Rechte Pilgerstätte Breitscheidplatz

Extrem rechte Gruppen versuchen den Berliner Terroranschlag für rassistische Proteste zu instrumentalisieren. Bislang scheitern sie allerdings allesamt an geringen Teilnehmerzahlen.

Dienstag, 17. Januar 2017
Theo Schneider

Immer wieder kommt es seit dem Terroranschlag am Berliner Breitscheidplatz am 19. Dezember vergangenen Jahres zu Aktionen der extrem rechten Szene am Tatort. Die Rechten wollen gegen Flüchtlinge und den Islam wettern sowie die Bundesregierung um Kanzlerin Angela Merkel für die Toten verantwortlich machen.

Nur wenige Stunden nach dem schrecklichen Anschlag erschien am darauffolgenden Tag Jürgen Elsässer, Herausgeber des rechtspopulistischen „Compact Magazins“, mit dem Berliner AfD-Abgeordneten Andreas Wild und dem rechten Demo-Anmelder Lars Günther für ein Videodreh am Tatort. Die drei mussten allerdings abbrechen, als empörte und wütende Passanten die pietätlose Propagandashow störten. Einen Tag später versammelten sich am 21. Dezember bereits unweit vom gesperrten Tatort rund 120 NPD-Anhänger um Sebastian Schmidtke unter dem Motto „Grenzen dichtmachen – an Merkels Händen klebt Blut“ am Hardenbergplatz, zeitgleich protestierte die AfD vor dem Kanzleramt. (bnr.de berichtete)

„Trauermarsch“ mit Neonazis

Vergangenen Samstag traf sich die rechtspopulistische Gruppierung „Hand in Hand“, eine Abspaltung der „Merkel muss weg“-Aufmärsche, die bereits im November mit einem kleinen Aufzug in der City-West aufgefallen war (bnr.de berichtete), zu einem „Trauermarsch“ am Bahnhof Zoo. Die knapp 100 Teilnehmer zogen mit islamfeindlichen und anderen rechten Transparenten zum Breitscheidplatz, um dort einen Kranz abzulegen. Neben Eric Graziani Grünwald alias Sebastiano Graziani, der sich gern als „der patriotische Italiener“ vorstellt und eine Rede hielt, erschienen auch NPD-Anhänger wie Jens Irgang und Neonazis aus West-Brandenburg mit einem Transparent „NS Havelland – Frei Sozial National“.

Am Montagabend fand erneut ein extrem rechter Aufmarsch am Breitscheidplatz statt. Der Berliner Pegida-Ableger „Bärgida“ hatte zusammen mit der Splittergruppe „pro Deutschland“ dazu aufgerufen, unter dem Motto „Berlin wehrt sich gegen Merkel“ zu protestieren. Dem folgten gestern allerdings lediglich die gleichen knapp 60 Protagonisten, die ohnehin wöchentlich bei „Bärgida“ erscheinen, darunter „Bärgida“-Chef Karl Schmitt und der „pro Deutschland“-Funktionär Enrico Stubbe, der im vergangenen Jahr die „Merkel muss weg“-Aufmärsche organisiert hatte.  Auf einem Schild beklagte ein Teilnehmer, die Anschlagsopfer seien Opfer zweiter Klasse, weil sie bis heute keine öffentliche Ehrung erfuhren. Andere hielten ein Transparent mit der Aufschrift „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“.

Vor Ort lamentierte „pro Deutschland“-Bundeschef Manfred Rouhs mehr als 20 Minuten über Merkels Flüchtlingspolitik, die demnach verantwortlich für den islamistischen Terror sei. Rouhs‘ Rede am gestrigen Abend ging allerdings im lauten Glockengeläut unter: Die Berliner Gedächtniskirche hatte zeitgleich zu einem ökumenischem Friedensgebet zum Gedenken an die Anschlagsopfer geladen, bei dem 300 Menschen erschienen. Zudem protestierten rund 140 Menschen gegen den rechten Spuk.

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