Rechte Siedlungsträume im Osten
Mit der Initiative „Zusammenrücken in Mitteldeutschland“ verfolgen rechtsextreme Kreise Pläne für die gezielte Ansiedelung gleichgesinnter Personen in den neuen Bundesländern. Die Werbetrommel dafür wird auch von der Neonazi-Partei „Der III. Weg“ gerührt.
Ein heiß diskutiertes Thema in der rechten Szene sind eigene Siedlungsprojekte, die gezielt in den neuen Bundesländern, im rechtsextremen Sprachjargon also „Mitteldeutschland“, verfolgt werden. Dazu gehört unter dem Namen Initiative „Zusammenrücken in Mitteldeutschland“ auch der Aufruf für einen Wegzug aus den alten Bundesländern.
Was extreme Rechte aus unterschiedlichster Verankerung, unter anderem aus der braunen Splitterpartei „Der III. Weg,“ schon vor Monaten angeschoben haben, ist plötzlich in aller Munde: Die gezielte Ansiedlung gleichgesinnter Personen samt Schaffen und Ausleben eigener Infrastrukturen und Netzwerke, also die klassische Neonazi-WG in vergrößertem Maßstab mit Familien und beruflichen Ausrichtungen. Mit dem Gedanken einer real gelebten und nicht nur propagierten Volksgemeinschaft können sich sowohl völkische Gruppierungen wie Personen aus der Neuen Rechten anfreunden. In ländlichen Räumen haben solche Zusammenschlüsse durchaus Konjunktur, in (mittel-) großen Städten tun sie sich dagegen weitaus schwerer wie das Beispiel Halle (Saale) zeigt, wo die „Identitäre Bewegung“ mit ihrem Immobilienprojekt „Haus Flamberg“ vor allem durch zivilgesellschaftlichen Widerstand gescheitert ist.
Idee eigener Wertschöpfungsketten
Nach und nach wurde in Podcast-Sendungen des Rechtsrock-Musikers Frank Kraemer („Stahlgewitter“), des bayerischen Rechtsextremisten Patrick Schröder mit seinem Medienprojekt FSN und in einer Sendung beim „III. Weg“ die Werbetrommel für „Zusammenrücken in Mitteldeutschland“ gerührt. Gesprochen wurde dabei aber auch über die Ablehnung aus neonazistischen Kreisen in den alten Bundesländern, die es nicht als richtig empfinden, wenn ihre Aktivposten zur Abwanderung aufgefordert werden, was einer Kapitulation eigener Interessen in personeller und inhaltlicher Hinsicht gleichkommen würde.
Seitens „Zusammenrücken in Mitteldeutschland“ hat es nach eigenen Angaben bereits ein Koordinierungstreffen gegeben. Mit so genannten Botschaftern will man regionale Ansprechpersonen benennen, die Fragen zu Grundstücken, Immobilien, deren Finanzierung, zu Kita und Schule sowie zu einem etwaigen Arbeitsplatz mit ihrem örtlichen Know-how beantworten sollen. Zur Idee einer eigenen autarken Versorgung samt eigener Wertschöpfungsketten zählen selbst inszenierte Handwerker- oder Dienstleisterkollektive.
Jürgen Riegers nordischer Lebenstraum ist gefloppt
Ein entsprechendes Vorbild gibt es bereits in Mecklenburg-Vorpommern: Die 2016 mit vielen NPD-Funktionären ins Leben gerufene Strukturentwicklungs-Genossenschaft, (bnr.de berichtete) die sich 2019 aus rechtlichen Gründen von einer Genossenschaft hin zu einer Kapitalgesellschaft Mecklenburg-Vorpommersche Struktur-Entwicklungs-Objektbetreuung umwandelte. Eine Schnittstelle davon ist im kleinen Neonazi-Dorf Jamel bei Grevesmühlen auszumachen.
Ähnliche rechte Lebensprojekte waren schon vor etwas mehr als 20 Jahren im Raum Güstrow (Landkreis Rostock) zu beobachten. Als so genannte „Neo-Artamanen“ ließen sich Familien in der dünn besiedelten Gegend gezielt nieder. Einer der ersten, der sich in der braunen Szene mit seinem arisch-rassistischem Weltbild über solche Siedlungsbestrebungen Gedanken machte, war der 2009 verstorbene Neonazi-Anwalt Jürgen Rieger aus Hamburg, damals zugleich Kopf der „Artgemeinschaft – Germanische Glaubensgemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung e.V.“. Er kaufte sich 1995 einen Landsitz im mittelschwedischen Sveneby und warb in dem Magazin „Nation&Europa“ um den Zuzug interessierter deutscher Familien auf das Landgut, „um ein Leben frei von Indoktrinierung, Ausländerinvasion und Drogen“ zu führen. Dafür kassierte er sogar EU-Agrarbeihilfen für eine angeblich besonders artgerechte Schweinehaltung. Doch der nordisch-braune Lebenstraum Riegers floppte nach nur wenigen Jahren.
„Patriotische Raumnahme“ gescheitert
Als Vordenker von „Zusammenrücken in Mitteldeutschland“ mag wohl auch das Vernetzungsportal „Ein Prozent für unser Land“ des Verlegers Philip Stein gedient haben. Vor zwei Jahren schwadronierte „Ein Prozent“ bereits, dass es für eine „Rückeroberung der kulturellen Hegemonie“ abseits der Städte „einzigartige Gestaltungsmöglichkeiten“ gebe, und berichtete von sieben ausgeguckten „Zielgebieten“. Dazu ergänzte man großspurig: „Die patriotische Raumnahme ist gestartet.“
Ebenso großmundig hatte vor rund fünf Wochen der der „Identitären Bewegung“ nahe stehende rechte Rapper Chris Ares (bürgerlich: Christoph Aljoscha Zloch) die Schaffung eines Wohnprojektes mit vier Gebäuden für bis zu 25 Bewohnern zwischen Pulsnitz (Landkreis Bautzen) und Dresden vermeldet. Von dieser vagen Ankündigung musste er inzwischen abrücken. Ebenso davon, dass in Bischofswerda (Landkreis Bautzen) ein patriotisches Jugendzentrum mit Kampfsportmöglichkeiten entstehen soll.
Übrig geblieben ist von all dem, dass Ares mit einem befreundeten Tätowierer in Bautzen im September einen „Arcadi“-Verkaufsladen eröffnen möchte. Da der Vermieter nach öffentlichem Protest nun aber offenbar kurzfristig interveniert, ist selbst dieses Vorhaben wieder fraglich geworden. Dem Vernehmen nach soll im Übrigen auch der rechte Rapper „Makss Damage“ alias Julian Fritsch seinen Lebensmittelpunkt von Westfalen nach Ostdeutschland verlegt haben.