Rechter Bundeswehroffizier Franco A. wegen Terrorplänen verurteilt
Erstmals ist ein Bundeswehrsoldat wegen Rechtsterrorismus verurteilt worden. Nach mehr als einjährigem, zähen Prozess zeigte sich das Frankfurter Oberlandesgericht am Freitag überzeugt, dass der Offenbacher Oberleutnant Franco A. rechte Mordanschläge geplant hat – und verurteilte ihn zu fünfeinhalb Jahren Gefängnis.

Franco A. blickte nicht einmal dann auf, als er in der Urteilsbegründung zum ersten und einzigen Mal direkt angesprochen wurde. „Nein, Herr A.“, erklärte ihm da der Senatsvorsitzende Christoph Koller, „Ihre Aufzeichnungen blieben nicht im Metaphysischen. Sie betrafen das reale Leben, das Leben von Menschen.“ Und sie seien, davon zeigte sich der Staatsschutzsenat des Frankfurter Oberlandesgerichts nach 14-monatigem Terrorprozess überzeugt, nicht nur Ausdruck einer völkisch-nationalistischen, rassistischen und antisemitischen Weltanschauung. Sondern eines mörderischen Plans.
Anderthalb Stunden brauchte der Richter, um zu begründen, womit wohl auch Franco A. nicht wirklich gerechnet hatte: dass das Gericht den vom Dienst suspendierten Oberleutnant aus Offenbach der Planung rechter Mordanschläge für überführt hält. Oder in der Sprache des Strafgesetzbuchs: dass der 33-Jährige sich erwiesenermaßen der „Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat“ schuldig gemacht habe. „Ernsthafte Zweifel, die es gebieten würden, den Angeklagten nach dem Grundsatz in dubio pro reo freizusprechen“, sagte Koller, „hat der Senat nicht.“
Das Ob im Tatentschluss zählt
Mit der verhängten Freiheitsstrafe von fünfeinhalb Jahren blieb das Gericht etwas unter der Forderung der Bundesanwaltschaft, die sechs Jahre und drei Monate verlangt hatte. Zudem sollen drei Monate bereits als verbüßt gelten, wegen der überlangen Verfahrensdauer: Seit Franco A. im Februar 2017 festgenommen wurde, als er eine von ihm am Wiener Flughafen versteckte Pistole abholen wollte, sind mehr als fünf Jahre vergangen – vor allem, weil derselbe Senat, der den Soldaten jetzt verurteilte, den Terrorvorwurf zunächst nicht hatte zur Verhandlung zulassen wollen. Erst ein Beschluss des Bundesgerichtshofs hatte das Frankfurter Gericht dazu gezwungen.
Die offenkundige Hoffnung der Verteidigung und des Angeklagten, dass der Senat einfach bei seiner damaligen Sicht bleiben würde, hätte kaum heftiger enttäuscht werden können. Sichtlich konsterniert hörte Franco A., wie Richter Koller deutlich machte, worauf es bei dem erst vor gut zehn Jahren unter dem Eindruck islamistischen Terrors geschaffenen Paragrafen 89a des Strafgesetzbuchs ankommt. Und worauf eben nicht: „Ein fester Tatentschluss setzt keinen detailliert ausgearbeiteten Masterplan voraus.“ Nicht über das Wie und Wann einer konkreten Tat müsse ein Angeklagter entschieden haben, sondern lediglich über das Ob.
Angeblicher „Rassenkrieg gegen das deutsche Volk“
In diesem Sinne sei Franco A. spätestens 2016 zur Tat fest entschlossen gewesen, also: zu morden, „um zum Erhalt der deutschen Nation beizutragen“, wie der Richter das Denken des Angeklagten paraphrasierte. Mögliche Opfer: prominente Persönlichkeiten, die er wegen ihrer flüchtlingsfreundlichen Haltung als mitverantwortlich für den angeblich jüdisch gesteuerten „Rassenkrieg gegen das deutsche Volk“ ansah. Der damalige SPD-Justizminister Heiko Maas, die Grünen-Politikerin Claudia Roth und insbesondere die Gründerin der Amadeu-Antonio-Stiftung, Anetta Kahane.
Dass der Soldat Autos fotografierte, die in der Tiefgarage der Stiftung in Berlin standen, könne entgegen allen Ausflüchten des Angeklagten nur als Ausspähen gewertet werden, befand das Gericht. Franco A. hatte immer wieder beteuert, dass er mit der bei Rechten verhassten Menschenrechtsaktivistin nur habe reden wollen. „Es ist schon nicht zu erwarten, dass Frau Kahane mit einem ihr unbekannten Mann, der ihr in der Tiefgarage auflauert, ein inhaltliches Gespräch führt“, sagte Koller. Außerdem habe sie seinem Feindbild entsprochen.
„Lokalisieren“ von Feinden und geplante Gefangenenbefreiung
Nicht überzeugend, nicht schlüssig, widerlegt: Von den wortreichen Unschuldsbeteuerungen und Erklärungsversuchen, mit denen sich Franco A. in dem 37 Verhandlungstage langen Prozess immer wieder um Kopf und Kragen geredet hatte, ließ das Gericht kaum etwas übrig. Zugegeben hatte der Offizier nur, dass er illegal vier Schusswaffen besaß, darunter ein Sturmgewehr, dass er mehr als 1.000 Schuss Munition und Knallkörper bunkerte, überwiegend aus Bundeswehrbeständen, und dass er als vermeintlicher syrischer Geflüchteter „David Benjamin“ mehr als ein Jahr lang zu Unrecht Sozialleistungen bezog – weil er über die Flüchtlingspolitik habe aufklären wollen. Den Anklagevorwurf, dass er sich das Doppelleben gezielt aufgebaut habe, um Attentate unter falscher Flagge begehen zu können, hatte zuletzt auch die Bundesanwaltschaft nicht mehr aufrechterhalten. Und auch das Gericht erklärte das nun für nicht beweisbar.
Ansonsten aber reichten dem Senat die Indizien für eine Verurteilung. Das Ausspähen der Amadeu-Antonio-Stiftung. Das Zielfernrohr, das sich Franco A. kurz danach beschafft hatte. Die Schießübungen, die er machte. Die Notizen, Sprachmemos und Kalendereinträge, in denen er nicht nur seinem Antisemitismus und Rassismus freien Lauf gelassen, sondern auch mehr oder minder verklausuliert von Umsturz und Gewalt geträumt hatte. Die To-Do-Listen, auf denen er sich neben Alltagsaufgaben auch das „Lokalisieren“ von Claudia Roth vornahm, Stichworte wie „Handgranaten“ und „Molotow-Cocktails“ notierte und offenbar über eine Befreiung der notorischen Shoah-Leugnerin Ursula Haverbeck-Wetzel aus dem Gefängnis oder eine Sprengung des Denkmals für die jüdische Bankiersfamilie Rothschild in Frankfurt sinnierte.
„Nicht zu morden, sondern zu töten“
„Gewalt ist eine Option, muss eine Option sein“, sprach der Angeklagte einmal in sein Handy. „Scheuen wir uns nicht davor, nicht zu morden, sondern zu töten.“ Vor Gericht hatte er behauptet, derlei sei nur metaphysisch gemeint und der von ihm proklamierte Kampf gegen das System nur ein gewaltloser Kampf gegen die „soziale Matrix“. Was das heißen sollte, hatte er allerdings nicht recht erklären können. Stattdessen hatte er zentrale antisemitische Thesen des völkisch-nationalistischen Pamphlets, das er als Masterarbeit an einer französischen Militärakademie eingereicht hatte, im Prozess als „wissenschaftlich“ zu verteidigen versucht. Zugleich aber bestand er bis zuletzt darauf, auf keinen Fall rechtsextrem zu sein.
Nach dem Urteil kündigte sein Verteidiger Moritz Schmitt-Fricke umgehend Revision an. Der Anwalt aus Mainz hatte in seinem Plädoyer, als er eine Bewährungsstrafe für Franco A. verlangte, die rechte Mär vom „verstaatlichten Unrecht in der Flüchtlingskrise“ beschworen, den Senat als „Woke-Tribunal“ geschmäht und seinen Mandanten zum Opfer einer politischen Verfolgung wie in Russland oder Nordkorea erklärt. Staatsanwältin Karin Weingast äußerte sich als Vertreterin der Bundesanwaltschaft hingegen zufrieden mit dem Ausgang des Verfahrens: „Ich sehe das Urteil als wichtigen Erfolg in der Bekämpfung von Rassismus, Rechtsextremismus und Antisemitismus in Deutschland.“
Einstellung von A. war „hinlänglich bekannt“
Wie groß der Nachholbedarf in dieser Hinsicht gerade bei der Bundeswehr ist, war im Prozess unübersehbar. Zwar kam nur am Rande zur Sprache, wie Franco A. mit Gleichgesinnten vernetzt war – im „Hannibal“-Netzwerk eines mittlerweile ehemaligen Offiziers der Eliteeinheit Kommando Spezialkräfte (KSK), aber auch in der Kaserne im elsässischen Illkirch, wo Franco A. in einer deutsch-französischen Einheit Dienst tat. Doch klar wurde: Der Angeklagte hielt bei der Bundeswehr mit seiner rechten Gesinnung nicht hinter dem Berg, ohne Folgen. Über die völkischen Verschwörungserzählungen in seiner Masterarbeit sah man genauso hinweg wie über rassistische und antisemitische Äußerungen gegenüber Kameraden. Im Bataillon sei das „hinlänglich bekannt“ gewesen, sagte ein als Zeuge geladener Offizier. „Aber eine Relevanz, etwas zu unternehmen, wurde nicht erkannt.“