Wodans Erben
Rechte Rocker in Augsburg
Etwa 100 Personen, darunter diverse Rocker in Kutten und Gelbwesten folgten heute einem Aufruf, der vor allem in rechten Social Media-Kreisen verbreitet wurde. Offiziell ging es gegen „Altersarmut“. Unter dem Motto sind weitere Veranstaltungen in den nächsten Wochen geplant. Die vom Verfassungsschutz beobachteten Wodan Erben stellten mit die größte Einzelgruppe. Die Polizei interessierte sich kaum für den Aufmarsch.

Nach außen war das nicht erkennbar, wer oder was sich da mittags am Augsburger Königsplatz in den Grünanlagen versammelte hatte. Kaum Schilder und nur kurze Ansprachen, weitgehend ohne Verstärker und auch ohne Polizei. Tatsächlich wurde mindestens seit dem 27. September für die Veranstaltung unter dem Titel „Rocker gegen Altersarmut“ geworben. Geteilt wurde das Event nach Beobachtung vor allem in rechtsradikalen Messenger-Gruppen in den sozialen Medien.
Rechtspopulistischer Bauplan wie schon bei Pegida
Das durfte nicht überraschen, folgte doch die Logik der Macher eindeutig einem rechtspopulistischen Bauplan. Sie gaben ein unverfängliches Stoßrichtung vor – „gegen Altersarmut“ – hinter dem sich die allermeisten wohl versammeln könnten. Die Ursachenbeschreibung folgte dagegen dem in (extrem) rechten Kreisen üblichen Schema, statt den Ursachen eines komplexen Themas auf den Grund zu gehen, werden hauptsächlich zwei „Sündenböcke“ benannt.
Zum einen wird ein pauschaler Gegensatz konstruiert, zwischen „dem Volk“, für das man zu sprechen vorgibt und „denen da oben“, die gegen das „eigene Volk regieren“. Im Aufruf spiegelte sich das darin wider, dass „den Politikern“ vorgeworfen wurde, von ihren Diäten „in Saus und Braus“ zu leben, statt damit die Rentenkasse zu füllen.
Teilnehmer will Rentner mit Geflüchteten gleichstellen – besser nicht!
Der zweite Sündenbock wird dann meist in der Außengruppe zum „eigenen Volk“ gesucht, „den Migranten“, worunter wahlweise mal Geflüchtete, mal Wirtschaftsmigranten fallen.
Der Organisator Andy S. teilte mit Verweis auf das extrem rechte Compact-Magazin eine Aufschlüsselung, wonach wegen der ganzen Entwicklungshilfe und Geldern für Integration „kein Geld mehr“ für Rentner da sei. Auf seinem Profil duldete er zudem einen kruden Beitrag, der in der Machart antisemitische Züge aufweist, weil er wohl einer Auseinandersetzung im Israel-Palästina-Konflikt entnommen wurde und ebenfalls die Denkweise vieler Unterstützer widerspiegeln dürfte.
Ein Teilnehmer hatte ein Schild dabei, auf dem er die pauschal Gleichbehandlung von Senioren mit „Migranten“ forderte, was in seinen Augen nicht Ankerzentrum, beengtes Wohnen ohne Privatsphäre und ständig drohende anlasslose „Polizeibegehungen“ hieß, sondern angeblich 1.000 Euro für Unterkunft und Nahrung, kostenloser Nahverkehr und die Übernahme der Ausgaben für alle Elektrogeräte.
Bei den kurzen und ohne Verstärker gehaltenen Reden arbeiten sich die Organisatoren hauptsächlich an Fridays for Future ab, wobei die Argumentation nicht über das Level hinauskam, sie wollten weiter ihre Verbrennungsmotoren fahren, Elektromobilität sei keine Alternative wegen der dafür „nötigen Kinderarbeit in Afrika“ und höhere Steuern auf Energie wurden trotz des versprochenen Ausgleichs etwa über die Pendlerpauschale abgelehnt. Ohne größere Begründung wurde auch die Grundrente abgelehnt. Die Gruppe nahm für sich in Anspruch, für Umweltschutz zu sein, weil demnächst irgendwo ein Wald gepflanzt werden solle, während sich viele Teilnehmer mit Coffee to go in Wegwerfbechern versorgten.
Wodans Erben in offener Montur geduldet
Dem Aufruf folgten diverse Motorradgruppen, die anhand ihrer Kutten diversen Chaptern im Raum München, Schwaben und Franken zugeordnet werden konnten. Die vermutlich größte Einzelgruppe war keine Rockergruppe, sondern die als Bürgerwehr rockerähnlich auftretenden Wodans Erben Germanien (W.E.G.) mit etwa zehn Personen. Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet die Gruppe seit einiger Zeit. Sie hatten in München etwa gemeinsame Sache mit der NPD gemacht und waren dabei auf das Gelände einer Geflüchtetenunterkunft vorgedrungen.
Im zugehörigen Video aus NPD-Kreisen wurde Hitlers "Machtergreifung" gedacht. In Nürnberg beteiligten sie sich an einem Fackelmarsch über das ehemaligen Reichsparteitagsgelände. Der informelle Anführer der bayerischen Gruppe, Frank H., mischte in den Diskussionen in der Facebook-Veranstaltung zu Augsburg regelmäßig mit und versuchte die Stimmung weiter anzuheizen. Beteiligt hat sich in Augsburg auch Stefan F. von der NPD Ingolstadt, früher Wehrsportgruppe Hoffmann. Auch eine größere Gruppe Gelbwesten nahm an der Kundgebung teil, teils mit offenen Sympathiebekundungen an die AfD auf den Westen. Der AfD-Landtagsabgeordnete Markus Bayerbach hatte zeitweise auch in der Veranstaltung kommentiert, wurde aber nicht gesehen.
Desinteresse bei der Polizei
Wer zunächst keinerlei Notiz von der Versammlung nahm, trotz der offenen Beteiligung der vom Verfassungsschutz als "gewaltaffin" eingeschätzten Wodans, war die Augsburger Polizei. Zum Beginn der Veranstaltung war überhaupt kein Beamter am Königsplatz präsent. Erst fünfzig Minuten nach Beginn und nach Tweets an das Polizeipräsidium Nordschwaben positionierte sich eine Streife vor dem gegenüberliegenden Schnellrestaurant in einiger Entfernung. Ergänzt wurden die Beamten durch wenige Transportfahrzeuge des Unterstützungskommandos (USK). Nach den Erfahrungen einiger Kollegen mit Wodans Erben am Münchner Odinshain verzichteten wir aus Eigenschutz auf eine offene Dokumentation der öffentlichen Versammlung.
Nach den nur kurzen Reden folgten die allermeisten Teilnehmer dem Aufruf des Leiters und vernetzten sich noch vor Ort mit den anwesenden Gleichgesinnten. Das nutzte vor allem auch die Gruppe Wodans Erben, die fast bis zum Schluss um 14 Uhr blieben und vom Versammlungsleiter per Handschlag verabschiedet wurden. Ohne sichtbare Polizeibegleitung zogen sie uniformiert dann Richtung Hauptbahnhof ab.
Die Kundgebung in Augsburg war nur der Auftakt. Laut diversen Ankündigungen in der Facebook-Veranstaltung sollen in den nächsten Wochen weitere Versammlungen unter dem Label „Fridays gegen Altersarmut“ in Aachen, Mainz, Berlin, Stuttgart und Hamburg folgen.