesten“ intoniert. Das Duett stellte sich und die neuen „Bewegung“ dabei im Sinne von Verschwörungsideologen als Erweckte und Lichtbringer dar. Man werde ein „Licht in die Straßen tragen“, die „Regierung zu Fall“ bringen und müsse „raus aus der Viehzucht“. Die„Gelbwesten“ wurden in dem Song zu „Helden“ stilisiert, gemeinsam werde man „kämpfen“ um die „Macht der Eliten zu brechen“ sangen „Master Spitter“ und „Rose“.

Denselben Song intonierte Sascha V. solo beim Aufmarsch der „Gelbwesten“ im niederländischen Vaals im November 2019. (bnr.de berichtete) In seinem anderen Song – siehe oben – hatte der Jüchener im April 2019 in Mönchengladbach seinerzeit im antisemitisch interpretierbaren Kontext weiter gerappt. Er wetterte gegen jene, denen es nur darum gehe, dass Kriege geführt würden und die seiner Meinung nach nur den eigenen Reichtum und die eigene Macht sichern wollten. Ein drittes Lied, das „Master Spitter“ am 7. April 2019 in Mönchengladbach vor den „Gelbwesten“ darbot, war trotz teils vager Passagen etwas deutlicher. Der Song spielte im antisemitischen Kontext gesehen mit Verschwörungsideologien und „Reichsbürger“-Inhalten. Offenbar angespielt auf den Holocaust rappte V., es gebe „nicht nur ein Massengrab im Lauf der Geschichte.“ Eine „Schattenmacht“ steuere „diese Dinge“, gesteuert seien „wir alle durch die geheimen Logen“. Wen „Master Spitter“ mit diesen Andeutungen meinte, konkretisierte er später in einer weiteren Liedzeile.

„Make Love Not War“ in Düsseldorf

Die USA würden „in Israels Auftrag die Welt versklaven“. Solche Lieder sang „Master Spitter“ am vergangenen Samstag auch in Düsseldorf, als fast 20 Personen aus dem „Gelbwesten“-Spektrum vor die Firma Rheinmetall und das französische Generalkonsulat zogen. Das Motto der Aktion lautete, angelehnt an die Hippie-Bewegung: „Make Love Not War“. Viele Teilnehmer der dubiosen „Friedensdemo“ haben teils zuvor schon an rechtsradikalen und fremdenfeindlichen Aufmärschen teilgenommen, andere stehen den „Reichsbürgern“ und der AfD nahe. Angereist waren sie aus dem Raum Düren, Mönchengladbach, Euskirchen, Rotterdam, Dortmund, Arnsberg und Köln.

Ist Sascha V. alias „Master Spitter“ also der „verrückteste Demoteilnehmer“, wie Lisa „Licentia“ H. es formuliert hat? Oder ist er ein Verschwörungsideologe, antidemokratischer Geschichtsrevisionist, Antisemit und „Reichsbürger“ der meist nur vage formuliert? Ist er der junge Musiker und Sänger, der sich so präsentiert, dass er auch über den Tellerrand der eigenen rechten Szene(n) hinaus Menschen mit seinem HipHop ideologisieren will? Als „Reichsbürger“ ist er jedenfalls ein „Teil“ des rechtsextremen Vereins „Mönchengladbach steht auf“. Dessen Kopf, der ehemalige „pro NRW“-Funktionär und Mitbegründer der „Hooligans gegen Salafisten“ (HoGeSa), Dominik Roeseler, bemüht sich derweil immer wieder, bürgerlich aufzutreten.

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