Rechte Vernetzungsbestrebungen
Der Verfassungsschutz in Sachsen konstatiert ein gestärktes Selbstbewusstsein von Neonazis, das nicht selten auch mit einer erhöhten Gewaltbereitschaft einhergeht. Beobachtet wird das Bemühen der rechtsextremen Szene, Netzwerkstrukturen aufzubauen.
Unverändert 2700 Personen werden dem rechtsextremen Spektrum im Freistaat zum Jahresende 2016 zugeordnet. Die NPD zählt nach zahlenmäßig starken Abgängen nur noch 420 Mitglieder, deren Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten 85. „Die Rechte“ unter dem Landesvorsitzenden Uli-Carsten Bayer stagniert bei 30 Aktivisten, „Der III. Weg“ mit seinen Führungsfiguren Tony Gentsch und Rico Döhler wuchs auf 60 Mitglieder an. Strukturierte und ideologisierte Neonazis legten von 340 auf 520 zu. Die unorganisierte, im Subkulturellen agierende Szene büßte leicht ein: Von 1600 auf 1550. Die „Identitäre Bewegung“ mit ihrem Regionalleiter Tony Gerber wird mit 40 Anhängern gelistet.
Schulterschluss zwischen „Thügida“ und „Wir lieben Sachsen“
Zu beobachten ist der überregionale Netzwerk-Gedanke beispielsweise bei dem selbst ernannten „Antikapitalistischen Kollektiv“ (AKK), das bei der 1. Mai-Demonstration 2016 in Plauen als „Schwarzer Block“ agierte. Habitus und Auftreten sind dabei identisch mit dem Gebaren „Autonomer Nationalisten“ vergangener Jahre. Man lädt zu Schulungen ein und betreibt Kampfsporttraining. Die Verknüpfung läuft über soziale Medien und Instant Messaging Dienste. Der Zusammenschluss von „Thügida“ und „Wir lieben Sachsen“ ist vorrangig ebenfalls an einem breiten Schulterschluss interessiert und weniger an Abgrenzung gegenüber anderen Gruppierungen und Parteien aus dem braunen Lager.
Einer der dortigen Hauptprotagonisten ist Alexander Kurth aus Leipzig. Ein weiterer Vertreter, der mit einer Strategie der thematischen Zusammenführung möglichst vieler rechtsextremer Akteure unterschiedlichster Herkunft aufwartete, hatte sich den Namen „Bündnis Weißer Rabe“ gegeben und regelmäßig zu Stammtischen eingeladen. Inzwischen zog sich besagtes Bündnis um den Leipziger Silvio Rösler aus der Öffentlichkeit zurück. Rösler betrieb ähnliche Vernetzungsbestrebungen zuvor bereits unter dem Namen „Offensive für Deutschland“ und zielte auf so genannte Wutbürger aus „Gida“-Verbindungen, „Reichsbürgern“ bis hinein in die Hooligan-Szene ab.
Umtriebige rechte Musikszene
Die rechte Musikszene im Freistaat expandiert unterdessen weiter. 2016 wurden 30 Bands oder Musikprojekte erfasst und damit acht mehr als im Jahr zuvor. Als Neuling startete beispielsweise die Combo „Entropie“. Dazu gesellen sich drei rechte Liedermacher. Im Vorjahr wurden 14 Konzerte aus diesem Bereich registriert, drei weniger als noch 2015. Ein Szene-Objekt im Torgauer Ortsteil Staupitz stellt weiterhin eine dauerhafte Örtlichkeit für entsprechende Events dar. Dort finden seit 2008 entsprechende Musikveranstaltungen statt, im Vorjahr waren es zehn. Ferner wurden über das gesamte Jahr sachsenweit 15 rechte Liedermacher-Konzerte bekannt. Der bedeutendste Vertrieb im Freistaat ist der von Steve Geburtig betriebene Versandhandel PC Records aus Chemnitz. Durch das Amtsgericht Chemnitz erging Mitte August des Jahres ein Beschlagnahmebeschluss gegen den Tonträger „Epoche der Angst“ der Band „Überzeugungstäter Vogtland“. Demnach sollen einzelne Titel daraus den Straftatbestand der Volksverhetzung und eine öffentliche Aufforderung zur Begehung von Straftaten erfüllen.
Rocker-Strukturen stoßen zunehmend auch im rechten Milieu auf Sympathie. Dazu gezählt wird die in mehreren Bundesländern vertretene Gruppe namens „Brigade 8“ aus Weißwasser (Landkreis Görlitz), aber auch „Aryan Brotherhood Eastside“ aus Bautzen.
Die Zahl rechtsextremen Straftaten ist im vergangenen Jahr noch einmal von 2234 auf 2380 angewachsen. Die Gewaltdelikte darunter sind insgesamt zwar von 201 auf 145 gesunken. Allerdings waren 68 Prozent der Gewalttaten fremdenfeindlich motiviert, deren Zahl damit noch einmal acht Prozent über dem Wert von 2015 liegt.