Rechte Islamfeindschaft als Ideologie
Die kritische Auseinandersetzung mit islamfeindlicher Hetze steht im Zentrum der Publikation „’WIR oder Scharia’? Islamfeindliche Kampagnen im Rechtsextremismus“. Der Band ist das Ergebnis der Zusammenarbeit des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes und des Zentrums für Antisemitismusforschung an der Technischen Universität Berlin.
Islamfeindliche Stimmungsmache ist zu einem der wichtigsten Propaganda-Themen rechtsextremer Gruppierungen geworden. Das gilt für Parteien wie die NPD, die „Bürgerbewegung pro NRW“, für Neonazi-Zusammenschlüsse und rechtsextreme Musikbands. In ihrem Titel „WIR oder Scharia“? greift die Publikation eine Parole der NPD auf, die bei der Landtagswahl im vergangenen Jahr in Nordrhein-Westfalen Stimmung gegen Bürgerinnen und Bürger muslimischen Glaubens gemacht hatte.
Im NPD-Slogan „WIR oder Scharia“ dient Scharia als Inbegriff all dessen, was „den Islam“ gefährlich und unmenschlich erscheinen lassen soll. So soll der Begriff Bilder archaischer Rituale oder sogenannter Ehrenmorde im Kopf entstehen lassen. Noch heute betreibt der Bundesvorstand der NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) unter dieser Parole eine Homepage. Die Islamfeindschaft soll zum Vehikel rechtsextremer Ideologien werden, diese salonfähig machen und für eine neue Anhängerschaft werben.
Mit „Türöffner“-Themen den öffentlichen Diskurs bestimmen
Die Herausgeber des Bandes, Wolfgang Benz – bis 2011 Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung an der TU Berlin – und Thomas Pfeiffer, wissenschaftlicher Referent beim nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz, betonen in ihrem gemeinsamen Vorwort, dass Rechtsextremisten immer seltener mit offener Verherrlichung des Nationalsozialismus oder plumpem Antisemitismus auf Stimmen- und Anhängerfang gehen. In erster Linie versuchten sie mit „Türöffner“-Themen wie „dem Islam“,den öffentlichen Diskurs zu bestimmen.
Dass dies mit Aussicht auf Erfolg geschehen kann, dokumentieren die Wahlergebnisse von Islam-feindlichen Parteien wie der niederländischen „Partei für die Freiheit“ von Geert Wilders. Kapitel eins des Buches widmet sich am Beispiel der Niederlande der Islamfeindschaft als wahlstrategischem Erfolgsmodell. So hat sich die Wilders-Partei mit islamfeindlicher Agitation in eine Schlüsselposition für die Regierungsbeteiligung manövriert.
Bezogen auf die Bundesrepublik wird konstatiert, dass hier der Islamfeindlichkeit „eine besondere gesellschaftliche Bedeutung“ zukommt, da das Potenzial „ausgesprochen hoch“ sei. Mehr Bürgerinnen und Bürger stimmen derzeit negativen Meinungen gegenüber dem Islam und Muslimen zu als gegenüber anderen Gruppen. Das zweite Kapitel klärt schwerpunktmäßig Trennlinien zwischen Islam und Islamismus und zwischen Islamfeindschaft und Islamkritik.
Islamfeindschaft begegnen, Demokratie fördern
Agitation und Kampagnen bundesdeutscher Islamfeindschaft im Rechtsextremismus beleuchtet Kapitel drei. Im Blickpunkt stehen pro NRW und die NPD. Das abschließende Kapitel zieht Bilanz und nimmt Gegenmaßnahmen in den Blick. Kreative Projekte aus der schulischen und außerschulischen Praxis, die der Islamfeindschaft begegnen und Demokratie fördern, stellen ihre Arbeit vor.
Materialien-Tipps für die pädagogische Arbeit zu den Themenfeldern Rechtsextremismus, Islam und kulturelle Vielfalt beschließen den Band, der aus einer Tagung zum Thema hervorgegangen ist, die die Begegnungsstätte Duisburg-Marxloh der Türkisch Islamischen Gemeinde zu Duisburg (DITIB) und der NRW-Verfassungsschutz 2010 gemeinsam durchgeführt haben.
Die 18 Beiträge vereinen die Blickwinkel unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen. Analysiert werden Leitmotive, sprachliche Strategien und Erfolgaussichten islamfeindlicher Kampagnen. Die Beiträge zeigen, an welchen Einstellungsmustern Rechtsextremisten anknüpfen möchten – sie analysieren Stereotype, Feindbilder, Verschwörungstheorien und deren Auftreten in Wahlkämpfen, Musiktexten und im Web 2.0. Die Publikation verbindet Analyse mit Impulsen für demokratische Kultur.
Der Text erscheint mit freundlicher Genehmigung von vorwärts.de