Rechte Offensive in der Provinz

In Themar in Südthüringen soll am morgigen Samstag erneut ein Rechtsrock-Event stattfinden. Nur drei Tage später ist dann ein braunes Ahnengedenken mit Fackelmarsch geplant.

Freitag, 27. Oktober 2017
Horst Freires

Der kleine thüringische Ort Themar im Landkreis Hildburghausen kommt nicht zur Ruhe. Nach dem am Samstag anstehenden Rechtsrock-Event mit Versammlungscharakter (bnr.de berichtete) wird auf der Facebook-Seite von Neonazi Tommy Frenck für den 31. Oktober  bereits zu einem Ahnengedenken mit Fackelmarsch und anschließender Zusammenkunft an einem Steinkreis aufgerufen.

In beiden Fällen spielt sich das Szenario auf der Wiese am Ortseingang ab, die der Besitzer vertraglich Frenck überlassen hat. Beim morgigen „Rock gegen Links“ ist organisatorisch der langjährige NPD-Funktionär Patrick Schröder (Jahrgang 1983) aus der Oberpfalz verantwortlich. Ob tatsächlich nur die der Versammlungsbehörde angezeigten 750 Besucher kommen, oder doch viel mehr, bleibt abzuwarten. Immerhin wird die Veranstaltung vom internationalen „Blood&Honour“-Netzwerk beworben. Das Bündnis für Demokratie und Weltoffenheit Kloster Veßra hat zum kostümierten Gegenprotest aufgerufen.

Neonazistische Strategie mit Kalkül

Drei Großkonzerte, ein Fußballturnier und nun noch eine völkische Zusammenkunft binnen dreieinhalb Monaten – das alles darf man dann wohl getrost als eine braune Offensive in der südthüringischen Provinz bezeichnen, bei der es Frenck, Schröder und ihren Gefolgsleuten um eine Machtdemonstration geht, wer für sich in der Region öffentlichen Raum beansprucht und besetzt.

Der Aufruf für den 31. Oktober soll einen antichristlichen Gegenentwurf zum Reformationstag und dem sich unmittelbar anschließenden Feiertag Allerheiligen darstellen, aber auch eine aufs angebliche Brauchtum verweisende Alternative zu Halloween. Bezugnehmend auf Samhain, dem Beginn der dunklen Winterzeit im keltischen Jahreskalender, heißt es im Aufruf: „Wir wollen den heiligen Schwur im Angesicht unserer Vorfahren leisten, dass dieses Land für alle Zeiten die Heimat des deutschen Volkes bleiben wird.“ Die aktuelle Berufung auf Samhain reiht sich ein in eine von der rechten Szene seit vielen Jahren praktizierten Mythos- und Kultbildung einer selbst geschaffenen historischen Traditionswelt, in der wissenschaftliche Erkenntnisse gefälligst hinter instrumentalisiertem Ahnenglauben zurückzustehen haben. Was so verharmlosend wie Lagerfeuerromantik und Laternenumzug für die ganze Familie formuliert wird, ist neonazistische Strategie mit Kalkül.

Vertreter von „Combat 18“ unter den Helfern

Die Beantwortung von parlamentarischen Anfragen der thüringischen Linken-Abgeordneten Katharina König-Preuss zum ersten Themar-Konzert am 15. Juli mit rund 6000 Besuchern bietet derweil einen kleinen Einblick in die Geschehnisse rund um das braune „Rock gegen Überfremdung“-Spektakel. Demnach bildet die polizeiliche Statistik vor Ort angesichts gar nicht einmal voll umfänglicher Kontrollen wohl nur einen Bruchteil tatsächlich vorgefallener Gesetzesverstöße ab.

Aus polizeilicher Sicht laufen demzufolge rund 50 Ermittlungsverfahren, darunter gegen die Sänger der Bands „Die Lunikoff Verschwörung" und „Stahlgewitter“. Die tauchen namentlich zwar nicht im Parlamentsvorgang auf, mutmaßlich dürfte es sich aber um die szenebekannten Michael Regener aus Berlin und Daniel „Gigi“ Giese aus Niedersachsen handeln. Zum Helferkreis der Veranstaltung gehörten laut Innenministerium auch Vertreter von „Combat 18“, einer Organisation, die als bewaffneter Arm der hierzulande seit 2000 verbotenen B&H-Bewegung gegründet wurde.

Der Musikanteil nahm am 15. Juli fast dreimal so viel Zeit ein wie die Redebeiträge. Gleich 17 indizierte Lieder wurden gespielt. Auch nach einer polizeilichen Ermahnung gegenüber dem Versammlungsleiter wegen erster entsprechender Verstöße und dem Zeigen des Hitler-Grußes von Mitgliedern der sächsischen Band „Blutzeugen“ wurden noch in 14 weiteren bemerkten Fällen verbotene Stücke gespielt. „Stahlgewitter“ spielten insgesamt zehn indizierte Stücke, „Die Lunikoff Verschwörung“ vier, „Blutzeugen“ eines und „TreueOrden“ aus Thüringen zwei.

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