Doris von Sayn-Wittgenstein

In rechter Gesellschaft

Durch ihre Kandidatur für den Bundesvorsitz der AfD im Dezember 2017 in Hannover erlangte Doris von Sayn-Wittgenstein bundesweite Aufmerksamkeit. Ihr Stern ist seither zwar ziemlich untergegangen, ihre Profilsucht sich in „rechter Gesellschaft“ unter Patrioten, wie sie es nennt, zu bewegen, allerdings nicht.

Mittwoch, 16. Februar 2022
Horst Freires
Doris von Sayn-Wittgenstein Im November 2018 im Landtag von Schleswig-Holstein (c) imago xFotostandx/xJakocsx
Doris von Sayn-Wittgenstein Im November 2018 im Landtag von Schleswig-Holstein (c) imago xFotostandx/xJakocsx

Am vergangenen Sonntag zog es die Schleswig-Holsteinerin im Sog alljährlich neonazistischen Gedenkens an der Seite der beiden gescheiterten AfD-Mitglieder André Poggenburg und Egbert Ermer auf den Altmarkt nach Dresden, wo sie einen Kranz mit dem Gedenken an den „alliierten Bombenterror“ hinterließ.

Kampfabstimmung verloren

Ein Wochenende zuvor wollte sie auf der AfD-Landtagswahlkonferenz in Elmshorn noch einmal austesten, wie stark ihr Rückhalt in der Partei ist. Sie kandidierte spontan bei der Landtagswahl-Listenaufstellung für den zweiten Platz, kassierte in einer Kampfabstimmung aber eine Niederlage mit 77:120 Stimmen gegen Kurt Kleinschmidt, Kreisverbandschef von Nordfriesland. Für einen weiteren Listenplatz warf sie ihren Hut dann nicht mehr in den Ring.

Die 67-Jährige wurde im Juli 2017 zur Landessprecherin gewählt, im Dezember 2018 nach Bekanntwerden ihrer Unterstützung des rechtsextremistischen geschichtsrevisionistischen Vereins „Gedächtnisstätte e.V.“ aber aus der Landtagsfraktion ausgeschlossen. Zugleich starteten Bemühungen, sie aus der Partei rauszuwerfen. Noch während des Ausschlussverfahrens wurde von Sayn-Wittgenstein im Sommer 2019 als Landesvorsitzende bestätigt, was keine Anerkennung im Bundesvorstand fand. Weil sie schließlich erfolgreich gegen ihre Parteiverbannung klagte, ist sie seit April 2021 wieder AfD-Mitglied - ein Status, der aber noch nicht letztinstanzlich entschieden ist.

Bei Markus Beisicht gern gesehener Gast

Seit ihrem Fraktionsausschluss agiert die Juristin als Einzelabgeordnete im schleswig-holsteinischen Landtag, die kein Stimmrecht mehr in den Ausschüssen hat. Zuletzt ließ sie sich mehrmals nicht mehr bei Landtagssitzungen sehen. Von einem Journalisten darauf angesprochen, entgegnete sie, dass sie sich in ihrer Parlamentsarbeit vor allem auf die Möglichkeit konzentriere, Kleine Anfragen zu stellen.

Macht sich Sayn-Wittgenstein in Schleswig-Holstein öffentlich eher rar, scheut sie nicht weite Entfernungen zu auswärtigen Auftritten. So war sie am 22. Januar beim "Aufbruch Leverkusen" von Markus Beisicht Gastrednerin zum Neujahrsempfang und wiederholte ihren dortigen Besuch aus dem Jahr 2020. Am 21. Juni 2021 agierte sie ebenso auf einer Montags-Demonstration von Corona-Maßnahmen-Gegnern am Mikrofon bei der Bürgerbewegung Leipzig, angeführt durch den früheren NPD-Funktionär Volker Beiser aus Rheinland-Pfalz. Am 2. Oktober 2021 lud sie selbst neben Poggenburg zu einem Oktoberfest in den Kyffhäuser-Kreis nach Thüringen ein. Auf der Gästeliste standen dabei auch Jürgen Elsässer vom Compact-Magazin, Verschwörungserzähler Thorsten Schulte („Silberjunge“) und Björn Clemens von der vom Verfassungsschutz beobachteten "Gesellschaft für freie Publizistik".

Szene-Anwalt als Rechtsbeistand

Vor wenigen Tagen traf man Sayn-Wittgenstein in Schleswig beim Landesverfassungsgericht. Dort ist sie Klägerin gegen den im März 2021 im Kieler Landtag beschlossenen Notausschuss des Landesparlaments, um die Handlungsfähigkeit des Abgeordnetengremiums in einer außerordentlich schweren Katastrophe aufrecht zu erhalten. Ihr Argument: Als fraktionslose Abgeordnete habe sie keine Zugangsmöglichkeit zu dem Ausschuss und könne auch nicht über dessen Zusammensetzung mitbestimmen.

Als Anwalt in dem Verfahren hat sich die Klägerin den Düsseldorfer Björn Clemens geholt, der von 1993 bis 2007 aktiv bei der Partei Die Republikaner war, und als Szene-Anwalt für Rechtsradikale gilt. So verteidigte er 2010 den damaligen NPD-Funktionär Udo Pastörs aus Mecklenburg-Vorpommern, trat im lang andauernden Prozess gegen die Aktivisten vom Aktionsbüro Mittelrhein auf, war kurzzeitig Wahlverteidiger im NSU-Prozess von André Eminger und Rechtsvertreter des wegen Beihilfe angeklagten Neonazis Markus H. im Prozess zum Mordfall Walter Lübcke.

Bereits Anfang 2017 tauchte Clemens als juristischer Beistand im Zusammenhang mit der Nord-AfD auf. Vor dem Landgericht Kiel verteidigte er den Landesvorstand im Streit um die Rechtmäßigkeit der Landesvorstandswahl. Clemens trat auch bereits als Redner bei von Neonazis als Geschichtsverdrehung genutzten sogenannten Trauermärschen zur Erinnerung an die Bombardierung durch die Alliierten in Dresden auf, etwa 2010, als er die Freiheit des seinerzeit inhaftierten Holocaust-Leugners Horst Mahler forderte.

Im Fall von Sayn-Wittgenstein vor dem Landesverfassungsgericht soll am 25. März die Entscheidung verkündet werden.

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